Monza in der Analyse: Warum gab es keine rote Flagge?
Das Rennen in der Analyse
Wir drehen unseren Ticker an dieser Stelle damit auch erst einmal zu. Aber keine Sorge: Schon morgen früh sind wir wieder mit einer neuen Ausgabe für euch am Start, um die weiteren Themen aus Italien angemessen aufzuarbeiten.
Und für euch geht es ja sowieso noch etwas weiter! Schon jetzt - also sogar 30 Minuten früher als zunächst angekündigt - melden sich Kevin Scheuren und Christian Nimmervoll mit ihrer großen Monza-Analyse auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de.
Viel Spaß damit und bis morgen!
De Vries: Habe die ganze Nacht wachgelegen!
"Die zurückliegenden 24 Stunden waren einfach traumhaft", strahlt der Albon-Ersatz nach seinem Debüt und verrät: "Ich hatte eigentlich gar keine Zeit, um darüber nachzudenken, weil alles so schnell ging."
"Ich schlief schlecht vor Anspannung und Nervosität. Ich wollte [am Morgen] gar nicht erst meine Schlafdaten abrufen, weil ich die ganze Nacht wachgelegen hatte. Vielleicht hat mir das geholfen", lacht er.
Was er nach seinem Debüt sonst noch sagt, das erfahrt ihr hier!
Horner: Hätte Leclerc nicht gestoppt ...
Der Ferrari-Pilot kam beim ersten VSC auf P1 liegend an die Box - und gab so die Führung an Verstappen ab. Auf die Frage, ob man selbst gestoppt hätte, wenn es Leclerc nicht getan hätte, antwortet Christian Horner mit einem klaren: "Ja!"
"Wir haben verstanden, warum sie es gemacht haben", so der Red-Bull-Teamchef, der aber nicht glaubt, dass es für den Ausgang des Rennens eine Rolle spielte. "Ich denke, wir hatten heute einfach ein schnelleres Auto", erklärt er.
"Ich glaube daher, wir hätten das Rennen unabhängig davon gewonnen", so der Red-Bull-Teamchef. Vermutlich hat er damit recht. Überprüfen lässt sich das aber natürlich nicht ...
McLaren: Verpasste Chance in der WM
Alpine blieb heute ohne Zähler. Das wäre für McLaren natürlich eine große Chance gewesen, die Lücke in der WM zu schließen. "Wir hätten auf P5 oder P6 ankommen sollen", ärgert sich Norris, der am Ende Siebter wurde.
"Die Pace war heute sehr stark", betont er, und grundsätzlich sei er mit dem Ergebnis auch zufrieden. Trotzdem ist klar, dass für McLaren mehr drin gewesen wäre, denn auch Ricciardo hätte ohne den Ausfall wohl gepunktet.
Durch die sechs Norris-Punkte konnte man den Rückstand auf Alpine lediglich auf 18 Zähler verkürzen. Da wäre deutlich sicher mehr möglich gewesen. Für Alpine war es nach Imola übrigens erst die zweite Nullnummer in diesem Jahr.
Endlich wieder Punkte für Alfa Romeo
Mit P10 heute erlöste Zhou Alfa Romeo nach sechs Rennen in Serie ohne Punkte - und das ausgerechnet beim Heimrennen! "Wir hatten als Team ein positives Wochenende", zeigt sich Teamchef Frederic Vasseur dementsprechend zufrieden.
Der Punkt sei "eine gute Belohnung" dafür gewesen. Zhou selbst erklärt: "Es ist ein großartiges Gefühl, heute wieder in den Punkten zu sein. [...] Wir wussten, dass wir heute eine Chance haben. Unsere Pace war gut."
Weniger gut lief es beim Teamkollegen. Das Rennen von Bottas war bereits nach dem Start gelaufen. "Ich wurde von hinten getroffen und rammte das Auto vor mir", berichtet er. Dabei wurde sein Frontflügel beschädigt.
Zudem fiel er auf den letzten Platz zurück. "Das Auto war auf jeden Fall gut", betont der Finne. Aber vom letzten Platz und mit dem Schaden konnte er sich nicht mehr zurückkämpfen und wurde schließlich 13.
WM-Entscheidung schon in Singapur?
Apropos Verstappen: Der Niederländer hat jetzt 116 Punkte Vorsprung auf Charles Leclerc. Nach dem kommenden Rennen in Singapur könnten es im Bestfall sogar bereits 142 sein.
Und das würde dann zur vorzeitigen WM-Entscheidung reichen! Denn in den fünf Rennen nach Singapur sind maximal noch 138 Zähler zu vergeben. Doch wie wahrscheinlich ist das?
