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Kolumne

Kolumne: Audi hat die DTM nicht getötet

Warum es nicht fair ist, Audi die Schuld an der DTM-Katastrophe zu geben, und wieso Gerhard Berger nun einen hoffnungslosen Kampf kämpft

Liebe Leserinnen und Leser,

anstatt am Montag voller Euphorie über den DTM-Saisonstart in Zolder zu berichten, musste ich den Nachruf schreiben, vor dem ich mich seit Monaten fürchte: Nach Mercedes Mitte 2017 hat nun auch Audi seinen Ausstieg aus der Traditionsserie erklärt. Dadurch ist nur noch BMW übrig. Der Unmut der Fans über die Ingolstädter in den sozialen Netzwerken kennt keine Grenzen: "Audi hat die DTM zerstört!", lautet der Tenor.

Dabei war nicht der Audi-Ausstieg, sondern der Rückzug von Mercedes vor drei Jahren das fatale Signal, das der DTM das Rückgrat brach. Wenn selbst ein deutscher Premiumhersteller die Bühne, die er sich selbst zusammengezimmert hat, freiwillig aufgibt, wie soll man dann einen internationalen Hersteller überzeugen?

ITR mit Class 1 auf verlorenem Posten

Satte 80 Millionen Euro hat Audi 2019 im Jahr der Turbo-Einführung für die DTM ausgegeben. Für Verbrennungsmotoren, die zwar effizient, aber nicht einmal mit einem Hybridsystem ausgestattet sind. Wie kann Audi-Sportchef Dieter Gass das seinem Vorstand verkaufen, wenn Volkswagen die Elektrifizierung als Konzernstrategie festgelegt hat?

Spätestens als IMSA und WEC mit dem neuen Sportwagen-Konzept um die Ecke kamen, war die DTM-Dachorganisation ITR mit Class 1 auf verlorenem Posten. Das LMDh-Reglement sieht vor, dass man für rund 20 Millionen Euro pro Jahr (ohne Entwicklungskosten) mit einem Hybrid-Sportwagen mit Einheitschassis in Le Mans um den Gesamtsieg fährt und über die amerikanische IMSA-Serie und die WEC den kompletten Weltmarkt abdeckt.

Selbst inklusive Entwicklung bleibt man damit deutlich unter dem DTM-Jahresbudget. Und mit Class-1-Autos, wie sie in der DTM und in der Super-GT-Serie eingesetzt werden, ist man aus Marketingsicht auf die Märkte Deutschland und Japan beschränkt.

Welche Rolle die Coronavirus-Pandemie spielte

Es war nur noch eine Frage der Zeit, wer zuerst den Stecker zieht - BMW oder Audi. Bei beiden läuft der Vertrag mit Jahresende aus, die Coronakrise setzt beiden zu. So ein Zeitpunkt ist optimal, da man Verträge - auch mit Sponsoren - nicht kündigen muss, auch die 2022 geplante Hybrid-Einführung muss in der Entwicklungsabteilung nicht umgesetzt werden.

Der einzige Unterschied zu BMW: Die Ingolstädter wären - auch wenn man in der Pressemitteilung auf die wirtschaftlichen Herausforderungen durch die Pandemie verweist - selbst ohne Corona ausgestiegen. Unter diesem Vorwand lässt sich das aber viel besser argumentieren. Zudem geht die Negativschlagzeile in den Mainstream-Medien derzeit unter.

Dass Corona in Wahrheit nur der allerletzte Tropfen in einem schon davor bis zum Rand vollen Fass war, ist keine Vermutung, sondern Tatsache. Bereits im vergangenen Herbst wurden wir darüber informiert, dass der Audi-Ausstieg aus der DTM so gut wie fix ist. Sportchefs, Teamchefs, Fahrer und Pressesprecher sind in der Regel die Letzten, die von so einem Vorgang - üblicherweise eine Sache der Vorstandsebene - erfahren.

Auch BMW wird aussteigen

Wie es jetzt weitergehen soll? So aufregend die DTM-Autos auch sein mögen, aber Class 1 ist gescheitert. Selbst wenn irgendwer das Wunder schaffen sollte, einen privaten Audi-Einsatz umzusetzen, könnte sich BMW als Werk nur blamieren: Siege sind dann Pflicht. Und man würde dafür auch noch Millionen verbrennen.

Das deckt sich auch mit dem, was wir aus München hören: Der Ausstieg aus der DTM könnte bei BMW möglicherweise schon feststehen.

