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Rollentausch: Timo Glock sieht durch TV-Job "die Welt mit anderen Augen"

Was Timo Glock und Timo Scheider in ihrer neuen Rolle als TV-Experten gelernt haben und warum sie dadurch mehr Respekt vor der Arbeit der Journalisten haben

Andrea Kaiser, Sat 1 TV, Timo Glock, BMW Team RMG, Timo Scheider

Foto: BMW AG

Wenn Timo Glock in diesem Jahr an eine Rennstrecke reiste, dann tat er dies nicht immer, um Rennen zu fahren. Denn der 36-jährige Deutsche war für den Fernsehsender RTL als Experte bei gut der Hälfte der Formel 1 Grand Prix vor Ort und analysierte an der Seite von RTL-Sportmoderator Florian König die Rennen von Lewis Hamilton, Sebastian Vettel und Co. vor laufender Kamera. Bei den DTM-Events griff er dann wieder selbst ans Steuer seines BMWs und musste den Journalisten Rede und Antwort stehen.

Vertauschte Rollen - die Glock einen Einblick ​"in die andere Seite​" verschafften und ihm die Augen öffnete, wie er selbst offenbarte. ​"Es ist ein völliger anderer Job. Nach ein bis zwei Rennen realisierst du, wie wenig Informationen den Journalisten und Kamerateams im Formel-1-Paddock wirklich zur Verfügung stehen und wie viel Kaffeesatz-Leserei es am Ende ist. Das ist krass! ​", erklärt Glock im Gespräch mit 'Motorsport.com'.

Die Arbeit als TV-Experte hätte ihn dazu veranlasst, die Welt des Motorsports mit anderen Augen zu sehen. Denn er hat erkannt, wie schwierig es für Vertreter der Presse ist, Informationen und verwertbare Aussagen von Fahrern oder Teamverantwortlichen zu bekommen, und nicht standardmäßige PR-Floskeln, die von den Teams und Herstellern vorformuliert wurden - Stichwort Sprachregelung.

"Dass es so extrem ist, war mir nie so bewusst"

​"Ich war echt erschrocken darüber und habe gedacht: 'Wie sollen die denn irgendwie einen Plan haben, was da wirklich abgeht?'. Du bekommst einfach keine Infos. Du kriegst zweimal im Jahr den Hamilton im 1:1-Interview. Wenn du ihn etwas Technisches fragst, dann darf er keine Antwort darauf geben​", sagt Glock und ergänzt: ​"Ich wusste, dass es so ist. Aber dass es so extrem ist war mir nie so bewusst."

​"Wenn du hinter dem Mikro bist und gewisse Dinge beurteilen musst, weißt du eigentlich, dass es mehr ein Raten ist, wieso, weshalb, warum der Mercedes langsamer war als der Ferrari: 'Könnte es am Motor liegen? Oder an etwas Anderem?' Da war ich echt erstaunt darüber, dass man so wenige Infos hat. Das ist die Herausforderung, mit den wenigen Infos dem Zuschauer die Situation zu erklären."

In der DTM sitzt Timo Glock selbst am Steuer

In der DTM sitzt Timo Glock selbst am Steuer

Foto: James Gasperotti / LAT Images

Aus der Erfahrung, die er in seiner Rolle bei den Formel-1-Rennen macht, möchte er lernen und in seinem Hauptberuf als Rennfahrer so umsetzen, um die Journalisten mit umfassenden Informationen zu versorgen - soweit es ihm eben möglich ist.

Fünf Jahre lang gehörte Glock selbst der Riege der Formel-1-Stars an. Er kennt viele der aktiven Fahrer in der Königsklasse aus seiner Zeit bei Toyota persönlich und abseits der Fernsehkameras. Damals war er einer von ihnen. Wenn er heute das Fahrerlager betritt, dann im Rahmen einer journalistischen Tätigkeit. Dass er durch seine neue Aufgabe von seinen früheren Fahrerkollegen anders wahrgenommen wird, hat er selbst erlebt. ​"Alle sind ein bisschen zugeknöpfter​", sagt Glock.

 

Er hat beide Seiten der Formel-1-Medaille kennengelernt - und das hat auch einen Vorteil. ​"Das Gute in der Situation ist, dass ich weiß, wie die andere Seite ist und was man erzählen darf. Auch, wie schnell man mit einer Fehlinformation das ganze System in Unruhe bringt. Somit weiß ich, dass sie nichts sagen dürfen oder können​", sagt Glock und erklärt, dass er seine ​"Situation nicht ausnutzen​" möchte.

