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"Copygate": Warum kaum jemand Interesse am Renault-Protest hat

Otmar Szafnauer erklärt, dass Racing Point schon immer gut im Kopieren anderer Ideen war, und ist sich absolut sicher, dass Renaults Protest scheitern wird

Nach dem Grand Prix von Ungarn hat Renault ein zweites Mal gegen die Bremsschächte am Racing Point RP20 protestiert, die angeblich illegal vom Mercedes-Werksteam abgekupfert sein sollen. Denn jeder Protest gilt nur für das Rennen, bei dem er eingereicht wurde. Doch Teamchef Otmar Szafnauer ist optimistisch, dass die FIA Racing Point letztendlich vom Verdacht eines illegalen Transfers von geistigem Eigentum freisprechen wird.

Es sei "unmöglich, dass unsere Bremsschächte illegal sind. Es dauert, diese Teile zu designen und zu bauen. Das ist sehr, sehr kompliziert. Und wir haben 886 verschiedene Zeichnungen für unsere Bremsschächte. Wir sind da völlig unbesorgt. Wir sind in Österreich damit gefahren, wir sind in Ungarn damit gefahren - und wir werden auch in Silverstone damit fahren."

Aber: In Spielberg wurden von den FIA-Ermittlern zunächst acht Bremsschächte konfisziert. Sechs davon wurden zurückgegeben, weil ohnehin alle gleich aufgebaut waren; zwei wurden einbehalten. In Budapest wurden neuerlich Bremsschächte konfisziert. Wenn Renault von jetzt an bei jedem Grand Prix Protest einlegt, werden Racing Point irgendwann die Teile knapp.

"Eine gute Frage", lacht Szafnauer. "Irgendwann würden sie uns tatsächlich ausgehen. Aber hoffentlich ist das nicht ihre Strategie. Ich hoffe, dass sie feststellen, dass die Bremsschächte, die wir in Ungarn gefahren sind, genau gleich sind mit denen von Österreich. Dann müssen sie die Teile nicht jedes Mal beschlagnahmen."

Szafnauer: Verstehe nicht, warum es nicht alle so machen

Dass der RP20 dem Vorjahres-Mercedes nachempfunden wurde, streitet Racing Point gar nicht ab. Man habe sich, wie in der Branche üblich, Detailfotos besorgt und mit diesen gearbeitet. Dass Mercedes als technischer Partner gegen ein solches Vorgehen nichts einzuwenden hat, ist einleuchtend. Die beiden Teams sind auf politischer Ebene eng verzahnt.

Dass kein anderer beim Kopieren der Topteams einen so extremen Weg eingeschlagen hat, kann Szafnauer nicht nachvollziehen. Auf die konkrete Frage, ob die Philosophie von allen anderen Mittelfeld-Teams falsch sei, antwortet er: "Ja. Aber es ist natürlich auch ein Risiko. Wir wussten vorher nicht, dass das so gut funktionieren würde."

"Das Risiko, damit einen Schritt rückwärts zu machen, war groß. Als wir mit den Ideen, die wir auf den Fotos gesehen hatten, im Windkanal anfingen, machten wir einen Schritt in die falsche Richtung. Und ich rede da von mehreren Sekunden pro Runde. Aber durch CFD- und Windkanalsimulationen immer neuer Designs und Redesigns kamen wir da hin, wo wir jetzt sind."

Viele Insider zweifeln daran, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Offen darüber sprechen will jedoch kaum jemand. Gerade Helmut Marko ist einer, der normalerweise keine Gelegenheit auslässt, Toto Wolff und Mercedes eins auszuwischen. Aber Red Bull würde am liebsten selbst die Red-Bull-Designs bei AlphaTauri verwenden und verhält sich daher ruhig.

Auch sonst ist das Interesse im Paddock, den Renault-Protest zu unterstützen, überschaubar. Williams setzt jetzt schon einen Mercedes-Motor und einen Mercedes-Junior ein. McLaren wechselt 2021 auf Mercedes-Power. Haas und Ferrari praktizieren selbst eine enge technische Kooperation, und Alfa Romeo hängt bei Ferrari am Tropf.

Bremsen von Racing Point und Mercedes

Vergleich: Die Bremsen stehen beim Protest von Renault im Fokus

Foto: Giorgio Piola

Wie viel Interesse hat Renault, Daimler zu schaden?

