Registrieren

Kostenlos registrieren

  • Direkt zu Deinen Lieblingsartikeln!

  • Benachrichtigungen für Top-News und Lieblingsfahrer verwalten

  • Artikel kommentieren

Motorsport Prime

Premium-Inhalte entdecken
Registrieren

Edition

Deutschland
Porträt

Emotionale Ausraster: Wegbegleiter verteidigen Sebastian Vettel

"Fuck off, Charlie", "Get him out of the way" oder "Honestly": Die Ausraster von Sebastian Vettel am Bodenfunk haben in der Formel 1 längst Kultstatus.

Sebastian Vettel, Ferrari

Sebastian Vettel, Ferrari

Sutton Images

Von manchen als weinerlich verteufelt, von anderen als authentisch und leidenschaftlich gelobt - kalt lässt das emotionale Auftreten des Ferrari-Stars kaum jemanden. Eine neue Dimension erreichten die Diskussionen um Vettels Verhalten nach dem absichtlichen Rammstoß gegen Lewis Hamilton in Baku. Doch langjährige Wegbegleiter verteidigen den viermaligen Weltmeister. "Die Formel 1 ist nicht der Platz für karitative Taten", sagt zum Beispiel Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko im Gespräch mit 'Motorsport.com'. "Du musst der größte Egoist sein und nur das tun, was dir in der jeweiligen Situation den bestmöglichen Vorteil verschafft. Das musst du dir erarbeiten und ausnutzen."

Franz Tost, Vettels erster Teamchef bei Toro Rosso, sieht das ähnlich: "Ein Spitzensportler - egal ob Fußball, Tennis oder Motorsport -, der um eine Weltmeisterschaft kämpft, muss dieses Level an Emotionen zeigen. Sonst gewinnt er nichts. Wie viele Tennisschläger wurden schon von Topspielern zertrümmert? Wie viele Skier wurden schon ins Eck geschmissen, von Weltcupsiegern? Wenn so ein Sportler dieses Emotionsniveau nicht erreicht, wird er nie gewinnen."

"Das, was Sebastian in Baku gezeigt hat, ist ganz normal. Da soll kein anderer Fahrer sagen, er habe überreagiert. Das sagen höchstens die Loser, weil sie gar nicht wissen, wovon sie reden. Aber ein richtiger Topathlet, der sich an der Weltspitze bewegt, reagiert so", sagt Tost. Vettel wegen solcher Zwischenfälle eine "Persönlichkeitsstörung" zu attestieren, sei jedenfalls komplett daneben: "Das hat nichts mit einer Persönlichkeitsstörung zu tun, sondern ist eine ganz normale Reaktion."

Vettel-Kritiker halten dagegen, dass solche Stimmungsschwankungen bei Normalsterblichen durchaus als gespaltene Persönlichkeit wahrgenommen werden: einerseits höflich, wohlerzogen, humorvoll - andererseits ein wildes Tier, wenn der Ehrgeiz durchschimmert. Aber: "Der Normalsterbliche gewinnt auch keine Weltmeisterschaften, sondern sitzt zu Hause vor dem Fernseher", lacht Tost.

 

Franz Tost, Toro-Rosso-Teamchef
Franz Tost, Toro-Rosso-Teamchef

Foto Sutton Images

Der Ausraster in Baku, für den Vettel auch von der FIA gescholten wurde, sei "eine Reaktion auf das provokante Verhalten von Hamilton" gewesen, findet Marko: "Es war fast Schritttempo. Aus der Emotion heraus hat er vielleicht eine Spur überreagiert. Aber dass man daraus so ein Theater macht, ist mir unverständlich. Ich bin voll auf der Seite, dass das dazugehört. Wir brauchen keine Marionetten oder Roboter, sondern wir brauchen Menschen."

"So einer geht ans Limit, quetscht aus dem Auto alles raus, ordnet sein ganzes Leben der Rennfahrerei unter. Wenn dann sowas passiert, ist so eine Reaktion nachvollziehbar. Er konnte ja im ersten Moment zum Beispiel nicht wissen, inwieweit sein Frontflügel beschäftigt wird", so der Österreicher. Und: "Zehn Tage lang wurde nur darüber berichtet. Das war gut für die Formel 1! Die Gutmenschen sind alle aufgestanden, aber letztendlich wollen wir doch Racing sehen."

