Coronakrise: Würde die Formel 1 eine komplette Saisonabsage 2020 überleben?
Wie gut ist die Formel 1 in der Coronakrise aufgestellt? Die kurz- bis mittelfristige Zukunft ist wohl nicht übermäßig gefährdet, doch es gibt durchaus gewisse Risiken
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Coronakrise die Formel 1 finanziell hart treffen wird. Da stellt sich die Frage, ob es die Königsklasse überleben würde, wenn die Saison 2020 im schlimmsten Fall komplett abgesagt werden müsste. Momentan ist das lediglich eine theoretische Frage, denn offiziell umfasst der Kalender auch nach den zahlreichen Absagen und Verschiebungen noch immer 14 Rennen.
Dazu kommen sechs weitere aktuell abgesagte/verschobene Events (alle außer Monaco und Australien), die noch auf einen neuen Termin hoffen. Formel-1-Boss Chase Carey erklärte kürzlich, dass er eine Saison mit 15 bis 18 Rennen anvisiert. Doch je mehr Zeit verstreicht, desto unrealistischer erscheint dieses Ziel, weil der Saisonstart immer weiter nach hinten verschoben wird.
Eine Komplettabsage der Saison ist zwar noch immer weit entfernt. Trotzdem muss man kein Wall-Street-Experte sein, um zu erkennen, dass sich die Formel 1 auf dem Weg in eine ganz schwierige Situation befindet. So ziemlich alle Einnahmequellen der Königsklasse hängen von einem offensichtlichen Faktor ab: dass es 2020 zumindest noch einige Grand-Prix-Wochenenden geben wird.
2019 generierte die Formel 1 Einnahmen in Höhe von 2,022 Milliarden US-Dollar. Der Hauptteil stammt vorwiegend aus drei Quellen: Renngebühren (im vergangenen Jahr 30 Prozent), Übertragungsrechte (38 Prozent) und Sponsoren (15 Prozent). Andere Einnahmequellen sind zum Beispiel der Paddock Club sowie Formel 2 und Formel 3.
Mehrere 100 Millionen Dollar werden fehlen
Weil man 2020 erstmals 22 Rennen austragen wollte, rechnete die Formel 1 in diesem Jahr mit noch höheren Einnahmen. Stattdessen fehlen pro abgesagtem Grand Prix nun zwischen 30 und 50 Millionen Dollar. Die einzige Ausnahme bildet Monaco, das ohnehin keine Renngebühr zahlt. Weil die Gebühren im Voraus gezahlt werden, stellt sich zudem die Frage, ob das Geld erstattet oder es mit dem Grand Prix 2021 verrechnet wird.
Darüber hinaus drohen pro abgesagtem Rennen weitere Verluste. So haben die übertragenden TV-Sender beispielsweise für eine volle Saison gezahlt. Weniger Rennen führen auch bei ihnen zu Problemen mit Sponsoren und Abonnenten. Angeblich erhalten die Sender eine Teilerstattung der Gebühren, sobald es weniger als 15 Rennen gibt - rein zufällig oder auch nicht die Zahl, die Carey jüngst als Untergrenze genannt hat.
Wie sind also die kommerziellen Aussichten für die Formel 1 im Jahr 2020? Moody's Investors Service, eine der angesehensten Ratingagenturen der Welt, glaubt, dass die Formel 1 die Möglichkeit hat, die schwierige Phase zu überstehen. Am vergangenen Donnerstag gab Moody's der Formel 1 - oder offiziell der Muttergesellschaft Alpha Topco Ltd - das Rating "B2".
Knackpunkt: Wie viele Rennen gibt es 2020?
"B2" steht für ein gewisses Risiko für Anleger. In der Bewertung heißt es: "Die Aussicht hat sich von positiv zu negativ gewandelt." Das hört sich auf den ersten Blick nicht besonders vielversprechend an.
Und tatsächlich heißt es von Moody's im Hinblick auf die unmittelbare Zukunft der Formel 1: "Die schnelle und umfangreiche Ausbreitung des Coronavirus, der sich verschlechternde globale wirtschaftliche Ausblick und sinkende Anlagenpreise sorgen in vielen Bereichen, Regionen und Märkten für eine ernsthafte und umfangreiche Kreditkrise."
