Formel-1-Technik: Der aktive Cockpitschutz
Technikexperte Giorgio Piola erklärt das Konzept des aktiven Cockpitschutzes, wie es vom ehemaligen Formel-1-Ingenieur Enrique Scalabroni entworfen wurde.
Foto: Giorgio Piola
Am Rande des Grand Prix von Italien in Monza präsentierte Enrique Scalabroni sein Konzept eines aktiven Cockpitschutzes für Formel-1-Boliden. Scalabroni arbeitete in der Vergangenheit als Ingenieur für Ferrari und Williams und unterbreitete seine Cockpitschutz-Idee sowohl Bernie Ecclestone als auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner.
Scalabronis Konzept behandelt das Thema Cockpitschutz grundlegend anders als es für Konzepte wie etwa Halo oder Aeroscreen gilt. Der aktive Cockpitschutz setzt sich aus 2 separaten Konstruktionen zusammen.
Cockpithaube über dem Helm
Eine Haube über dem Helm und damit über dem Kopf des Fahrers reduziert das Verletzungsrisiko, sollte ein großes Trümmerteil von oben herab auf das Auto prallen.
Das größte Problem dabei ist die eingeschränkte Zugänglichkeit, sollte das Auto kopfüber zum Stillstand kommen. Damit ist einerseits das Aussteigen des Fahrers aus dem Cockpit, andererseits der schnelle Zugriff für das Ärztepersonal gemeint.
Geht es nach Scalabroni, dann würde der Fahrer im Falle eines kleineren Unfalls selbst einen Knopf drücken, um die Cockpithaube zu öffnen. Ist das aufgrund von Verletzungen nicht möglich, dann würden die Sportwarte oder Ärzte die Haube auf die Art und Weise öffnen, wie in der Animation gezeigt.
Eine ganzheitliche Betrachtung dieses Themas würde vermutlich eine Kombination beinhalten, und zwar mit dem Polster, das den Helm des Fahrers schon jetzt umgibt.
Windschutzscheibe
Der von Red Bull konzipierte Aeroscreen ist eine mögliche Antwort auf die Problematik, wie sie Felipe Massa im Qualifying zum Grand Prix von Ungarn 2009 erfahren musste. Eine Feder des Brawn-Boliden von Rubens Barrichello hatte sich gelöst und war mit hoher Geschwindigkeit von vorn auf Massas Helm geprallt.
Scalabroni hat das Aeroscreen-Konzept dahingehend verfeinert, dass er die Windschutzscheibe im Rahmen seines Konzepts länger gestaltet. Damit sollen von vorn kommende Trümmerteile noch besser abgelenkt werden. So, wie der Aeroscreen im Mai dieses Jahres präsentiert wurde, war das Material der Windschutzscheibe nicht stark genug, um größeren Trümmerteilen Stand halten zu können.
Das Problem in diesem Zusammenhang könnte allerdings eine eingeschränkte Sicht für den Fahrer sein. Auch Regenwetter könnte sich diesbezüglich noch als Knackpunkt herausstellen. Das gilt aber nicht nur für Scalabronis Konzept, sondern auch für Halo. Letztgenannter Cockpitschutz wurde bislang nur bei gutem Wetter ausführlich getestet.
Verfolgt man aber die Idee von Scalabroni genauer und integriert sie in entsprechend in die Fahrzeugnase, dann könnte sie durchaus funktionieren. Dies gilt nicht nur für den Aspekt der Sicherheit, sondern auch den der Ästhetik. Letztgenannter ist ein Hauptkritikpunkt an Halo.
Aktive Windschutzscheibe
Der wohl umstrittenste Teil des Cockpitschutz-Konzepts von Scalabroni ist die sogenannte aktive Windschutzscheibe. Die Idee sieht vor, dass eine hydraulisch gesteuerte Klappe aus der Fahrzeugnase ausfährt, um den Kopf des Fahrers vor heranfliegenden Trümmerteilen zu schützen.
Scalabroni regt an, dass diese Klappe entweder per Knopfdruck vom Fahrer selbst ausgefahren werden kann oder aber bei drohender Gefahr mittels Sensoren automatisch ausgefahren wird. Das größte Problem hierbei ist die Zeit, die vergeht, bis die Klappe ausgefahren ist. Somit würde diese Idee – wenn überhaupt – wohl eher für niedrige Geschwindigkeiten in Frage kommen.
Die Einführung eines Cockpitschutzes in der Formel 1 ist seitens der FIA auf die Saison 2018 verschoben worden. Derzeit spricht viel dafür, dass es auf die Variante Halo hinausläuft. Die bereits getätigten und auch noch bevorstehenden Praxistests in Freien Trainings könnten aber eine Einführung von Halo noch verhindern. Somit haben auch die Varianten Aeroscreen und aktiver Cockpitschutz grundsätzlich eine Chance.
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