Luca Engstler: Wie ihn Gabriele Tarquini geprägt hat
Gabriele Tarquini gehört zu den besten Tourenwagen-Piloten der Welt - das weiß Luca Engstler zu schätzen, der von seinem ehemaligen Teamkollegen viel lernen durfte
Bei der Frage, mit wem sich Luca Engstler auf der Strecke am liebsten duelliert, muss der DTM-Pilot nicht lange überlegen. "Gabriele Tarquini!", schmunzelt der 23-Jährige. "Er war die letzten Jahre mein Mentor, hat mich zu Hyundai geholt, hat mich lange gepusht, bis in der WM, war dann mein Teamkollege."
Ab 2019 gehörte Engstler zum Juniorenkader von Hyundai, fuhr im Jahr 2020 seine erste volle WTCR-Saison. "Ich hatte die Ehre, die letzten Jahre seiner Karriere zusammen mit ihm zu fahren und habe da enorm viel gelernt", sagt der 23-Jährige, dessen Vater Franz Engstler schon in seiner Karriere gegen den Italiener fahren durfte.
Am Ende der Saison 2021 ging Tarquini mit fast 60 Jahren in Rente - ausgerechnet an jenem Tag, als sich Engstler den Juniorentitel in der WTCR schnappte. "Es war ein emotionaler Tag, an dem außerdem Gabriele Tarquini in den Ruhestand ging; er hat mir immer sehr geholfen", sagte Engstler schon damals.
Franz Engstler: "Ein Vorbild für junge Fahrer"
Auch Lucas Vater Franz Engstler kennt Tarquini aus seiner eigenen Zeit als Rennfahrer. "Er ist menschlich ein sehr netter Kerl", sagt Engstler im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Er ist kein Politiker, der dich im Dunkeln tappen lässt. Er ist sehr geradeaus." Hinzu kommt die disziplinierte Vorbereitung: "Selbst als er schon 60 war, war er immer einer der ersten an der Strecke."
Gabriele Tarquini ging erst mit 59 Jahren in "Rennfahrer-Rente"
Foto: Motorsport Images
"Er war immer zugänglich, ist ordentlich mit Sponsoren und Kunden umgegangen", so Engstler. "Er hat erkannt, was es heißt, Profisport zu machen. Daher kann er auch für junge Fahrer ein Vorbild sein." So war es auch bei Luca Engstler, der schon zu Beginn seiner Tourenwagenkarriere vom Altmeister lernen konnte.
"In dieser Zeit hatte er zu Gabriele ein gutes Verhältnis", verrät Vater Engstler. "Er hat ihm bei vielen Dingen weitergeholfen - nicht nur an der Strecke, sondern auch bei der Vorbereitung." Der 23-Jährige durfte lernen, dass es nicht nur darum geht, eine schnelle Runde zu fahren, sondern auch, was im Umfeld noch alles zu erledigen ist. "Da war Gabriele schon ein Mentor für Luca."
Tarquini mit einzigartiger Karriere
Dass Tarquini auf eine einzigartige Karriere zurückblicken kann, ist unbestritten. Zwischen 1987 und 1995 startete der Italiener bei 38 Formel-1-Rennen. Beim Mexiko-GP 1989 raste Tarquini im AGS-Ford auf den sechsten Platz - sein bestes Ergebnis in der Königsklasse. Dass er bei 40 Rennen nicht die Qualifikation schaffte und in dieser Statistik damit trauriger Spitzenreiter ist, kann man ihm nicht übel nehmen.
Denn Tarquini startete nie für die großen Hersteller, sondern eher für die kleinen, unbekannten Teams, darunter auch das bekannte Tyrrell-Team. Beim Großen Preis von Europa 1995 fuhr der Italiener sein letztes Formel-1-Rennen, doch seine Leidenschaft für den Tourenwagensport hatte er schon vorher entdeckt. Im Jahr 1994 gewann Tarquini mit Alfa Romeo die britische Tourenwagen-Meisterschaft.
Tarquini reiste zu 78 F1-Rennen und scheiterte 40 Mal an der Qualifikation
Foto: Motorsport Images
Im Jahr 2003 siegte Tarquini in der Europameisterschaft, doch der WM-Titel in der Saison 2009 (mit Seat) war bis dato sein größter Erfolg. Und obwohl der Italiener mittlerweile 47 Jahre alt war, dachte er noch längst nicht ans Aufhören. Stattdessen sammelte er Rekorde, die für lange Zeit unerreichbar sein werden: Im Jahr 2018 krönte sich der Italiener im Alter von 56 Jahren noch einmal zum WTCR-Champion.
Tarquini als Engstlers Lehrmeister
Seinen letzten Rennsieg feierte Tarquini in der Saison 2021 in Barcelona - mit 59 Jahren. Doch irgendwann musste selbst der schnelle Italiener einsehen, dass das Alter seine Wirkung zeigt. "Ich würde sagen, er hat in den letzten Jahren gelernt, dass er vielleicht auf eine Runde nicht mehr der schnellste ist", sagt Teamkollege Engstler gegenüber 'ran.de'.
Doch der Altmeister wusste, wie er seinen Nachteil wettmachen kann. "Er hat sich halt so positioniert im Winter, in der Vorbereitung, aber auch unter der Saison", weiß Engstler. "Er hat einfach gewusst hat, wo er schwach ist und wo er stark ist. Und hat seine Stärken ausgespielt und hat mir da oft noch richtig eine mitgegeben." Das hat den jungen DTM-Piloten nicht nur beeindruckt, sondern auch für die weitere Karriere geprägt.
Mit Bildmaterial von Alexander Trienitz.
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