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"Sind Solofluchten in der DTM Geschichte?

Wie sich die Aufwertung der Überholhilfen in der DTM auf die Rennstrategie auswirken wird und wieso die Fahrer im Qualifying mit mehr Fehlern rechnen

Im Vorjahr wurde die Überholhilfe Push-to-pass in der DTM eingeführt, diese Saison werden der sogenannte Überholknopf und das DRS (Drag-Reduction-System) deutlich aufgewertet. Doch wie wird sich das auf die Rennen auswirken? DTM-Titelverteidiger Rene Rast fürchtet, dass Solofluchten - wie es sie in der Vergangenheit immer wieder gab - der Geschichte angehören.

"Das Idealszenario für einen Rennfahrer ist natürlich immer, auf Pole zu stehen und vorne weg zu fahren und einen schönen Abstand nach hinten zu haben", erklärt der 33-jährige Audi-Pilot im Gespräch mit 'Motorsport.com'. "Das wird aber glaube ich dieses Jahr durch die Hilfsmittel nicht wirklich passieren, die man jetzt noch mehr hat als im Vorjahr."

Denn während der Leader die Überholhilfen nie nutzen darf, darf das restliche Feld nicht nur Push-to-pass - wie im Vorjahr - unabhängig vom Abstand zum Vordermann einsetzen, sondern von nun an auch DRS. Und das auch noch mit deutlich mehr Wirkung: Der P2P-Knopf steigert die Motorleistung für fünf Sekunden pro Runde nicht mehr um 30, sondern um satte 60 PS auf 640 PS. Und er darf in 24 statt zwölf Runden gedrückt werden.

Rast: "Erwarte viel mehr Action und Überholmanöver"

Und der Heckflügel darf in 50 Prozent aller Runden je dreimal flachgestellt werden - bislang waren es zwölf Runden. "Wenn wir jetzt also hinter einem Kontrahenten herfahren, haben wir auf einmal 60 PS mehr als der Vordermann", sagt Rast. "Und das ist wirklich eine große Menge. Man fühlt wirklich, wie das Auto auf einmal anfängt, mehr zu beschleunigen."

Welchen Auswirkungen er erwartet? "Damit werden wir auch auf Strecken, auf denen wir bislang keine Überholmanöver gesehen haben, Überholmanöver sehen. Und viel mehr Autos, die nebeneinander herfahren und versuchen, ihre Position zu verteidigen. Ich erwarte einfach, dass es auch im Rennen viel mehr Action geben wird, viel mehr Überholmanöver, viel mehr Leute, die Push-to-pass nutzen, um am Vordermann vorbeizukommen."

Verfolgerrolle als Platz an der Sonne?

Das werde "für alle ziemlich cool - bis auf den Führenden, denn der darf es gar nicht benutzen. Das wird ziemlich schwierig." Ob man durch die neue Regelung vielleicht sogar besser beraten ist, bis kurz vor Schluss auf Platz zwei zu liegen, eventuell die Reifen zu schonen und dann am Ende Attacke zu machen?

"Das ist Theorie", antwortet Rast. "Wenn das so einfach wäre, dann würde das wahrscheinlich jeder machen." Die neue Ausgangslage wird sich aber definitiv auf die Strategie auswirken. Das glaubt auch Rasts großer Rivale aus dem eigenen Lager: Nico Müller.

DRS wird von der Überholhilfe zum Taktikwerkzeug

Vor allem die Abschaffung des DRS-Fensters, das erst im Vorjahr von einer Sekunde auf drei Sekunden vergrößert worden war, könnte laut dem Schweizer dafür sorgen, dass das Heckflügelsystem 2020 "zu einem taktischen Tool" werde und nun keine reine Überholhilfe mehr ist.