​"Es wäre doof, wenn ich sagen würde: 'Seb, erzähl mal, wieso geht der Ferrari nicht' und er erzählt mir irgendwelche Interna und dann stehe ich vor dem Mikro und sage: 'Übrigens, der Ferrari hat das und das Problem.' Dann sagt Seb auch: 'Alles klar Glock, dir erzähle ich nichts mehr!'. Das mache ich auf keinen Fall​", versichert er und verrät, wie er ​"auf legale Weise​" an seine Informationen kommt: ​"Ich versuche, mir gewisse Informationen zu holen, was Rennstrategie, Reifen und so weiter angeht. Nicht nur von Fahrern, sondern auch von Ingenieuren, die ich aus meiner Formel-1-Zeit noch kenne. Das hilft natürlich dann."

Zweites Standbein: TV-Experte

Glock geht in seiner Rolle als TV-Experte voll auf und kann sich auch vorstellen, in Zukunft - beziehungsweise nach seiner Zeit als aktiver Rennfahrer - weiter zu machen. ​"Ja klar, das macht mir auf jeden Fall viel Spaß! Und ich sehe darin auch eine Zukunft​", meint der zweifache Familienvater. ​"Ich sehe auf jeden Fall ein zweites Standbein darin und mir macht es viel Spaß."

Schon im Vorjahr stand er hin und wieder für den Kölner Privatsender am Mikrofon. 2018 teilte sich der Hesse die Expertenrolle mit Nico Rosberg und wechselte sich mit dem Formel-1-Weltmeister mit den Grand-Prix-Besuchen ab. Beide machten vor der Kamera eine gute Figur.

Glock tauchte sogar weiter in die Arbeit eines Journalisten ab und stellte selbst Fragen an die Piloten. Heraus kam dabei ein Interview mit Sebastian Vettel bei ihrem Heimspiel am Hockenheimring - auf hessisch! Beide hatten sichtlich viel Spaß dabei und hatten offensichtlich vergessen, dass eine Kamera ihren Plausch aufzeichnet.

 

Glock und Vettel kennen sich schon viele Jahre und verstehen sich gut, wie im Interview zu sehen ist. Die beiden sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt aufgewachsen: Glock in Wersau im Odenwald, Vettel in Heppenheim.

Vor seinem ersten Interview mit dem Ferrari-Star war Glock nervös. Seinen Kumpel ​"Seb​" zu interviewen, war für ihn neu und ungewohnt. "In Barcelona hatte ich ein 1:1-Interview mit ihm, das ich alleine führen musste. Das ist schon schwierig, weil es immer so hektisch ist und er in der letzten Sekunde zur Fahrerparade kommt. Du musst dann irgendwie schnell, schnell, schnell... und du weißt auch nicht, wie er darauf eingeht​", erklärt er.

​"Dann stellst du ihm eine Frage, die er mit zwei Worten beantwortet und dann musst du schon wieder die nächste parat haben. Es ist schon eine Herausforderung und nicht so einfach​", beschreibt er die Tücken, die der Job der Medienvertreter mit sich bringen kann. ​"Aber es macht Spaß. Mir macht es auch Spaß, die Rennen zu analysieren, was Zweikämpfe und Fehler von Fahrern angeht. Es ist auch nicht einfach, das in der Kürze der Zeit zu sehen und mit dem Finger drauf zu zeigen und sagen: 'Der war dran schuld!'."

"Ich finde, dass es zu restriktiv ist"

Wenn die Piloten mit unangenehmen Fragen konfrontiert werden, hat Glock bei ihnen unterschiedliche Verhaltensweisen beobachtet. ​"Der eine geht damit vielleicht etwas entspannter damit um und der andere etwas verkrampfter. Und das merkt man, wenn unangenehme Fragen kommen, da gibt es welche, die vielleicht nicht so schlagfertig sind und ein bisschen viel herumeiern."

Was Glock noch zum Denken gegeben hat: Wie schwierig es sein kann, Interviewtermine mit den Piloten zu bekommen. ​"In der Formel 1 haben alle ihren festen Slot. Außerhalb dieser Slots kriegst du keine Interviews. Wenn Lewis Hamilton mal zur Toilette läuft, kannst du nicht einfach hingehen, reingrätschen und eine Frage stellen, weil dann steht irgendeine PR-Person neben dir und sagt nein​", schildert er die Tücken der Königsklasse.

​"Es ist schade, dass du die Jungs gar nicht live zwischendurch mal packen kannst auf dem kurzen Dienstweg. Das ist hier (in der DTM; Anm. d. Red.) etwas einfacher, aber auch schwierig. Denn die Journalisten müssen auch anfragen für ein Interview. Ich finde, dass es zu restriktiv ist. Was soll ich anderes erzählen, wenn du mich draußen um die Ecke triffst und mir drei Fragen stellst, wie wenn du sie jetzt hier stellst​", stellt er in den Raum. ​"Ich finde es ein bisschen zu extrem und in der Formel 1 noch viel extremer."

Glock kommentierte zusammen mit Heiko Waßer und Christian Danner einige Freie Trainings am Freitag und merkte, wie schwierig es ist, zwei Stunden am Stück zu reden. ​"Du musst live auf das Bild eingehen, und das ist echt nicht ohne! Da ziehe ich den Hut vor Heiko Waßer und Christian Danner, die da oben sitzen und kommentieren."