Tost nickt: "Über den Hamilton-Vettel-Vorfall hat die ganze Welt geredet. Das ist super für die Formel 1. Wenn ich mich zurückerinnere an Prost und Senna, fallen mir sofort ihre Kollisionen ein. Das ist es, was den Sport interessant macht, das ist Unterhaltung, die die Leute sehen wollen. Die Leute wollen Überholmanöver sehen, Ausbremsmanöver, sie wollen auch Unfälle sehen - ohne dass jemand verletzt wird. Das ist Part of the Game."

Christian Horner kennt Vettel gut. Er war bei Red Bull sechs Jahre lang sein Teamchef. Und auch er verteidigt seinen ehemaligen Starfahrer: "Sebastian hat keinen Filter eingezogen zwischen was er sagt und was er denkt. Das ist das Tolle an ihm. Aber es bringt ihn manchmal auch in die Bredouille. Er trägt einfach dieses unbändige Verlangen zu gewinnen in sich."

"Die ganzen Rekorde bedeuten ihm viel. Michael Schumacher war sein großes Vorbild. Und manchmal schwappt dieser Killerinstinkt über, dieses: 'Ich will unbedingt gewinnen!' Um jeden Preis. Das wirkt vielleicht manchmal eingebildet, aber ich denke, man sollte sich in seine Lage versetzen, bevor man ihn verurteilt. Er hat Ferrari dahin gebracht, wo sie heute stehen. Daran hatte er als Fahrer großen Anteil."

 

Christian Horner, Red Bull Racing Team Principal and Sebastian Vettel, Ferrari SF70H
Christian Horner, Red Bull, und Sebastian Vettel, Ferrari SF70H

Foto Sutton Images

Horner kennt aber auch die andere Seite von Vettel, den "lustigen Kerl, der britischen Humor liebt und sehr gut mit den Mechanikern und dem Team umzugehen weiß. Es kann schon mal passieren, dass er mit Schokolade für die Rezeptionistin in die Fabrik kommt und dann mit den Mädels eine Runde geht. Er ist sehr großzügig - nicht nur als Fahrer, sondern auch als Mitglied im Team. Manchmal verbringt er in der Fabrik Stunden mit den Mitarbeitern."

Sogar Daniel Ricciardo, Vettels Teamkollege in der Saison 2014, springt für den 30-Jährigen in die Bresche: "Er lebt die Formel 1 wahrscheinlich intensiver als wir alle. Da kommt das her. Als ich ihn 2014 geschlagen habe, war er sicher im ersten Moment gepisst. Aber als wir wieder bei den Ingenieuren saßen, gratulierte er mir. Sobald das Adrenalin weg ist, ist er ganz normal und sehr höflich. Wahrscheinlich höflicher als ich!"

Allerdings kennt man von Ricciardo, dem Sonnyboy der Formel 1, solche Ausraster nicht. Nur als ihm Red Bull in Monaco mit einem verpatzten Boxenstopp den Sieg gekostet hat, war er in Ansätzen mürrisch. "Das ist nicht zu vergleichen", wiegelt Helmut Marko ab. Der Red-Bull-Motorsportkonsulent findet auch nicht, dass Ricciardo weniger entschlossen agiere als Vettel und ihm auf dieser Ebene etwas fehle.

Ein Beispiel: "Nehmen wir sein Manöver in Baku, wo er beim Restart drei Autos auf der schmutzigen Spur überholt hat. Die anderen haben wahrscheinlich gedacht, dass da ein Wahnsinniger daherkommt. Wenn das eine Spur schiefgeht, fliegen vier Autos durch die Gegend. Das ist der nette, lächelnde Kerl? Im Auto ist er genau wie Vettel! Es gibt keinen, der so hart überholt wie er."

Dass Ricciardo mal auf den Tisch haut, "das gibt's, aber er ist kontrollierter. Das ist aber keine Charakter-, sondern eine Mentalitätssache. Wenn du jeden Morgen am Strand von Perth aufwachst, wo jeden Tag die Sonne scheint, und das einzig Gefährliche sind die Haie im Wasser, sonst nur 'easy life', dann kriegst du halt ein anderes Phlegma ..."

Vorheriger Artikel Alain Prost widerspricht Helmut Marko: Buemi hätte F1 Austin fahren dürfen
Nächster Artikel Formel 1 2017 in Austin: Hamilton knackt Schumacher-Rekord

Kostenlos registrieren

  • Direkt zu Deinen Lieblingsartikeln!

  • Benachrichtigungen für Top-News und Lieblingsfahrer verwalten

  • Artikel kommentieren

Motorsport Prime

Premium-Inhalte entdecken
Registrieren

Edition

Deutschland