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"Call" des Teams trotz Funkverbot? So funktioniert der DTM-Strategiepoker

Durch Reifenabbau und Safety-Car ist die Strategie in der DTM so wichtig wie nie: Wir erklären, wie die Teams ihre Piloten trotz Funkverbots lenken und was verboten ist

Seit dem Jahr 2018 gilt in der DTM das von Gerhard Berger eingeforderte Funkverbot, um die Rolle des Fahrers aufzuwerten. Dennoch ist die Strategie dieses Jahr durch die stark abbauenden Reifen so wichtig wie selten zuvor - und immer wieder sprechen Piloten davon, dass sie von ihrer Mannschaft den "Call" zum Stopp erhalten haben.

Wie funktioniert also der DTM-Strategiepoker wirklich? Und wie kommunizieren die Teams mit ihren Fahrern trotz enormer Einschränkungen beim Boxenfunk? 'Motorsport-Total.com' hat sich bei Rosberg-Audi-Teamchef Arno Zensen, für dessen Rennstall DTM-Leader Rene Rast und Routinier Jamie Green fahren, schlau gemacht.

"Der Fahrer darf ja reden", stellt Zensen klar, dass die Einschränkungen nur für den Renningenieur gelten. "Der Fahrer sagt also während des Rennens alle paar Runden, in welchem Zustand seine Reifen sind, ob sie noch gut sind oder ob sie abbauen. Dann wissen wir, ob wir bald mal stoppen müssen oder ob es noch geht."

Boxentafel statt Funk: Paranoia in der DTM

Die Entscheidung, wann Rast hereingeholt wird, trifft in der Regel der Stratege - und macht den sogenannten "Call". Allerdings nicht über Boxenfunk, denn das ist verboten. "Wenn wir sehen, dass wir jetzt den Stopp machen müssen, dann halten wir das Boxenschild hinaus", erklärt Zensen. "Auf dem steht zum Beispiel Rene Box. Dann fährt er vorbei und sagt Copy. Dann wissen wir, dass er in der kommenden Runde hereinkommt."

Boxentafel

Die Boxentafeln sind in der DTM seit 2018 unverzichtbar

Foto: Audi AG

Dabei gelten genaue Regeln, damit ja keine versteckten Signale an den Fahrer übermittelt werden können. "Wenn auf der Boxentafel in der ersten Reihe 'Jamie' und 'Box' steht, dann darfst du die Buchstaben beim nächsten Mal nicht in die zweite Reihe stecken", erklärt Zensen.

Wackeln und schief halten verboten

"Das ist nicht erlaubt, weil man ja mit der Boxentafel ein Signal geben könnte. Das muss immer gleich bleiben. Man darf auch nicht wackeln oder die Tafel schief halten. Sie muss ganz gerade gehalten werden."

Arno Zensen, Kommandostand

Teamchef Zensen am Kommandostand: Am Funk spricht vor allem der Fahrer

Foto: Audi AG

Damit etwaige Verstöße nachgewiesen werden können, muss die Boxentafel fotografiert werden. "Das Bild wird dann beim DMSB hinterlegt", sagt Zensen.

Wie die Teams ohne Funk spontan die Strategie ändern

Doch wie gelingt es den Teams, rasch auf einen Stopp des Vordermanns zu reagieren und den eigenen Piloten hereinzuholen, wenn die Boxentafel erst vorbereitet werden muss? "Wenn Rene sieht, dass sein Vordermann in die Boxengasse einbiegt, dann gibt er uns das über Funk bekannt", verweist Zensen darauf, dass die Piloten ja alle Freiheiten bei der Kommunikation haben.

"Dann kann es sein, dass wir im selben Moment die Boxentafel herausholen, damit er in der nächsten Runde hereinkommt und der andere keinen Undercut machen kann. Dann fährt er vorbei und sagt: 'Hab ich verstanden, ich komme herein.'" Manchmal sei es aber auch sinnvoll, nicht auf die Konkurrenz zu reagieren und einen Overcut zu riskieren. "Der andere muss seine Reifen anwärmen, also habe ich ihn überholt, wenn ich noch zwei, drei Runden fahre."

Wenn der Fahrer die falsche Entscheidung trifft ...

Es gibt aber auch Situationen, in denen der "Call" vom Fahrer kommt: Wenn ein gestrandetes Fahrzeug auf einen baldigen Safety-Car-Einsatz hindeutet und man so durch einen raschen Stopp viel Zeit sparen kann oder die Strecke nach einem Regenguss abtrocknet und der Pilot spürt, dass er mit Slicks bereits schneller wäre, dann nehmen die Fahrer oft selbst das Heft in die Hand und fordern einen Stopp ein.