Die offensichtlichste Änderung für die DTM-Saison 2020: das von Audi entwickelte High-Yaw-Lift-Off-System - kurz HYLO. Es soll dafür sorgen, dass die Boliden bei einem Dreher nicht abheben. Dabei handelt es sich um ein Kohlefaser-Einheitsbauteil, das an den Oberkanten der zwei Heckflügelstützen angebracht wird.
2017 wurde das Boxenstoppfenster in der DTM abgeschafft, jetzt kehrt es zurück: Ab 2020 darf erst ab der fünften Runde gestoppt werden. Damit will man verhindern, dass Piloten schon in der ersten Runde hereinkommen, um im Fall einer Safety-Car-Phase alle Trümpfe in der Hand zu haben. Das hat im Vorjahr zu heftigen Diskussion geführt.
Damit dieses Jahr nicht wieder der Verdacht aufkommt, dass die Ergebnisse intern abgesprochen sind - wie im Vorjahr im Audi-Titelkampf zwischen Rene Rast und Nico Müller, als der Schweizer zurücksteckte -, setzte DTM-Boss Gerhard Berger ein Teamorder-Verbot durch. Wie man das kontrollieren will, ist allerdings fraglich.
DRS wird 2020 aufgewertet: Der Heckflügel darf ab sofort unabhängig vom Abstand zum Vordermann und in 50 Prozent der voraussichtlichen Rennrunden je dreimal nach unten geklappt werden, um das Überholen zu erleichtern. Davon ausgenommen ist der Leader. Auch im Qualifying ist der Einsatz nun erlaubt - und zwar dreimal pro Runde.
Auch Push-to-pass wird diese Saison eine größere Rolle spielen: Der Boost-Knopf darf in 24 statt zwölf Rennrunden je einmal gedrückt werden, was für fünf Sekunden mehr Leistung ermöglicht. Und zwar nicht mehr 30, sondern gleich 60 Zusatz-PS. Der Führende ist ausgenommen. Auch im Qualifying darf das System einmal pro Runde genutzt werden.
Damit Push-to-pass 60 statt 30 PS Zusatzleistung bringt, ohne Zuverlässigkeitsprobleme zu verursachen, wurde die Grunddurchflussrate des Treibstoffs von 95 auf 90 Kilogramm pro Stunde reduziert. Wenn Push-to-pass aktiviert wird, wird der Benzindurchfluss wie 2019 für fünf Sekunden über einen Bypass auf 100 Kilogramm pro Stunde gesteigert.
Das Getriebe darf ab 2020 nicht mehr vorgewärmt werden - ein weiterer Versuch, die Kosten zu senken. Vor allem vor dem Qualifying haben die Hersteller bisher mit teuren externen Heizsystemen versucht, das Getriebeöl in der Box auf die optimale Temperatur zu bringen. Dadurch wurde die Reibung geringer und der Wirkungsgrad höher.
Die Bremssattelkühlung, bei der über eine Pumpe Wasser auf die Bremsscheibe gesprüht wurde, ist ab 2020 verboten. Das liegt daran, dass die Hersteller das eigentlich für die harten Bremspunkte auf dem Norisring vorgesehene Sicherheitssystem zweckentfremdet haben, um den Reifendruck zu beeinflussen.
Hankook darf ab dieser Saison den im Reglement festgelegten Mindest-Reifendruck von 1,2 bar bei Bedarf nachjustieren, was dann durch die Rennleitung kommuniziert wird. Eine Regel, die man vor allem für die schnellen Kurven von Spa eingeführt hat. Um dort Reifenschäden zu verhindern, möchte man flexibel sein.
Der vorgeschriebene Mindest-Reifendruck gilt nicht mehr nur für das Rennen, sondern für alle Sessions. Das  elektronische Reifendruck-Kontrollsystem liefert die Daten von nun an in Echtzeit von allen Boliden an die Rennleitung, wodurch man nur mehr im Verdachtsfall kontrollieren muss.
Im Zuge der Kostenreduktion hat die DTM entschieden, ein einheitliches Teil des hinteren Diffusors - die sogenannte Shoe-Box - aus Natur- statt aus Kohlefaser herzustellen. Die Steifigkeit ist vergleichbar, aber die Entsorgung des Teils, das einen enormen Verschleiß aufweist, ist bei nachwachsenden Rohstoffen umweltfreundlicher.
Die Anzahl der erlaubten Holz-Bodenplatten wird ab 2020 erstmals begrenzt - auf 15 Stück pro Auto. Bislang wurden teilweise pro Auto in einer Saison 60 Skid Pads eingesetzt - was beim gesamten DTM-Feld Kosten von über einer Million Euro verursachte. Um den Verschleiß zu verringern, muss der Bodenabstand nun vergrößert werden.
Die Daten der einheitlichen Motorsteuerung (ECU) sind ab dieser Saison zu 86 Prozent eingefroren. Im Vorjahr hatten die Hersteller diesbezüglich freie Hand, weil es noch zu wenig Erfahrungswerte mit den unberechenbaren Turbomotoren gab.
Nach den Vibrationsproblemen im Vorjahr wird dieses Jahr die TV-Onboardkamera im Heck als Rückfahrkamera genutzt. Zudem kommt ein neues, besseres Display (siehe Kreis) im Cockpit zum Einsatz.
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"Das Drei-Sekunden-Fenster, was es vorher war, war auch schon relativ viel", holt Müller im Gespräch mit 'Motorsport.com' aus. "Da warst du noch öfter im Fenster drin, sagen wir es mal so. Wenn du gar kein Fenster mehr hast, dann kannst du es natürlich auch vor oder nach einem Boxenstopp nutzen und es dir als Tool für taktische Spielchen zugutekommen lassen."

