ABS und Traktionskontrolle: Berger gibt nach
Warum die DTM den Herstellern nach dem Verzicht auf stehende Starts auch bei den Fahrhilfen entgegenkommt und dadurch der BMW M6 GT3 aufgewertet wird
Nach dem Verzicht auf stehende Starts geht die DTM-Dachorganisation ITR einen weiteren Schritt auf die Hersteller zu: Für 2021 erlaubt man nun auch ABS und Traktionskontrolle. "In den zahlreichen Gesprächen, die wir in den vergangenen Wochen mit interessierten Herstellern und Teams geführt haben, haben wir uns eine abschließende Meinung gebildet und uns dazu entschieden, ABS und Traktionskontrolle zuzulassen sowie den DTM-Formation-Start einzuführen", bestätigt Frederic Elsner, der das Eventressort der ITR leitet.
Der Hintergrund ist klar: Die GT3-Boliden, die in der kommenden Saison die Class-1-Autos ablösen, sind nicht auf stehende Starts und den Einsatz ohne die Fahrhilfen ausgelegt. Um das dennoch - wie von DTM-Boss Gerhard Berger angedacht - zu ermöglichen, hätten die Hersteller eine Performance-Kupplung entwickeln sowie weitere Anpassungen machen müssen.
Dagegen legten sich die Hersteller allerdings wegen der hohen Kosten quer. Daher wurde das GT-Pro-Reglement, das derzeit zur Begutachtung beim deutschen Dachverband DMSB (Deutscher Motor Sport Bund) liegt, angepasst. "Dadurch werden Aufwand und Kosten reduziert, der hochkarätige Motorsport der DTM bleibt jedoch unverändert erhalten", argumentiert Elsner die Entscheidung, mit der man die Einstiegshürde für die Teams senken möchte.
Zugeständnisse als gute Nachricht für BMW M6 GT3
Davor hatten auch die Teams vor zu hohen Kosten gewarnt. "Es ist nicht damit getan, dass man einfach das ABS abdreht", meinte Teamchef Gottfried Grasser, der an einem DTM-Einstieg interessiert ist, im Gespräch mit 'Motorsport.com'. Stattdessen hätte man ganz andere Bremssysteme konzipieren müssen.
"Ohne ABS brauche ich bei den GT3-Autos andere Bremspumpen und andere Bremszangen. Die Relation des Durchmessers der Bremsscheibe vorne und hinten müsste angepasst werden. Außerdem baue ich so etwas nicht ein - und es funktioniert morgen. Dafür muss ich 15 Tage testen und die verschiedensten Komponenten herausfahren."
Zudem seien Autos, die wie der BMW M6 GT3 viel Gewicht auf der Vorderachse haben, ohne ABS im Nachteil, so der Chef des Grasser-Teams. Das gilt auch für das Fahren ohne Traktionskontrolle. Doch gerade für die Münchner wären Investitionen schwer zu argumentieren, da der M6 noch kommendes Jahr vom neuen M4 GT3 abgelöst wird. "Unser Lamborghini wäre hingegen mit dem Gewicht auf der Hinterachse wahrscheinlich auf der Bremse sehr gut, weil er durch den Heckmotor eine sehr gute Gewichtsverteilung hat", meint Grasser.
DTM will am aktuellen Rennformat festhalten
Da all das selbst mit einer Balance-of-Performance in so kurzer Zeit kaum unter einen Hut zu bringen sei, hatte Grasser damit gerechnet, dass zumindest die ersten Saisonrennen 2021 mit ABS und Traktionskontrolle gefahren werden. Jetzt wurden die Fahrhilfen überhaupt für die gesamte Saison erlaubt. Dennoch betont die ITR, dass man der DTM-DNA treu bleibe.
"Für spektakuläre Action sorgen auch weiterhin die bewährten Elemente der DTM, also zwei Sprintrennen pro Rennwochenende, kein Fahrerwechsel und Boxenstopps auf Bestzeit", spielt Elsner darauf an, dass anders als beim GT-Masters weiterhin keine Mindestzeit für die Boxenstopps vorgegeben wird. Auch das aktuelle DTM-Rennformat soll beibehalten werden: Dazu gehört der Ablauf in Form eines Sprintrennens über 55 Minuten plus eine Runde am Samstag und am Sonntag.
Am Plan, die GT3-Boliden über die eigene Balance-of-Performance auszureizen und auf rund 600 PS zu bringen, scheint man allerdings festzuhalten. Das wäre demnach die einzige Änderung an den Boliden, die - je nach Fahrzeugtyp - auch durchaus ambitioniert ist und durch die höhere Belastung der Boliden über den Verschleiß auch für höhere Kosten sorgen würde. Dafür würde die Herausforderung für die Piloten steigen, auch mit den Rundenzeiten könnte man sich von anderen GT3-Serien abheben.
TV-Deal als wichtigstes Argument im Kampf um Teams
Beim nun DTM-Formation-Start genannt Prozedere handelt es sich übrigens - wie von 'Motorsport.com' berichtet - um den Indianapolis-Start, wie er aktuell in der DTM nach Safety-Car-Phasen zum Einsatz kommt. Dabei rollen die Boliden dichtgestaffelt in Zweierreihen auf die Startampel zu, mit der das Rennen schließlich freigegeben wird.
Abgesehen davon bestätigt die ITR, dass die Rennen 2021 abgesehen von der eigenen OTT-Plattform "DTM Grid" und YouTube weiterhin von Sat.1 übertragen werden. Das ist keine Überraschung, da der TV-Vertrag im November 2019 bis Ende 2021 verlängert wurde.
Es handelt sich dabei allerdings um eines der wichtigsten Argumente bei Bergers Versuch, Teams für sein Fortsetzungsszenario der Traditionsserie nach dem Ausstieg von Audi und BMW zu gewinnen. Die Kosten und die Nenngebühren sind zwar deutlich höher als im GT-Masters, dafür verspricht man auch einen deutlich höheren Werbewert.
Mit Bildmaterial von SRO.
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