Jonathan Aberdein, Boxenstopp

Aberdein forderte in Hockenheim in trotz nasser Piste Slicks an - und bekam sie

Foto: Audi AG

Keine einfache Situation für die Strategen, wie DTM-Neuling WRT-Audi beim Saisonauftakt in Hockenheim erfuhr. "Wenn der Fahrer sagt, er will Slicks, dann können wir darüber am Funk nicht diskutieren, auch wenn wir wissen, dass es die falsche Entscheidung ist", verweist WRT-Audi-Teamchef Vincent Vosse im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' auf Jonathan Aberdeins Funkspruch.

Wann gefunkt werden darf

Dass der Südafrikaner dann ohne Grip durchgereicht wurde, sei aber auch auf die mangelnde Routine seines Teams zurückzuführen gewesen, gibt der Belgier zu: "Mit etwas mehr Erfahrung hätten wir sagen können: Was auch immer er anfordert, wir geben ihm Regenreifen. Das hätten vielleicht die anderen gemacht. Absagen kann man den Stopp ja nicht, wenn er hereinkommen will."

Vosse grinst: "Dieses Boxenfunksystem ist eigentlich ziemlich teuer, wenn man bedenkt, dass man nicht sprechen darf." Doch es gibt Situationen, in denen der Funkverkehr freigegeben ist: Das gilt für die Freien Trainings, für das Qualifying und zu gewissen Zeiten auch im Rennen.

"Im Rennen darf man sprechen, wenn es eine gelbe Flagge oder einen Safety-Car-Einsatz gibt", erklärt BMW-Pilot Philipp Eng gegenüber 'DTM.com'. "Da gilt es aber, die verfügbare Zeit wirklich sinnvoll zu nutzen."

Welche Infos den Piloten wichtig sind

Was er damit genau meint? "Ich möchte beispielsweise immer wissen, wie viele DRS-Einsätze die Fahrer um mich herum noch haben, wie lange sie schon mit ihren Reifen fahren und wie schnell sie unterwegs waren, bevor das Safety-Car auf die Strecke kam."

Safety-Car, Aston Martin

Während der Safety-Car-Phase ist das Funkverbot aufgehoben

Foto: R-Motorsport

Auch nach dem Überfahren der weißen Linie beim Eingang der Boxengasse darf der Renningenieur frei mit dem Fahrer sprechen. "Dann können wir ihm alle Infos geben, die er braucht, also wer schon gestoppt hat, auf wen er am Boxenausgang aufpassen muss", erklärt Rosberg-Audi-Teamchef Zensen.

Neben Informationen, die aus Sicherheitsgründen relevant sind, darf der Renningenieur dem Fahrer fünf Runden vor Schluss mitteilen, dass DRS und Push-to-pass freigegeben sind. Aber selbst über einen bevorstehenden Regenschauer wird er nur mit "Ja" oder "Nein" informiert, wenn er konkret danach fragt.

Safety-Car als Taktikkiller

Daher ist es wichtig, dass viele Dinge schon vor dem Rennen besprochen werden und die Abläufe sitzen. Deswegen verbringen die Fahrer vor jedem Rennwochenende Zeit im Simulator. Und die Strategie wird in ihren Grundzügen bereits vor dem Rennen festgelegt.

"Es ist schon ein Wahnsinn, wenn man den Strategen zuhört. Das ist jedes Mal eine Riesendiskussion", grinst Zensen, denn die Rennen sind dieses Jahr nur schwer zu berechnen.

"Man macht vorher was aus, und nach der ersten Runde schaut wieder alles anders aus. Da muss man sich auch eine gewisse Flexibilität bewahren. Das ist auch eine Frage des Glücks, denn wenn das Safety-Car kommt, bevor einer unserer Fahrer an der Box war, hat man es verbockt. Das ist immer ein bisschen ein Poker."

So flexibel ist BMW bei der Strategie

Doch auch in diesem Poker gibt es Grundsätze, wie BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt erklärt: "Von den Autos, die weit vorne stehen, holst du nur welche früh herein, wenn wirklich etwas Außergewöhnliches passiert." Erst im Bereich von Startplatz zehn biete sich eine "Gamble-Strategie" an.

"Dann schaut man noch, wer sich vom Set-up und bei den Longruns dafür ausgezeichnet hat, das Ganze auch managen zu können. Wer kriegt es hin, mit den Reifen bis ans Ende durchzufahren, wenn er in den ersten drei Runden reinkommt. Das ist auch Fahrer-abhängig und Verkehrs-abhängig uns so weiter. Das sind die Faktoren, die du gegeneinander abwiegst und aus denen wir unser Szenario zusammenstellen. Und dann musst du auch reagieren können."

Mit Bildmaterial von Audi AG.

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