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Deutschland
Interview

Stuck: "Bete, dass letztes DTM-Rennen noch bevorsteht"

Legende Hans Joachim Stuck im DTM-Interview: Warum auch er Audis Aus befürchtet, wieso er mit dem ADAC hart ins Gericht geht und welche Chance Corona birgt

Kaum jemand kennt die DTM so gut wie Hans-Joachim Stuck: Der 69-jährige Bayer hätte beinahe das erste DTM-Rennen der Geschichte gewonnen, bescherte Audi vor 30 Jahren den ersten Titel und war bis zu seinem Rücktritt vor zwei Monaten als Präsident des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB) bei allen richtungsweisenden Entscheidungen in der DTM mit dabei.

Zudem ist Stuck als Volkswagen-Repräsentant nicht nur bei Audi bestens vernetzt, sondern auch eine BMW-Legende. Und er lebt nur ein paar Autominuten von DTM-Boss Gerhard Berger entfernt in Ellmau in Tirol. Gründe genug, ihn zum Interview über die Zukunft der DTM zu bitten: Darin offenbart er seinen Plan, wie man die gebeutelte Traditionsserie retten könnte, geht mit dem ADAC hart ins Gericht und erklärt, wie groß er die Gefahr eines Audi-Ausstiegs einschätzt.

Frage: "Strietzel, die DTM befindet sich in einer schwierigen Lage, jetzt kommt auch noch die Coronakrise dazu. Haben wir das letzte DTM-Rennen vielleicht schon gesehen?"

Hans-Joachim Stuck: "Ich hoffe und bete, dass das nicht der Fall ist. Und ich bin auch ziemlich überzeugt davon, dass wir dieses Jahr noch eines sehen werden. Dafür bin ich zu sehr 'Automane', daran will ich gar nicht denken."

"Ende Mai wird man das vielleicht besser einschätzen können. Man darf nicht vergessen: Betriebe, die hunderte Angestellte haben und die es schon seit über 100 Jahren lang gibt, haben das erste Mal überhaupt geschlossen. Das gibt einen Mega-Schaden. Deswegen finde ich es richtig, dass gewisse Personengruppen unterstützt werden, damit die Wirtschaft wieder angekurbelt werden kann. Das brauchen wir."

"Wir müssen da wieder raus, sonst haben wir zwei Kollapse: den gesundheitlichen und den wirtschaftlichen. Und dann wird es echt schwierig."

Frage: "Was muss die DTM machen, um diese Krise zu überleben?"

Stuck: "Das ist sehr komplex. Aston Martin ist weg, und es sind nur noch zwei Hersteller übrig. Und speziell Audi, die sich überlegen, ob sie 2021 noch dabei sind, könnte ein Thema sein."

"Solange ich DMSB-Präsident war - und da habe ich Gerhard Berger fast wöchentlich getroffen - , war mein Ansatz immer: 'Gerhard, wie können wir diese klasse Plattform DTM am Leben erhalten? Sind diese ganz speziellen Autos wirklich der richtige Weg, oder könnte man nicht ab einem gewissen Jahr die Autos wechseln und zum Beispiel GT3-Fahrzeuge einsetzen?' Gerhard hat immer sehr stark negiert: 'Das kommt nicht infrage, ich mag keine BoP!' Aber dann ist etwas unheimlich interessantes passiert ..."

Frage: "Ja?"

Stuck: "Anfang Februar hat sich beim GP Ice Race in Zell am See durch Zufall ein Gespräch zwischen Wolfgang Porsche, Gerhard und mir ergeben. Und da hat Wolfgang dieses Thema auf den Tisch gebracht. Das war das erste Mal, dass Gerhard zum Thema GT3 nicht konsequent nein gesagt hat. Er hat zwar nicht unbedingt etwas Positives gesagt, aber er hat zugehört. Und das fand ich schon mal gut."

"Aber um jetzt noch einmal auf die Zukunft zu kommen: Da haben wir ein Problem. Wir haben eine Saison, die irgendwann anfängt. Man könnte die Zeit nutzen und über eine GTM nachdenken, zumal bei allen Herstellern noch einmal diskutiert wird, wie es jetzt weitergeht und was es kostet."

Frage: "Was wäre der große Vorteil einer GTM gegenüber den Class-1-Autos?"