"Im Sinne von: eine Hilfe für einen anderen oder ein Overcut und so weiter. Darüber wird man sich natürlich auch vorab Gedanken machen, wo es am besten eingesetzt wird."

Überholhilfen im Qualifying: Eng rechnet mit Fehlern

Man könnte auch einen frühen Boxenstopp einlegen und dann alleinfahrend beide Überholhilfen nutzen, um sich gegenüber der Konkurrenz einen Vorteil zu verschaffen und so nach den Stopps der Rivalen an die Spitze zu gelangen. Spätestens dann könnte man aber den Vorteil nicht mehr nutzen, da DRS und Push-to-pass für den Leader nicht freigegeben sind. Und durch die älteren Reifen hätte man vor allem gegen Rennende vermutlich Schwierigkeiten, die Konkurrenz abzublocken.

Auch Müller rechnet übrigens damit, dass die Aufwertung von DRS und Push-to-pass für mehr Action sorgen werden. "Wenn du gerade beim Rausbeschleunigen noch diese 60 PS extra aktivierst, kannst du sicher von noch weiter hinten eine Lücke zufahren und einen Angriff starten. Das wird sicher von dem her noch mehr Spannung reinbringen in das Ganze."

Und auch das Qualifying, in dem die Überholhilfen bislang nicht genutzt werden durften, wird nun deutlich anspruchsvoller: DRS darf dreimal pro Runde aktiviert werden, Push-to-pass einmal. "Das bringt zusätzliche Würze ins Qualifying", ist BMW-Pilot Philipp Eng im Gespräch mit 'Motorsport.com' überzeugt. "Jeder wird diesbezüglich ans Limit gehen. Und ich kann mir vorstellen, dass der eine oder andere Fehler mehr passieren wird."

Müller erwartet keine unterschiedlichen Herangehensweisen

Dadurch bekommt die eine perfekte Qualifying-Runde laut dem Österreicher noch mehr Bedeutung. "Bisher bist du aus der Box und dann um dein Leben gefahren. Jetzt musst du um dein Leben fahren - und auch noch DRS und Push-to-pass benutzen. Da muss jeder noch herausfinden, wie er das am besten einsetzt."

Auch wenn es nur um einen Knopf geht, "den du dreimal pro Runde drückst, und einen anderen, den du einmal pro Runde drückst, ist das trotzdem mehr Work-Load", betont er. "Das hört sich vielleicht etwas banal an, aber du hast noch eine zusätzliche Variable in dem großen Ganzen."

Wird es unterschiedliche Herangehensweisen im Qualifying geben? Müller schüttelt den Kopf: "Es läuft meistens darauf hinaus, dass alle das Gleiche machen, weil es eigentlich immer nur eine, maximal zwei sinnvolle Optionen gibt. Ich glaube nicht, dass wir tagelang im Simulator viele Optionen durchgehen. Das kann man vorher alles schon relativ genau berechnen."

Bleibt die Frage, welchem Fahrer die Änderung besonders in die Hände spielt. "Der Fahrer, der die meiste Kapazität im Hirn frei hat, um sich auf andere Dinge zu konzentrieren, wird am meisten profitieren", ist BMW-Pilot Eng überzeugt.

Mit Bildmaterial von Audi.

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