Klar ist, dass Verstappen Rennen auf jeden Fall gewinnen muss. Alles andere wäre für eine vorzeitige Titelentscheidung zu wenig. Gleiches gilt für den Fall, dass Leclerc mindestens Siebter wird.
Auch dann könnte Verstappen nicht vorzeitig Weltmeister werden. Und gleichzeitig hat ja auch Sergio Perez zumindest noch rechnerische WM-Chancen und dürfte in Singapur nicht auf das Podium fahren.
Ihr seht schon: Eine WM-Entscheidung ist beim kommenden Rennen zwar möglich. Verstappen hat sie allerdings nicht selbst in der Hand.
Verstappen sind Buhrufe egal
Der Weltmeister wurde nach dem Ende des Rennens ausgepfiffen. Unklar ist allerdings, ob die Pfiffe ihm persönlich galten oder eher der Tatsache, dass das Rennen hinter dem Safety-Car beendet wurde. Verstappen selbst ist's aber sowieso egal.
"Das passiert", gibt er sich ganz entspannt und erklärt, dass manche Fans eben "sehr leidenschaftliche Fans eines anderen Teams" seien. Letztendlich sei es aber eben sein Job, Rennen zu gewinnen.
"Das wird mir den Tag nicht verderben", sagt er über die Buhrufe und betont: "Ich genieße einfach den Moment." Monza war für Verstappen übrigens bereits der elfte Sieg in der laufenden Saison.
Der Rekord steht bei 13 Saisonsiegen. Macht er so weiter, wird er diese Bestmarke 2022 mindestens einstellen - oder sogar übertreffen.
Hamilton: So macht es mehr Spaß!
Natürlich würde der Rekordchampion lieber wieder um Siege mitkämpfen. Im Hinblick auf seine heutige Aufholjagd verrät er allerdings: "Es macht tausendmal mehr Spaß, [auf der Strecke] mit Leuten zu kämpfen."
"Es macht viel mehr Spaß, diese Kämpfe zu haben, als als Erster zu starten und wegzufahren. Es ist eine andere Herausforderung", berichtet er und betont: "Ich bevorzuge es, mit anderen zu kämpfen."
Das heißt aber wohl nicht, dass er jetzt immer freiwillig von hinten starten wird ...
Apropos de Vries ...
Der Niederländer hat sich heute in diese Fotostrecke eingereiht. Er hat damit Eddie Irvine (Suzuka 1993) aus den Top 20 verdrängt. Das zeigt: So häufig kommt es nicht vor, dass ein Debütant direkt in die Punkte fährt!
Fotostrecke: Die 20 letzten Formel-1-Debütanten in den PunktenFoto: Motorsport Images
1. Nyck de Vries (Williams) Platz neun beim Großen Preis von Italien 2022 in MonzaDruck auf Latifi wächst
Der neunte Platz von de Vries wirft natürlich kein gutes Licht auf den Kanadier, der in der WM damit jetzt auf den 21. Platz abgerutscht ist - hinter de Vries, der nur ein einziges Rennen und das im gleichen Auto absolviert hat.
Teamchef Jost Capito erklärt bei 'Sky': "Es ist natürlich für ihn extrem schwierig, weil einen neuen Fahrer ins Auto zu bekommen als Teamkollegen, der dann schneller ist, das ist extrem großer Druck für ihn."
"War auch heute ein extrem großer Druck für ihn. Aber als Formel-1-Fahrer muss man mit dem Druck umgehen können", fordert er. Zur Erinnerung: Aktuell hat Williams lediglich Alexander Albon für 2023 bestätigt.
Und da hilft es Latifi sicher nicht weiter, dass Capito Williams und de Vries nach dem heutigen Tag als "gute Kombination" bezeichnet ...
Gasly: Fast das Maximum herausgeholt
"Hinter den drei Topteams ins Ziel zu kommen wäre das Beste gewesen, das für uns möglich war", berichtet der Franzose nach P8. Dieses Ergebnis vermasselte ihm lediglich Lando Norris, der heute Siebter wurde.
Gasly ist trotzdem "sehr glücklich, wieder gepunktet zu haben." Denn das war ihm in den vergangenen sieben Rennen nur ein einziges Mal gelungen. Das Rennen sei aber trotzdem "etwas frustrierend" gewesen.
"Ich glaube, ich werde in den nächsten Nächten Albträume von Ricciardos Heckflügel haben", lacht er, nachdem er viele Runden hinter dem McLaren feststeckte. "Unsere Performance war insgesamt konkurrenzfähig", betont er.
"Aber wir hatten heute einfach die Pace, um die McLarens zu überholen", erklärt er. Teamkollege Tsunoda schaffte es vom letzten Startplatz aus nicht in die Punkte, berichtet aber nach P14 von einem "guten" Rennen.