Stuck: "Dann gäbe es elf oder zwölf mögliche Autos, die man einsetzen könnte. Wenn man sechs oder sieben kriegt, hätte man ein volles Haus. Und was würde dagegen sprechen, wenn man über Stephane Ratel eine gute BoP hinkriegt? Das sind doch die Zeichen der Zeit. Bevor man jetzt krankhaft versucht, einen dritten oder vierten Hersteller zu finden, könnte man das als Anstoß nehmen. Es gibt ja im GT3-Bereich - und das würde selbst mit GTE-Autos funktionieren -, keine Sprintrennen."

Augusto Farfus

Eine DTM mit GT3-Autos? So könnte man laut Stuck für mehr Boliden sorgen

Foto: VLN

Frage: "Sehen Sie keinen Konflikt mit dem GT-Masters? Da nutzt man auch GT3-Autos und die Rennen dauern wie in der DTM rund eine Stunde lang."

Stuck: "Die Formate würden einander nicht wehtun, denn im GT-Masters gibt es zwei Fahrer pro Auto. Man könnte vielleicht sogar Rennen von DTM und GT-Masters zusammenlegen. Wir müssen den Motorsport komprimieren. Darüber habe ich auch schon mit Chase Carey diskutiert: Brauchen wir in der Formel 1 wirklich 25 Rennen?"

"Wenn man in der DTM sechs oder sieben absolute Topveranstaltungen macht, mit GT-Masters, DTM und diesem GT4-Cup, der ausgeschrieben wurde, dann wäre das ein absolut geiles Programm."

Frage: "Glauben Sie nicht, dass das angespannte Verhältnis zwischen ITR und ADAC ein Hindernis ist?"

Stuck: "Das geht nur von einer Seite aus. Gerhard war immer offen für eine Zusammenlegung und für vernünftige Gespräche. Aber dagegen hat sich der ADAC immer gesträubt."

Frage: "Gerhard Berger hatte also Interesse an gemeinsamen Wochenenden?"

Stuck:"Zu 1.000 Prozent! Wir wären so etwas trotz aller Kompromisse eingegangen, aber das fand ich nicht sehr kameradschaftlich vom ADAC. Und es muss wirklich nicht sein, dass das GT-Masters seine Rennen dann auch noch zum gleichen Zeitpunkt austrägt wie die DTM. Das gab es im Vorjahr mehrmals. Wenn wir alle Egos aus München einmal beiseiteschieben, dann muss man sich die Frage stellen: Wollen wir jetzt gemeinsam Motorsport machen oder nicht?"

Frage: "Worin liegt die Schwäche des Class-1-Reglements? Sind die Autos zu teuer?"

Stuck: "Es ist zu speziell. Wenn man heute ein GT3-Auto hat, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, das einzusetzen. Bei einem Class-1-Auto gibt es nur zwei Rennserien, während man mit diesem neuen IMSA-WEC-Reglement die ganze Welt abdeckt."

"Die Idee, nach Japan zu gehen, und auch die gemeinsamen Rennen fand ich super und spektakulär. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein japanischer Hersteller permanent DTM macht oder die DTM permanent in Japan fährt. Ich war ja bei etlichen Gesprächen mit dabei und sehe da keine Zukunftsperspektive. Jetzt erst recht nicht."

Frage: "Wegen der Folgen der Coronakrise?"

Stuck: "Ja, zum einen, aber es kommt noch etwas dazu: Ein Japaner - und am ehesten würde ich da noch Toyota als Kandidat sehen - würde bei null in eine Serie einsteigen, in der die anderen schon seit Jahren Erfahrung haben. Wir haben ja bei Aston Martin gesehen, wie weit die von Siegen entfernt waren. Wie lange hält das ein Hersteller durch? Außerdem müsste man ständig hin und her reisen, wenn man das ordentlich machen will."

Frage: "Das wäre bei einem europäischen Hersteller anders. Dafür müsste man im Gegensatz zu den Japanern erst ein Class-1-Auto entwickeln."

Stuck: "Ich kann mir nicht vorstellen - und Gerhard hat ja mit verschiedenen Herstellern gesprochen -, dass jetzt, wo es auch noch das Corona-Problem gibt, eine Marke wie Alfa Romeo die Kohle in die Hand nimmt und ein Auto für die DTM baut."

