Neurochirurg: Zanardi-Unfall zeigt, wie wenig Schutz Radhelme bieten
Der Unfall von Alex Zanardi zeigt, wie wenig Schutz Radhelme bieten - Nicola Acciari würde sich Schutzausrüstung vergleichbar mit Motorradfahrern wünschen
Am 19. Juni ereignete sich in Italien der schwere Verkehrsunfall von Alex Zanardi mit dem Handfahrrad. Bei der Kollision mit einem LKW zog sich der Rennfahrer schwere Kopfverletzungen zu. Nach mehreren Operationen befindet sich Zanardi derzeit im San-Raffaele-Krankenhaus in Mailand. Sein Zustand sei "stabil" (Hier alle Updates).
Beim Unfall war Zanardi mit seinem Handfahrrad auf die Gegenfahrbahn geraten, wo auch der LKW-Fahrer den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden konnte. Laut Neurochirurg Doktor Nicola Acciari vom Bellaria Krankenhaus in Bologna zeigt dieser Unfall, dass Radfahrer generell zu wenig geschützt sind.
In einem Interview mit 'Motorsport.com' sagt der italienische Neurochirurg: "Ich glaube, dass die derzeitigen Sicherheitsstandards für Radfahrer nicht angemessen sind. Aus ökologischen und ökonomischen Gründen wurde Radfahren im vergangenen Jahrzehnt immer populärer."
"Mit mehr Fahrrädern auf den Straßen steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Unfällen, wenn wir generell die Zunahme des Straßenverkehrs bedenken", meint Acciari. Der Zanardi-Unfall verdeutlicht seiner Meinung nach, dass vor allem beim Kopfschutz Aufholbedarf besteht.
Bessere Helme und Helmpflicht vorgeschlagen
In den meisten Ländern ist das Tragen eines Radhelms keine Vorschrift, meistens nur für Kinder bis zwölf Jahren. Beim Skifahren besteht in Deutschland auch keine Helmpflicht. In Österreich muss in einigen Bundesländern verpflichtend ein Skihelm beim Wintersport getragen werden.
Wie wichtig ein Helm ist, verdeutlicht Acciari mit einem Beispiel: "Bis zehn km/h hat ein Sturz mit einem Fahrrad ähnliche Konsequenzen wie ein Sturz eines Läufers. Aber ab 35 km/h ist ein Sturz oder eine Kollision vergleichbar mit einem Motorradunfall."
Motorradhelme bieten einen deutlich besseren Schutz des Kopfes
Foto: Motorsport Images
Und Motorradfahrer tragen in der Regel deutlich bessere Helme und sonstige Schutzausrüstung als ein Radfahrer. Vor allem Kopfverletzungen sind kritisch, wie die Beispiele Zanardi und Michael Schumacher, der einen Skihelm getragen hat, zeigen.
"Heutige Radhelme schützen nur einen Teil des Kopfes", betont der Neurochirurg. "Auch die Materialien der Helme sind für harte Schläge nicht geeignet. Viele Bereiche des Kopfes werden gar nicht geschützt, dazu zählt auch das Gesicht."
"Die Verletzungen von Alex geben uns einen Eindruck, wie wenig Schutz die derzeitigen Radhelme bieten", meint Acciari. Er würde zum Schutz auch für Radfahrer eine ähnliche Helmschale wie bei Motorradhelmen vorschlagen.
Aber ob ein Motorradhelm Zanardi besser vor seinen Gesichts- und Kopfverletzungen geschützt hätte, kann der Neurochirurg nicht beurteilen: "Es hängt auch von der Geschwindigkeit beim Aufprall ab. Selbst mit einem Vollvisierhelm hätte es durch die Kräfte Gehirnverletzungen geben können."
Für die Zukunft würde sich Acciari ein Umdenken der Politik, der Radindustrie und des Profiradsports wünschen, damit die Sicherheit der Radfahrer steigt. "Generell würde ich sagen, dass es eine Helmpflicht für alle Altersgruppen geben sollte."
"Dann würde ich auf bessere Helme und besser ausgebaute Radwege hoffen. Aus sportlicher Sicht würde ich Protektoren für den Rücken, die Schultern, Ellbogen und Knie vorschlagen. In bestimmten Situationen sollte es auch Geschwindigkeitsbegrenzungen geben. Zum Beispiel erreichen Rennradfahrer bei Bergabfahrten ähnliche Geschwindigkeiten wie ein Motorradfahrer."
Mit Bildmaterial von BMW AG.
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