Wichtig waren die Gasly-Punkte übrigens auch im Hinblick auf die WM. Da rückte man im Kampf um P7 nämlich bis auf einen Zähler an Haas heran.
Ricciardo: Das Auto ging einfach aus
Der Australier ärgert sich über ein "dummes, trauriges Ende" seines Rennens - und das nicht zum ersten Mal in diesem Jahr. "[Das Auto] ist einfach ausgegangen", zuckt er die Schultern. Es habe keine Vorwarnung gegeben.
Er habe sogar noch versucht, das Auto an einen Notausgang zu bringen. Der McLaren habe allerdings in einem Gang festgesteckt, und so habe er letztendlich einfach nur noch auf dem Gras ausrollen können.
Es sei "schade", dass das Rennen dann hinter dem Safety-Car geendet habe. "Aber ich konnte nichts machen", versichert er und erklärt rein sportlich, er hätte Gasly wohl hinter sich halten können.
Das hätte dann unter normalen Umständen zu P8 gereicht. Stattdessen gab es die vierte Nullnummer in Serie und bereits die zwölfte in dieser Saison. Es ist einfach nicht sein Jahr ...
Perez: Ein Rennen zum Vergessen
Der zweite Red-Bull-Pilot hatte mit P6 einen deutlich schlechteren Tag. Das ging bereits damit los, dass sein früher Boxenstopp gar nicht geplant war. "In der ersten Runde hat er sich einen Bremsplatten eingefangen", erklärt Helmut Marko bei 'Sky'.
"Dadurch mussten wir, aufgrund starker Vibrationen, so früh wechseln", berichtet er. Und dann war da ja auch noch das Feuer am rechten Vorderrad, das laut Christian Horner von Trümmerteilen in der Bremsbelüftung ausgelöst wurde.
Mit der Leistung des Mexikaners ist man an sich aber zufrieden. "Die Leistung war gut", lobt Marko und erinnert daran, dass er sich "wieder vorgekämpft" und dann ja auch noch die schnellste Runde gefahren habe.
Zumindest also noch ein Extrapunkt für ihn und das Team.
Verstappen baut Rekord aus
In Zandvoort holte der Niederländer zum ersten Mal in seiner Karriere vier Siege in Serie. Nun sind es also bereits fünf. Und damit ist der Weltmeister in eine ziemlich elitäre Liste aufgestiegen.
In der Geschichte der Formel 1 haben es nämlich bislang lediglich drei Fahrer geschafft, mehr als fünf Rennen in Serie zu gewinnen. Mehr dazu in unserer Fotostrecke:
Foto: LAT
Nur neun Fahrer haben es in der Geschichte der Formel 1 geschafft, fünf oder mehr Rennen hintereinander zu gewinnen. Die erste Serie dieser Art eröffnet Ferrari-Pilot Alberto Ascari beim dritten Grand Prix der Saison 1952 in Spa-Francorchamps. Ja, die Eau Rouge gab es damals schon!Wolff: De Vries gehört in die Formel 1
P9 und damit zwei Punkte beim Formel-1-Debüt für den Niederländer. "Wenn ihn jetzt nicht einer von denen aufschnappt, die noch einen freien Sitz haben, dann verstehe ich die Welt nicht mehr", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff bei 'Sky'.
Und Williams-Teamchef Jost Capito berichtet, de Vries habe heute "alles absolut fehlerfrei" gemacht. Zudem lobt er, dass der ehemalige Formel-E-Champion nicht nur "schnell" gewesen sei. Er habe auch die nötige "Rennintelligenz" gezeigt.
"Er musste verteidigen, er musste angreifen, Boxenstopp machen - was alles absolut neu ist", erinnert er und verrät: "Man hat ihm keine Nervosität angemerkt [...]. Er hat das so professionell gemacht, als wenn er nie was anderes gemacht hätte, als Formel 1 fahren."
Mal sehen, ob er dazu im nächsten Jahr häufiger die Chance bekommt ...
Steiner schießt gegen Rennleitung
Und in seinem Fall geht es nicht nur um das Rennende. Er regt sich über die Fünf-Sekunden-Strafe für Magnussen zu Beginn des Rennens auf. "In diesem Rennen haben uns die Offiziellen erledigt", winkt er ab.
"Kevin hatte einen Zwischenfall beim Start, bei dem er rausgeschoben und sein Diffusor beschädigt wurde. Er bekam eine Strafe, weil er nicht auf der Strecke blieb. Aber wenn seine Hinterräder in der Luft sind, ist es schwer, auf der Strecke zu bleiben", spottet er.