Frage: "Der DTM-Vertrag von Audi läuft nur noch bis Ende 2020. Wie ist die Lage dort?"

Stuck: "Audi kann ich durch meine Konzerntätigkeit gut einschätzen. Dort konzentriert man sich jetzt sehr stark auf das Thema E. Und da liegt man mit der Formel E natürlich richtig, gar keine Frage. Das sieht man ja auch bei Mercedes."

Frage: "Droht der DTM-Ausstieg?"

Stuck: "Natürlich erfahre ich, in welche Richtung bei Audi diskutiert wird. Aber wie das Endergebnis aussehen wird, das kann ich nicht sagen. Ich glaube, dass die richtigen Leute am Ruder sind. Jetzt hat Markus Duesmann (seit 1. April neuer Audi-Chef; Anm. d. Red.) angefangen, auch Frau Wortmann (Vorständin für Vertrieb und Marketing; Anm. d. Red.) ist schon länger dabei. Ihnen traue ich eine Menge zu."

Frage: "Wortmann gilt als Elektro-Verfechterin. Wäre es vorstellbar, dass sich Duesmann für die DTM einsetzt?"

Stuck: "Schwer zu beurteilen. Ich kenne ihn aus meiner BMW-Zeit, und auch da musste er schon unbeliebte Entscheidungen fällen, die aber im Endeffekt richtig waren. Das ist das gleiche wie bei unserem Oberchef Dr. Diess (Volkswagen-Chef; Anm. d. Red.), mit dem ich regelmäßig in Kontakt stehe."

"Wenn man heute als Volkswagen sagt, dass man auf E-Mobilität setzt und das dann nicht konsequent macht, dann kommt man nicht weiter. Diess und Duesmann kennen einander ja auch, darum hat er ihn ja geholt. Auch bei Audis Spitze kann man also, wenn man nicht blöd ist, ablesen, was da höchstwahrscheinlich rauskommen wird."

Frage: "Sie sind auch eine BMW-Legende. Sehen Sie dort die Gefahr eines Ausstiegs?"

Stuck: "Nein, im Moment nicht. Ich spreche immer wieder mit Jens Marquardt. Wenn da nicht irgendwas ganz Dramatisches passiert, mache ich mir keine Sorgen."

Frage: "Inwiefern unterscheidet sich die Situation zu Audi?"

Stuck: "Audi ist auf einer Mission, was das Thema Elektro angeht. Das gilt für den gesamten Volkswagen-Konzern. BMW baut währenddessen noch viele normale Autos, obwohl sie ja mit dem i3 als Erster mit der E-Mobilität angefangen haben. Ich könnte mir vorstellen, dass man gesehen hat, dass das nicht so wie erhofft eingeschlagen hat."

"Deshalb glaube ich, dass BMW sowohl das eine als auch das andere beibehält. Um zu zeigen, was man mit dem normalen Verbrennungsmotor leisten kann, braucht man den Sport. Und BMW ist ja durch Andretti in der Formel E und das DTM-Engagement auf beiden Seiten gut aufgestellt."

Frage: "Wäre durch die Coronakrise eine Saison wie in der Formel E, die über den Winter geht, der richtige Weg für die DTM?"

Stuck: "Ich habe darüber schon lange vor Corona mit Gerhard und den Herstellern gesprochen, aber jetzt haben wir eine neue Situation: Wir haben eine DTM, die irgendwann auseinanderfallen könnte, wenn einer der beiden Hersteller aussteigt. Dann war's das. Wenn wir aber dieses Jahr noch drei, vier Rennen fahren können, dann würde ich die Saison wie in der Formel E bis zur Jahresmitte 2021 fortsetzen."

"Dann kann man die DTM noch am Laufen halten, gewinnt aber auch Zeit, um 2021/2022 vielleicht eine Saison mit neuen Autos durchzuführen. Man müsste natürlich schauen, wie die Hersteller dazu stehen. Dann weiß man, ob es sich lohnt, da weiterzuarbeiten."

Frage: "Denkt Berger darüber nach?"

Stuck: "Nach dem letzten Gespräch, das ich mit ihm und Wolfgang Porsche geführt habe, hoffe ich, dass er es tut."

Mit Bildmaterial von Audi AG.

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