Bleibt also nur Renault als Einzelkämpfer übrig, und selbst das ist politisch ein kühner Schritt von Cyril Abiteboul und seinem Team. Denn auf Konzernebene pflegen Renault und Daimler seit zehn Jahren eine Allianz - und mit Esteban Ocon sitzt ein Mercedes-Junior im Renault-Cockpit. Dass Renault überhaupt einen Mercedes-Partner attackiert, finden viele überraschend.

Außer Renault und McLaren gibt es außerhalb der drei Topteams kaum noch jemanden, der nicht ohnehin am liebsten mit Kundenautos fahren würde. Mercedes, Ferrari und Red Bull, weil sie damit Geld verdienen (Mercedes und Ferrari) beziehungsweise sparen können (Red Bull). Und die Kundenteams, weil sie für faires Geld ein konkurrenzfähiges Chassis bekommen.

Selbst Williams, jahrelang ein erbitterter Kämpfer dafür, die Formel 1 nicht von einer Konstrukteurs- zu einer Team-WM verkommen zu lassen, ist finanziell so angeschlagen, dass man dem Gedanken, mit einem Vorjahres-Mercedes und einem Supertalent wie George Russell in Podiumsnähe fahren könnte, inzwischen etwas abgewinnen kann.

Gerhard Berger, Teamchef von Toro Rosso beim "Wunder von Monza" 2008, als Sebastian Vettel mit einem Kunden-Red-Bull seinen ersten Sieg in der Formel 1 gefeiert hat, findet die Diskussion darüber, ob und vor allem wie Racing Point abgekupfert hat, sekundär. Er sagt bei 'ServusTV': "Es ist erfrischend, wenn ein Team, das nicht unbedingt für Siege gesetzt war, vorne mitfährt."

"Wir haben damals auch Gegenwind bekommen", erinnert er sich an die Saison 2008. "Man hat uns vorgeworfen, dass wir gegen das Reglement verstoßen, weil jedes Team seine eigene IP entwickeln und seine eigene Ingenieursleistung bringen muss. Wir haben das dann umgestellt. Für ein kleines Team wie Toro Rosso war es danach ganz schwierig, und dann wandert man halt nach hinten."

Gerhard Berger bei ServusTV am Hangar-7 in Salzburg

Gerhard Berger bei ServusTV am Hangar-7 in Salzburg

Foto: ServusTV

Berger: Racing Point macht das, was Toro Rosso gemacht hat

"Jetzt hat Racing Point dasselbe gemacht, diesmal mit Mercedes. Die haben vielleicht eine etwas andere Vorgehensweise verwendet. Es gibt inzwischen Fotografien, die die Teile des Autos punktgenau aufnehmen, und dann kann man 'Return-Engineering' machen. Das ist ein Weg rund um die Worte des Reglements. Aber der Sinn ist genau derselbe", sagt er.

Andere halten dagegen: Die Formel 1 ist per "Verfassung" (Concorde-Agreement) eine Konstrukteurs-WM, in der jedes Team sein eigenes Chassis entwickeln muss. Sollte das mit den neuen Concorde-Vereinbarungen abgeschafft und eine Kundenauto-WM eingeführt werden, wäre das ein Bruch mit der bisherigen DNA der Königsklasse.

Berger glaubt, dass der Renault-Protest "eine Tür aufmachen" könnte, denn "dann würde man wirklich diskutieren: Ist es in der Zwischenzeit erlaubt, dass man als Team wie Mercedes oder Red Bull ein zweites Team mit den gleichen Teilen bestückt? Grundsätzlich ist es erfreulich, wenn das Feld zusammenrückt und frisch aufrückt. Aber dann sollte das klargestellt werden und für alle gelten."

Diese Klarheit soll durch das ausstehende FIA-Urteil geschaffen werden. Zunächst in erster Instanz. Denn wenn Renault Erfolg haben sollte, würde das Verfahren in die zweite Instanz gehen, beim FIA-Berufungsgericht. Szafnauer bestätigt: "Ich halte das für eine hypothetische Frage. Ich glaube nicht, dass das Urteil gegen uns lauten wird. Aber wir würden mit Sicherheit in Berufung gehen."

Racing Point habe, sagt er, der FIA schon im Winter im Detail erklärt, wie man den Vorjahres-Mercedes auf angeblich ganz legale Weise nachbauen konnte. "Die FIA war mit unserer Erklärung zufrieden und hat uns gesagt, dass das, was wir getan haben, absolut legal war", wiederholt Szafnauer.