Eine Zukunft nur mit Class-1-Privatteams ist ebenfalls unrealistisch, da der Betrieb der Autos viel zu teuer ist: Das zeigt das Audi-Kundenteam WRT, das für den Einsatz von zwei Autos rund fünf Millionen Euro pro Jahr aufbringen musste.

BMW hatte es bis zur Ankunft von Robert Kubica mit seinen PKN-Orlen-Geldern nicht einmal geschafft, ein einziges Kundenteam aufzustellen. Wie soll das im Jahr nach Corona gleich mehreren Teams gelingen, wenn man schon im Vorjahr trotz des bestehenden Werkseinsatzes und des BMW-Personals vor Ort an der Kostenhürde scheiterte?

Der Traum vom Neuanfang

Das Class-1-Ende wäre für die DTM nun eine Gelegenheit, einen Systemwandel herbeizuführen, sich endlich von den Herstellern zu emanzipieren und zu den Wurzeln zurückzukehren. Das hätte durchaus Charme: Durch Privatteams wäre die Serie stabiler, da ein Ausstieg nicht gleich das halbe Feld mitreißen würde. Und vor allem die leidige Teamorderdebatte würde endlich der Vergangenheit angehören, da nicht mehr sechs Fahrer wie Schachfiguren von ihren Sportchefs positioniert werden könnten.

Als Ersatz für die Class-1-Boliden würden sich die günstigeren GT-Autos anbieten: Wen würde es nicht verzücken, wenn plötzlich Porsche in der DTM für Action sorgt? Zudem könnte man zeigen, dass diese Autos mit nur einem Fahrer und auf Sprintrennen getrimmt an die 600 PS Leistung erreichen - und damit beinahe Class-1-Rundenzeiten erreichen würden. Und auch die Zweikämpfe wären deutlich rustikaler, da die Aerodynamik keine so große Rolle spielt.

Aber auch hier liegt der Teufel im Detail. In der boomenden GT3-Klasse gibt es zwar neben Audi und BMW mit Mercedes, Porsche, Ferrari, Aston Martin, Lamborghini, Bentley, Honda, Nissan und Corvette eine ganze Fülle an Boliden und - auch in Deutschland - zahlreiche Teams. Mit dem GT-Masters setzt aber bereits eine nationale Serie auf GT3-Sprintrennen, wenn auch mit Fahrerwechseln.

Was gegen GT3 und GTE spricht

Eine Fusion? Dafür hätte es sich die ITR mit dem ADAC nicht so verscherzen dürfen. Die Gründung der GT-Trophy mit GT4-Autos, für die Stephane Ratels SRO die Rechte und in Deutschland der ADAC die exklusive Lizenz für eine Rennserie hat, war eine Kriegserklärung, die in einem Rechtsstreit mündete. Die DTM trat gegenüber dem ADAC schon in der Vergangenheit beim gemeinsamen Motorsportfestival 2016 und 2017 sehr selbstbewusst auf, weshalb die ADAC-Verantwortlichen nur noch darauf warten, bis die "DTM-Leiche" vorbeischwimmt und man den Konkurrenzkampf gewonnen hat.

Patric Niederhauser, Kelvin van der Linde

Volles Starterfeld: Warum sollte das GT-Masters mit der DTM fusionieren?

Foto: ADAC Motorsport

Aber auch die Alternative, wie von Legende Altfrid Heger gefordert auf die in Le Mans eingesetzten GTE-Autos zu setzen, hat einen Haken: Porsche und BMW sind die einzigen deutschen Hersteller, die Autos haben. Abgesehen davon gibt es noch Ferrari, Aston Martin und Corvette. Die Boliden sind teurer als GT3-Autos, es gibt viel weniger Teams - und die sind noch dazu eng an die Hersteller gebunden. Würde Ferrari wirklich den DTM-Einstieg der italienischen AF-Corse-Truppe pushen? Gerade nach Corona mehr als fraglich!

Nach der Krise, auf die eine Rezession folgen wird, werden so oder so zahlreiche Teams sterben oder sich statt Experimenten auf das Wesentliche konzentrieren müssen. Auch das erhöht die Überlebenschancen des DTM-Patienten nicht gerade.

Was nun bleibt von der DTM, wie wir sie kennen? Viele tolle Erinnerungen - und eine Serie, die sich gerade in den letzten Jahren durch Gerhard Bergers Ideen wie Funk- und Heizdeckenverbot und die Aero-Abrüstung sportlich noch einmal von ihrer besten Seite zeigte.

Sven Haidinger

Mit Bildmaterial von ITR.

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