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2018: Das Jahr, in dem die Rolle der Frau im Motorsport neu definiert wird

Vom Grid-Girl-Verbot bis zur W-Series: Wie man sich 2018 im Motorsport um ein neues Frauenbild bemühte und warum es wirklich keine Formel-1-Pilotin gibt

Sophia Flörsch, Van Amersfoort Racing

Sophia Flörsch, Van Amersfoort Racing

Fabian Werner

2018 geht als Jahr des Umbruchs für die Rolle der Frau in die Motorsportgeschichte ein. Am Anfang des Jahres werden die Grid-Girls abgeschafft, am Ende des Jahres gibt es zahlreiche Initiativen, um Pilotinnen den Sprung ins Cockpit zu ermöglichen: zum einen den Frauen-Formel-E-Test, der am Sonntag ausgerechnet in Saudi Arabien stattfand, zum anderen die von Ex-Formel-1-Pilot David Coulthard geschaffene W-Series, die ab 2019 dafür sorgen soll, dass es nach 42 Jahren endlich wieder eine Frau in die Formel 1 schafft.

Ein hehres Ziel, sollte man meinen. Dennoch ließ der Aufschrei nicht lange auf sich warten. "Diese Entwicklung macht mich wirklich traurig", schrieb die IndyCar-Pilotin Pippa Mann auf 'Instagram'. "In Europa hat man heute einen entscheidenden Schritt in Richtung der Trennung von Männern und Frauen gemacht. Millionen Dollar werden ausgegeben, aber anstatt Stipendien zu vergeben, um Talente zu fördern, erzwingt man diese Trennung."

 

Die siebenmalige Indy-500-Starterin wisse zwar, dass es für Frauen schwierig sei, im Motorsport zu bestehen, "aber glaubt man wirklich, dass das die Lösung ist?" Manns Statement erhielt regen Zuspruch: Es wurde fast 500 Mal auf 'Twitter' geteilt. Auch von Deutschlands größter Formel-1-Hoffnung, der 18-jährigen Sophia Flörsch, die dieses Jahr beim Formel-3-Klassiker in Macao den Unfall des Jahres wie durch ein Wunder überlebte.

Sophia Flörsch übt scharfe Kritik an W-Series

Warum auch sie ein Problem mit der W-Series hat? "Alle versuchen derzeit, Equality zu schaffen und uns Frauen gleichberechtigt zu behandeln. Ich denke da nur an #Metoo. Und dann kommt sowas!", beschwert sie sich gegenüber 'Auto Bild'. "Das heißt ja eigentlich, dass sie nicht dran glauben, dass wir gegen Männer bestehen können. Deswegen will ich das nicht fahren."

Damit spielt Flörsch auf die ewige Frage an: Haben Frauen wirklich die gleichen Voraussetzungen wie Männer, um in der Formel 1 erfolgreich zu sein? 'Motorsport.com' hat bei einer Ex-Pilotin nachgefragt, die es wissen muss: Susie Wolff war 2014 die bislang letzte Frau, die den Sprung versucht hat. Bei ihrem Einsatz im Freien Training in Hockenheim fehlten ihr nur zwei Zehntel auf die Zeit von Williams-Teamkollege Felipe Massa.

"Wir Frauen haben um 30 Prozent weniger Muskelmasse als die Männer", stellt die Schottin klar. "Das ist eine Herausforderung, mit der wir zu kämpfen haben." Daher seien die Reglementänderungen 2017, die die Formel-1-Boliden um mehrere Sekunden schneller gemacht haben und die Fliehkräfte ansteigen ließen, ein Nachteil: "Das spielt glaube ich schon eine Rolle, weil es dadurch körperlich fordernder wird."

Haben Frauen die gleichen Voraussetzungen wie Männer?

Tatsache ist, dass Rennfahrerinnen mehr trainieren müssen als ihre männlichen Kollegen. Das hindere sie aber nicht daran, in der Formel 1 erfolgreich zu sein, glaubt Arzt Riccardo Ceccarelli, der seit den 1980er-Jahren Formel-1-Piloten testet und unter anderem medizinisch betreut.

"Der männliche Bizeps wird durch Testosteron unterstützt, der weibliche nicht. Daher muss die Frau vielleicht ein bisschen mehr trainieren, um die selbe Kraft zu haben", erklärt der Italiener, der mit Piloten wie Fernando Alonso arbeitet. Selbst bei den Belastungen in der Formel 1 brauche eine Frau "nicht unbedingt 100 Prozent der Muskelkraft, über die ein Mann verfügen kann." Das lasse sich mit zusätzlichem Training ohne weiteres ausgleichen, da es um Ausdauer und nicht um Maximalkraft gehe.

Das spricht also klar gegen eine Trennung von Frauen und Männern im Motorsport. Die ja die W-Series - wenn man Initiator Coulthard glaubt - auch gar nicht plane. "Wir wollen den Fahrerinnen eine Plattform bieten, mit der sie sich das notwendige Können aneignen können, um dann gleichwertig gegen die männlichen Kollegen anzutreten", sagt der Ex-Formel-1-Pilot, der darauf hinweist, dass Pilotinnen meist in der Formel 3 hängen bleiben: "Das liegt oft an mangelnder finanzieller Unterstützung und nicht am Talent."