Bremsschächte: Wurden sie wirklich von der FIA gecheckt?

Die Meinung der FIA-Techniker spiele im jetzigen Verfahren aber keine Rolle, denn: "Es sind die Kommissare, die das entscheiden. Jetzt müssen wir die eben auch informieren. Das dauert, denn die FIA kam zwei Tage zu uns in die Fabrik und hat sich genau angeschaut, wie wir das Auto designt und entwickelt haben, einschließlich der Bremsschächte."

Letzteres bestreitet der Technische Delegierte der FIA: "Wir haben uns primär auf den Rest des Autos konzentriert, nicht auf die Bremsschächte", widerspricht Nikolas Tombazis. Tombazis' Rolle im Protestverfahren besteht darin, mit seinem technischen Know-how den Kommissaren den Sachverhalt zu erklären. Entscheiden müssen aber die Richter, nicht die Sachverständigen.

Das ist aus Racing-Point-Sicht etwas, was das Verfahren schwierig macht und in die Länge zieht. Szafnauer: "Wir müssen den Kommissaren die Daten liefern und ihnen durch Worte auf Papier und Zeichnungen erklären, was wir wie gemacht haben." Das dauere "ein bisschen länger" als dem Technischen Delegierten zwei Tage lang die Fabrik zu öffnen und ihm alles zu erklären.

"Wir haben keine Haas-Ferrari-Beziehung", unterstreicht Szafnauer. "Wir haben einen Haufen Designer, Aerodynamiker und Fahrwerksingenieure. In der Vergangenheit konnten wir sowas nicht machen, weil wir das Geld nicht hatten. Und wir konnten von unserem High-Rake-Ansatz nicht einfach weggehen, weil das Getriebe nicht dafür designt war."

"Als wir dann das Geld hatten, gingen wir auf die gleiche aerodynamische Lösung, die auch Mercedes verwendet. Es ergibt Sinn, uns anzuschauen, was sie gemacht haben, und zu versuchen, das möglichst exakt nachzuempfinden. Das haben wir getan. Davon kann uns auch Mercedes nicht abhalten, selbst wenn wir ihnen dadurch zu nahe kommen sollten."

Otmar Szafnauer

Otmar Szafnauer ist optimistisch, dass Racing Point freigesprochen wird

Foto: Motorsport Images

Racing Point: Immer schon Meister im Kopieren

Racing Point, damals noch unter dem Namen Force India, sei schon immer ein Meister darin gewesen, Ideen der Konkurrenz auf Basis von legalen Spionagefotos zu kopieren: "Wir waren die Ersten, die 2009 einen Doppeldiffusor am Auto hatten, als drei andere Teams mit dem Doppeldiffusor daherkamen. Soweit ich mich erinnere, waren wir sogar schneller als Red Bull."

"Wir hatten schon immer unheimlich talentierte Ingenieure bei uns, die erstens den Rennsport verstehen und zweitens genau wissen, wie sie ein Auto entwickeln müssen, und die genau beobachten, was die anderen tun, und diese Ideen dann für uns adaptieren", sagt Szafnauer.

"Nehmen wir den F-Schacht, der damals bei McLaren auftauchte. Wir waren nach McLaren die Ersten, die auch einen F-Schacht hatten. Wenn man sich unsere Geschichte genau anschaut, haben wir so etwas mit unseren talentierten Ingenieuren immer wieder geschafft. Nur hat uns dann in späteren Jahren das Geld dazu gefehlt."

"Es gab auch Zeiten, da hatten wir für Silverstone ein B-Auto, mit dem uns ein großer Schritt gelungen ist. Wir hatten die Entwicklungen auch im Winter schon, hatten aber nicht das Geld, um sie ans Auto zu bringen. Daher mussten wir mit einem Hybrid anfangen. Aber diese Tage sind vorbei, weil wir jetzt gut finanziert sind. Jetzt können wir das Talent, das in uns steckt, auch zeigen."

Die Entscheidung über den Renault-Protest von Österreich und Ungarn könnte übrigens noch vor dem bevorstehenden Grand Prix von Großbritannien in Silverstone fallen. Die FIA wollte die gesammelten Beweise und Informationen ursprünglich diese Woche den Kommissaren vorlegen. Ob das bereits passiert ist oder noch nicht, entzieht sich aber unserer Kenntnis.

Mit Bildmaterial von Motorsport Network.

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