Zusammenfassend erwartet Moodys in der Folge für 2020 weniger Einnahmen, einen höheren Verschuldungsgrad und eine geringere Liquidität. Vereinfacht gesagt: Die Formel 1 muss in großem Stil an ihre Rücklagen gehen und Kredite aufnehmen, um das Jahr 2020 zu überstehen. Moody's erklärt zudem, dass 2020 für die Formel 1 auch ohne COVID-19 eine Herausforderung gewesen wäre.
Auch abseits von Corona warten Herausforderungen
So gibt es für 2021 und darüber hinaus noch kein neues Concorde-Agreement, und zudem laufen Ende des Jahres ungewöhnlich viele TV-Verträge gleichzeitig aus. Es heißt: "Moody's erwartet nicht, dass ein neues Concorde-Agreement das Unternehmen wirtschaftlich in eine schlechtere Position bringt. Allerdings besteht ein gewisses Risiko, solange die neue Vereinbarung nicht unterschrieben ist."
Außerdem warnt man vor einer weiteren Herabstufung, falls das neue Concorde-Agreement zum Beispiel zu höheren Preisgeldzahlung an die Teams führen sollte. Das mag heikel klingen, doch Unternehmen weltweit stehen aktuell vor ähnlich großen Herausforderungen. Wichtig ist daher, dass Moody's Licht am Ende des Tunnels für die Formel 1 sieht.
Außerdem nennt man "die Belastbarkeit [...] des Unternehmens dank mehrjähriger Verträge und die Stärke der Marke Formel 1, die die Erholung des Unternehmens und die finanzielle Performance nach der Coronakrise unterstützen werden." Zusammenfassend glaubt Moody's, dass die Marke Formel 1 stark genug ist, und dass es genügend Geldquellen gibt, um das Jahr 2020 auf jeden Fall zu überstehen - selbst ohne Rennen.
Selbst Komplettabsage 2020 nicht das Ende der Formel 1
"Am 31. Dezember 2019 hatte die Formel 1 einen Liquiditätsspielraum von rund 900 Millionen Dollar", heißt es. Weiter: "Moody's erwartet, dass das ausreichend sein wird, um mögliche Rückzahlungen an Promoter, Sponsoren und TV-Sender [...] abzufangen." Auch Zahlungen an Teams sowie weitere Kosten könne man abfedern, selbst wenn die Saison komplett abgesagt werden sollte.
Es bestehe zwar trotzdem ein gewisses Risiko, dass die Rücklagen "nicht ausreichend" seien. Dieses bewertet Moody's allerdings als "gering". Weiter heißt es: "Außerdem könnte das Unternehmen auf Unterstützung von seinem Besitzer, Liberty Media Corporation, zurückgreifen." Und Liberty verfüge aktuell über "beträchtliche Ressourcen" dafür.
Moody's merkt jedoch an, dass es eine Herabstufung geben könnte, wenn die Formel 1 den Verschuldungsgrad nach dem Ende der Krise nicht wieder in den Griff bekommt. Das könnte nach 2020 "im Hinblick auf ein wirtschaftlich womöglich schwächeres Umfeld" eine Herausforderung sein. Trotzdem lautet das Gesamtfazit, dass die Formel 1 das Jahr 2020 überstehen kann.
Wenn die Einnahmen sinken, sinken auch die Ausgaben ...
Die Formel 1 ist ein einzigartiges Geschäftsmodell mit einer erfolgreichen Geschichte und einer ungewöhnlichen Struktur. Die größten jährlichen Kosten sind die Zahlungen an die Teams. Und wenn das Einkommen sinkt, dann sinken auch die Auszahlungen. Zudem werden auch die weiteren mit Rennen verbundenen Kosten - wie Transport und Reisen - deutlich sinken.
Außerdem stehen die meisten Verträge mit Rennen, TV-Sendern und Sponsoren für 2021 bereits. Zumindest in der Theorie sind diese Einnahmen also langfristig garantiert. Moody's Fazit lautet daher: "Die Formel 1 ist relativ gut aufgestellt, um sich nach der Coronakrise zu erholen." Als Faktor wird neben den langfristigen Verträgen unter anderem auch die große Fanbasis genannt.
Weiter heißt es: "Die Stärke und die Attraktivität der Marke Formel 1 sorgen für einen gewissen Schutz im Hinblick auf die Herausforderungen auf dem TV-Markt." Auf einem anderen Blatt steht dagegen, ob alle zehn Teams die schwierige Phase 2020 überleben werden. Werden sie in einer Position sein, das neue Concorde-Agreement zu unterzeichnen? Falls nicht, dann wird das die Formel 1 deutlich schwächen.
Mit Bildmaterial von LAT.
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