 

​"In einem Rennen, wo es vielleicht einen Startunfall gibt, dann musst du innerhalb der nächsten zwei Minuten erklären, was los ist. Du hast aber nicht immer die perfekten Kamerabilder direkt parat, das ist nicht so einfach. Da ziehe ich echt den Hut davor​", so der Deutsche.

Neben Glock tummelten sich in diesem Jahr noch andere DTM-Fahrer, die sich als TV-Experten im Fernsehen etwas dazu verdienten: Paul di Resta stand für den englischen Pay-TV-Sender Sky Sports vor der Kamera, Loic Duval war für Canal+ und Lucas Auer für den ORF tätig.

 

Eine Kombination als TV-Experte und Kommentator hatte der ehemalige DTM-Fahrer Timo Scheider in der abgelaufenen DTM-Saison inne. Der zweimalige DTM-Champion arbeitete für den neuen DTM-Fernsehpartner Sat.1 und kommentierte zusammen mit Edgar Mielke die Rennen der deutschen Tourenwagenserie. Scheider hat wie sein Namensvetter Glock eine ähnliche Erfahrung gemacht, als er ​"auf der anderen Seite des Mikrofons​" stand und zeigte anschließend mehr Verständnis für die Rolle der Journalisten.

​"Es ist schon so, dass gerade Timo und ich aus der Fahrerperspektive wissen, wie es ist. Wenn du eine Antwort bekommst, die gar keine Antwort ist oder halt zweideutig ist, dann weißt du schon ungefähr, was eigentlich damit gemeint ist. Das sind Dinge, die ich aus journalistischer Sicht mehr verstehe​", erklärt Scheider. ​"Wenn du genau diese eine Antwort haben möchtest, die das ganze Thema noch spannender werden lassen würde. Du bohrst auch mal nach. Das sind Situationen, in denen ich auf der anderen Seite stehe und versuche, auch die unangenehmen Dinge darzustellen und zu fragen."

Der 40-Jährige hat Gefallen an seiner neuen Rolle gefunden. ​"Das macht aber auch Spaß. Auch wenn ich oft genug auf der anderen Seite des Mikros stand und dachte: 'Was sollen diese scheiß Fragen? Du weißt, dass ich sie eh nicht beantworten kann!'. Aber wenn für den Journalisten etwas dabei rauskommt, dann ist es umso schöner."

Timo Scheider als TV-Experte bei der DTM

Genau wie Glock kann er sich in die Rennfahrer, die er interviewt, hineinversetzen und weiß, wie sie sich fühlen, wenn es für sie mal nicht so gut läuft. Denn auch Scheider war in seiner aktiven DTM-Zeit in der Situation, dass er dem Feld hinterher gefahren ist. ​"Wenn du in der Situation bist als Fahrer, wo gerade nicht viel geht, dann könntest du in den Stuhl beißen."

​"Das sind so Dinge, wo ich weiß, wie man sich als Fahrer fühlt und ich bin froh darüber, nicht in der Situation zu sein. Da bin ich froh, wenn ich morgens ganz entspannt meinen Cappuccino trinken kann und weiß, ich muss nur darüber reden, was da nicht funktioniert. Ich muss mich nicht selber erklären, nicht hundertprozentig mich ausdrücken, weil ich die Marke nicht vertrete​", sagt er.

 

Der TV-Job ist für Scheider eine willkommene Abwechslung, doch mit dem Rennfahren aufhören will er noch nicht. ​"Ich bin nach wie vor Racer und hier und da gereizt, wieder in das Auto zu steigen."

Aufgrund seiner Teilnahme am GT-Masters im BMW und zwei Terminkollisionen mit der DTM wurde Scheider am Nürburgring und in Spielberg durch seinen BMW-Kollegen Martin Tomczyk ersetzt, seines Zeichens ebenfalls Ex-DTM-Pilot und DTM-Champion. Und auch der Bayer hat am Sat.1-Mikrofon einen guten Job gemacht. ​"Bisher stand ich als Fahrer immer vor der Kamera und dem Mikrofon, diesmal hatte ich eine ganz andere Perspektive. Es ist natürlich eine neue Herausforderung", sagt Tomczyk, ​"die auf der einen Seite großen Spaß macht, aber auch eine gewissenhafte Vorbereitung mit sich bringt."

Als aktive Rennfahrer haben Timo Glock, Timo Scheider und Martin Tomczyk mit ihrer eigenen Erfahrung und ihrem fundierten Hintergrundwissen in die Berichterstattung für die Fernsehzuschauer interessant gemacht - und sich dabei als neutrale Experten verhalten. Eine Zukunft beim Fernsehen dürfte ihnen nach ihrem Karriereende als Racer sicher sein, wenn sie diesen Weg einschlagen möchten.

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