Die Strafe sei daher nicht angemessen gewesen. "Ich denke, über das Ende des Rennens muss ich nicht sprechen", ergänzt er. Die Situation sei nicht so gehandhabt worden, "wie es hätte sein sollen", findet Steiner.
Immerhin: Schumacher habe heute "einen fantastischen Job" mit P12 gemacht. Teamkollege Magnussen berichtet derweil, dass der Schaden an seinem Diffusor "zu groß" gewesen und er das ganze Rennen "langsam" gewesen sei.
Verwarnung für de Vries
Da ist die Entscheidung auch schon: Der Debütant darf seine Punkte behalten! In der Begründung der Rennkommissare heißt es, die Situation sei entstanden, weil das Auto de Vries offenbar anzeigte, dass er hinter dem Safety-Car zu schnell sei.
Deswegen sei er vom Gas gegangen. Als mildernder Faktor komme dazu, dass er in FT3 zum ersten Mal im Auto gesessen habe. Die Stewards deuten nämlich an, dass ein Stammpilot eine höhere Strafe bekommen hätte.
Hier die Begründung im Wortlaut:
"The driver advised that after the second lap under the Safety Car he was unsure about why his display was showing that he was at risk of being under the delta time. At the same time, he was dealing with brake issues and was in radio contact with the Team over this issue, so did not get any advice from the Team in relation to his delta."
"He therefore reduced speed in order to remain above the delta time."
"The Stewards took note of the fact that the driver was a 'last minute' replacement for the usual team driver and had driven this car for the first time in FP3 at this event. Therefore, in mitigation the Stewards decide to impose the penalty of a Reprimand instead of a higher penalty."
Apropos Ricciardo ...
Der Australier hat mit seinem heutigen Ausfall eine schwarze Monza-Serie weitergeführt. Denn in den vergangenen drei Jahren ist der Sieger des Rennens aus der Vorsaison immer ausgeschieden!
2020 erwischte es zunächst Charles Leclerc, 2021 Pierre Gasly und heute eben Ricciardo. Da freut sich Max Verstappen sicher bereits auf den Italien-GP 2023 ;-)
"Gemischte Gefühle" bei McLaren
Für McLaren war der Ricciardo-Ausfall gleich doppelt bitter. Das eine Auto verlor man, das andere holte man an die Box und verlor dadurch eine weitere Position, weil es am Ende eben keinen Neustart mehr gab.
"Gemischte Gefühle, ganz klar, weil eben mehr möglich war", resümiert McLaren-Teamchef Andreas Seidl bei 'Sky' und erklärt: "Das Team hat zusammen mit den Fahrern wirklich einen super Job gemacht."
Im Hinblick auf Norris erklärt er: "Wir sind nochmal an die Box gekommen während des Safety-Cars, um neue Reifen aufzuziehen, was uns vielleicht noch eine Chance gegeben hätte, Checo und auch Lewis anzugreifen."
Doch den Neustart gab es dann bekanntlich gar nicht mehr - was Seidl auch okay findet. "Am Ende hat der Renndirektor das Reglement angewendet", betont er und erklärt, die Entscheidung sei "richtig" gewesen.
"Wenn es auch natürlich schade ist für die Fans, auch für uns, dass wir keine Chance mehr bekommen haben", so Seidl, der erklärt: "Passiert manchmal. Ist nicht ideal, aber am Schluss ist die Sicherheit das Wichtigste."
Warum gab es keine rote Flagge?
Inzwischen hat auch die FIA Stellung zum Safety-Car am Ende bezogen. Ein Sprecher lässt ausrichten, dass man das Ricciardo-Auto nicht schneller wegbekommen habe, weil es in einem Gang festgesteckt habe.
Gleichzeitig sie die Situation aber "nicht signifikant genug" für eine rote Flagge gewesen. Und weil die Sicherheit "unsere einzige Priorität" sei, sei das Rennen eben hinter dem Safety-Car beendet worden.
"Das Timing einer Safety-Car-Phase innerhalb eines Rennens hat keinerlei Auswirkung auf diese Prozedur", stellt die FIA klar.
Wolff: Rennleitung hat sich an Regeln gehalten
Die Rennleitung bekommt heute nicht nur Kritik. Toto Wolff betont bei 'Sky': "Dieses Mal haben sie sich an die Regeln gehalten." Zwar hätte man vielleicht etwas schneller sein können, so Wolff.
"Aber sie haben sich an die Regeln gehalten und akzeptiert, dass das Rennen hinter dem Safety-Car beendet wird. So sollte es sein", findet er. Eine klare Anspielung natürlich auf Abu Dhabi 2021.
Denn damals wurde das Rennen in einer ganz ähnlichen Situation ja noch einmal freigegeben, woraufhin Hamilton den sichergeglaubten WM-Titel noch verlor.