DTM-Auto in privater Werkstatt, HWA-Notlieferung: So wurde AMG gefordert
Welcher Kraftakt am Norisring notwendig war, damit alle Mercedes-AMG-Boliden am Sonntag fahren konnten und wieso man Engels Auto außerhalb der Strecke prüfte
Bis auf Esteban Muths Walkenhorst-BMW und Franck Pereras Grasser-Lamborghini konnten am Sonntag am Norisring nach dem DTM-Crashfestival am Vortag wieder alle Boliden an den Start gehen. Doch nur wenige wissen, welche Dramen sich in der Nacht auf Sonntag in den Boxen abspielten.
Beim Lamborghini-Team Grasser kämpfte man bis spät in der Nacht, um die drei Boliden wieder in Schuss zu bringen. Noch angespannter war die Situation im Mercedes-AMG-Lager: Dort wurde ein Auto in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Streckenareal transportiert, um einen Funktionstest zu absolvieren - zudem musste ein Transportbus mit Teilen anrücken, um den Start aller Boliden zu gewährleisten.
"Wir haben aus Affalterbach noch Teile geholt, weil wir hatten ja fünf beschädigte Autos", bestätigt der DTM-Verantwortliche Thomas Jäger. "Unser Teiletruck ist gut gefüllt, aber viele Autos hatten ähnliche Schäden, also vor allem die großen Bodywork-Teile wie Frontschürzen, Motorhaube, Kotflügel. Und die sind natürlich nur begrenzt vorrätig."
Warum AMG Teile aus Affalterbach benötigte
Durch die "örtliche Nähe" - der HWA-Sitz liegt etwas weniger als 200 Kilometer vom Norisring entfernt - sei das "kein Problem" gewesen. "Und glücklicherweise haben wir dann alle Autos wieder an den Start gekriegt. Das ist ja das Wichtigste."
Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' war die Notlieferung aus Affalterbach aber nicht nur wegen der Unfallschäden notwendig gewesen, sondern vor allem, weil bei Luca Stolz' HRT-Mercedes vor dem Qualifying ein Getriebeschaden aufgetreten war. Der Bolide, unter dem eine große Öllache zu sehen war, nahm nicht am Qualifying teil, wurde aber für das Rennen zugelassen.
Wie es zur Motoren- und Getriebenot kam
Da Mercedes-AMG kein zusätzliches Getriebe vorrätig hatte, bat das HRT-Team die Markenkollegen von Winward um Hilfe. Und hatte Glück - man erhielt für das Rennen ein Ersatzteil. Die Freude währte aber nur kurz, denn nach dem Crashfestival benötigte auch die texanisch-deutsche Mannschaft für den Boliden von David Schumacher in neues Getriebe, weil ihm Rosberg-Audi-Pilot Dev Gore bei der Start-Kettenreaktion ins Heck gekracht war.
Die HRT-Truppe musste also das geliehene Teil zurückgeben - und stand wieder ohne Getriebe da. Dazu kam, dass es bei Stolz' Boliden nach dem Rennen auch noch den Verdacht auf Motorschaden gab. Da auch kein zusätzlicher Motor vorrätig war, musste Mercedes-AMG handeln - und forderte Hilfe aus Affalterbach an.
Der Transportbus mit Motor und Getriebe traf erst in den Abendstunden am Norisring ein, weshalb die Truppe erst gegen zwei Uhr nachts mit dem Einbau fertig war.
Reparatur von Engels AMG: Kein Schlaf bei GruppeM-Team
Zu dieser Zeit herrschte ein paar Boxen weiter gegen die Fahrtrichtung noch absoluter Hochbetrieb: Ursache war Maro Engels heftiger Crash auf der Geraden nach dem Schöller-S, nachdem ihn Grasser-Lamborghini-Pilot Mirko Bortolotti von der Strecke geschoben hatte.
Laut Jäger war am Mercedes-AMG GT3 im BWT-Design "ringsum alles kaputt". Neben den zahlreichen Beschädigungen bereitete vor allem der Frontmotor des Boliden Sorgen, denn Engel war frontal in die Leitplanken eingeschlagen. "Man wusste nicht: Ist da vorne irgendwas kaputt?", bestätigt Jäger.
Daher wollte man einen Funktionstest durchführen. Doch das Team hatte bereits am Freitagabend gegen die Lärmvorschriften verstoßen, als man um 22:07 Uhr beim Boliden von Mikael Grenier nach einer Getriebereparatur unerlaubterweise den Motor gestartet hatte - und neben einer Verwarnung eine Strafe in Höhe von 10.000 Euro an die DTM-Dachorganisation ITR zahlen musste.
GruppeM macht Motorentest in Nürnberger Industriegebiet
"Wir waren um sechs Uhr fertig, aber es gibt ja hier diese Motorenruhe", bestätigt Engel im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Und wir wollten abchecken, ob der Motor noch startet. Das mussten wir dann eben außerhalb des Geländes machen. Da wurde dann gecheckt, ob der Motor in Ordnung ist oder getauscht werden muss."
Die DTM-Familie, in der in der Regel jeder auf den eigenen Vorteil schaut, rückte in dieser Situation zusammen. "Wir haben von Teammitgliedern anderer Teams Hilfe bekommen", sagt Engel. "Winward war mit dabei - und der Tipp für die Garage, die wir genutzt haben, kam von einem Grasser-Mechaniker, der hier ansässig ist."
Warum bei Engels AMG die Spaltmaße nicht genau passten
Und so wurde Engels Bolide mit einem Transportfahrtzeug des Winward-Teams in eine nahegelegene Halle in einem Industriegebiet gebracht. Mit dabei waren sieben GruppeM-Mitarbeiter, darunter Ingenieure, Lkw-Fahrer und auch Teambesitzer Kenny Chen, der seine Mannschaft unterstützte.
Dort gelang es, den Motor in der Werkstatt warmlaufen zu lassen - und man stellte keinerlei Probleme fest. Wäre das Triebwerk beschädigt gewesen - und man hätte es erst um 8:30 Uhr morgens in der Box herausgefunden -, dann wäre es unmöglich gewesen, den Boliden bis zum Qualifying fahrbereit zu kriegen, zumal Engels Gruppe B bereits um 9:50 Uhr an der Reihe war.
Spuren des Vortages: Bei der Motorhaube passten die Spaltmaße nicht mehr optimal
Foto: Sven Haidinger
"Das Team hat einen Megajob gemacht", lobt Engel seine Truppe. Trotz des heldenhaften Einsatzes und der langwierigen Reparatur war der Mercedes-AMG mit der Startnummer 88 am Sonntag noch leicht vom Vortag gezeichnet.
Das darf nicht verwundern, meint Jäger. "Bei Maros Auto waren auch die Aluträger, die den Kotflügel halten, und die Scheinwerfer weggebogen. Das hat man provisorisch wieder gerichtet. Dass dann die Spaltmaße nicht mehr auf den Millimeter genau passen, ist einfach so", erklärt der AMG-DTM-Chef. "Im Nachgang werden jetzt Ersatzteile angeschweißt - und dann passt auch wieder alles."
Mit Bildmaterial von DTM.
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