Susie Wolff: Man muss das Problem an der Wurzel lösen

Tatsächlich hat in der 13-jährigen Geschichte des Formel-1-Sprungbretts GP2 nie eine Frau auch nur ein einziges Rennen bestritten. Selbst einen Test einer Pilotin gab es nur einmal: 2007 durch die Schweizerin Simona de Silvestro. Erst 2019 wird aller Voraussicht nach die 25-jährige Kolumbianerin Tatiana Calderon eine ganze Saison in der inzwischen Formel 2 genannten Serie bestreiten.

Kann die W-Series etwas gegen diese Flaute ausrichten? "Es ist zwar gut, dass eine Möglichkeit geschaffen wurde, ich bin aber nicht sicher, ob es langfristig die beste Lösung ist", zeigt sich Wolff skeptisch. "Wir sind immer noch in einem Stadium, in dem es rein um die Zahlen geht. Die Anzahl der Frauen, die weltweit eine Lizenz haben, ist so klein, dass selbst ein Überschreiten der Zehn-Prozent-Marke schon einen Unterschied machen würde."

Sie glaube nicht, dass es jetzt entscheidend sei, "die derzeit aktiven Frauen zu pushen, denn wenn sie gut genug sind, dann werden sie die Chance bekommen. Langfristig müssen wir einfach dafür sorgen, dass es mehr Talente gibt. Wenn mehr junge Rennfahrerinnen die Karriereleiter nach oben klettern, dann werden es auch welche an die Spitze schaffen. Die weltweiten Zahlen belegen, dass immer noch so wenige Mädchen anfangen. Da muss man ansetzen."

Zahl der Kart-Anfängerinnen geht sogar zurück

'Motorsport.com' ist dieser Theorie auf den Grund gegangen: Tatsächlich waren dieses Jahr in Großbritannien 1.794 Kart-Lizenzbesitzer unter 16 Jahren männlich (92,8 Prozent) und nur 139 weiblich (7,2 Prozent). In Deutschland sind die Zahlen nicht viel besser: Weniger als fünf Prozent des Feldes in der deutschen Kart-Meisterschaft sind weiblich.

"Und die Anzahl der Mädchen, die anfangen, geht sogar zurück, anstatt größer zu werden!", warnt Wolff, die mit ihrer Stiftung "Dare to be different" versucht, Frauen für den Motorsport zu begeistern und sie zu fördern.

Doch warum ist die Hemmschwelle für junge Mädchen so groß, mit dem Motorsport zu beginnen? "Heute kostet eine normale Kart-Saison schon fast 100.000 Euro", weiß Ines Koschutnig, die als Geschäftsführerin des langjährigen GP2-Teams Racing Engineering agiert und daher viel Erfahrung im Nachwuchsbereich hat.

Karriere im Motorsport: Darum ist Hemmschwelle für Mädchen so groß

"Wenn man dann auch noch beim besten Team fahren will und zusätzliche Reifen zum Testen braucht, ist das ein Fass ohne Boden. Da kann ich mir schon vorstellen, dass Väter sich die Frage stellen, ob die Tochter überhaupt so viele Chancen hat, weil es so wenige Frauen geschafft haben, professionelle Rennfahrerinnen zu werden, während die Buben oft den Traum vom Vater leben."

Meist haben Pilotinnen bereits einen älteren Bruder, der Rennen fährt, oder sie stammen überhaupt aus einer Rennfahrerfamilie. So wie die 2013 an den Folgen eines Formel-1-Testunfalls verstorbene Maria de Villota, deren rennverrückter Vater in den 1970er-Jahren mit einem privaten Boliden vereinzelt Grand-Prix-Rennen bestritt.

"Dass sie Rennfahrerin wurde, hing wohl auch damit zusammen, dass der Vater alle seine Kinder darin unterstützt hat, im Motorsport Fuß zu fassen, was nicht dem Normalfall entspricht", erzählt Koschutnig über die einzige Frau, die je für Racing Engineering gefahren ist.

Sponsoren und Förderprogramme zweifeln an Frauen

Das Problem: Nach der Kart-Zeit explodieren die Kosten. Für eine Formel-3-Saison braucht man an die 800.000 Euro, für ein Jahr in der Formel 2 sogar 1,3 bis zwei Millionen. All das ist nur noch mit einem großen Sponsor oder einem Förderprogramm zu stemmen. Eine Hürde, die für Pilotinnen oft unüberwindbar ist, da ihnen auch von Firmen oft nicht zugetraut wird, ganz vorne mitzufahren.

Aber warum eigentlich? "Weil es sowas einfach noch nie gab", meint Sophia Flörschs Vater Alexander gegenüber dem 'Focus'. "Viele sind zwar sehr interessiert, aber unterstützen wollen sie am Ende doch nicht. Man traut es einem Jungen einfach mehr zu als einem Mädchen."

Das bestätigt auch die früher in der DTM aktive Audi-Werksfahrerin Rahel Frey. Die Chance, als Frau von einem Werksprogramm unterstützt zu werden, sei so gering, "weil viele Nachwuchsprogramme die Formel 1 zum Ziel haben", erklärt die Schweizerin gegenüber 'motorprofis.at'. "Es ist schwierig für ein Mädchen, die Geldgeber zu überzeugen, dass du es als Frau bis dahin schaffen kannst. Dadurch entsteht eine Hemmschwelle, die sehr, sehr groß ist. Man geht lieber kein Risiko ein - und lässt das Mädel fallen."

"Sexy Formel Frau": W-Series bewegt sich auf dünnem Eis

Genau dort will die W-Series ansetzen und es Pilotinnen ermöglichen, eine kostenlose Saison in einem Formelauto zu bestreiten. Und als Preisgeld für den Titel winken 500.000 US-Dollar (umgerechnet 443.000 Euro). Aber um welchen Preis? Unter den 55 Kandidatinnen für die 20 Plätze finden sich unter anderem auch die 33-jährige Deutsche Doreen Seidel, die zwar tatsächlich Rennfahrerin ist, aber vor allem als Playboy-Model und TV-Moderatorin bekannt ist.

 

Kein Wunder, dass die Berichterstattung über die neue Rennserie mit Headlines wie "So sexy wird die Formel Frau!" rasch in gängige Klischees abdriftete. "Ich bin der Meinung, dass da wirklich viele gute und talentierte Mädchen dabei sind, die ihren Weg machen werden, aber ich habe Angst, dass das Ganze zu sehr als Marketing-Tool genutzt wird und das Image der Frau im Motorsport nicht so dargestellt wird wie es dargestellt werden sollte", zweifelt KTM-Werksfahrerin Laura Kraihamer an der W-Series, der sie eine Absage erteilte.

Superlizenzpunkte-System als große Formel-1-Hürde

Die Krux: Irgendwie muss die von Coulthards Schulfreund Sean Wadsworth, der mit seiner Personalvermittlungsfirma Millionen gemacht hat, finanzierte Rennserie bei den hauptsächlich männlichen Motorsportfans für Aufmerksamkeit sorgen, sonst wird man langfristig keine Sponsoren anziehen und wieder verschwinden. Ob man damit allerdings den Rennfahrerinnen etwas Gutes tut, die seit Jahrzehnten im Motorsport um sportliche Anerkennung kämpfen, ist eine andere Frage.

"Wenn ich so ein Budget hätte, dann würde ich ein Förderprogramm machen und zehn etablierte Pilotinnen und zehn Kartfahrerinnen auswählen, die vor dem Sprung ins Auto stehen", schlägt die 27-jährige Kraihamer vor. "Ich mache mit ihnen Trainingscamps, gebe ihnen Mentaltrainer und Pressesprecher, und führe sie immer wieder zusammen, damit es einen Austausch gibt. Und so helfe ich den Mädchen in den einzelnen Serien wirklich weiter. In der W-Series wird hingegen nur die Gewinnerin wirklich belohnt."

Und dann wäre da noch ein weiterer Aspekt, der gegen die W-Series spricht: Im Gegensatz zu fast allen relevanten Formel-Klassen bis hinunter zur Formel 4 gibt es für die Frauen-Rennserie keine Superlizenzpunkte, wie ein FIA-Sprecher gegenüber 'Motorsport.com' bestätigt. "Das darf man nicht vergessen", sieht Wolff im 2016 eingeführten System, das einen Formel-1-Einstieg erst ab 40 Punkten erlaubt, eine entscheidende Hürde für Frauen. "Es ist derzeit ziemlich schwierig, in die Formel 1 zu kommen, solange man nicht in den Nachwuchsserien ordentlich Erfolg hat."

Susie Wolffs Appell an Chase Carey & Co.

Daher könnte es noch eine Weile dauern, bis eine Frau in der Königsklasse des Motorsports ähnlich Großes gelingt wie Rallye-Vizeweltmeisterin Michelle Mouton (1982), DTM-Siegerin Ellen Lohr (1992), Rallye-Dakar-Siegerin Jutta Kleinschmidt (2001) oder IndyCar-Siegerin Danica Patrick (2008).

Wäre Susie Wolff jedenfalls in der Position von Formel-1-Boss Chase Carey, würde sie rasch die Weichen für eine derartige Sternstunde stellen, anstatt über Grid-Girls nachzudenken. "Der Sport muss in Zukunft vielfältiger werden, wenn er erfolgreich sein will", richtet die 36-Jährige einen Appell an die neuen Formel-1-Besitzer, die zuletzt mit finanziellen Verlusten zu kämpfen hatten. "Das kann man schaffen, wenn in der Formel 1 auf und neben der Strecke mehr erfolgreiche Frauen aktiv sind. Das hätte für mich eine höhere Priorität gehabt als die Abschaffung der Grid-Girls."

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