Dank Funkverbot in der Formel 1: „Kreuzworträtsel lösen bei 320 km/h“
Nach dem Grand Prix von Europa in Baku und Problemen, insbesondere bei Lewis Hamilton, regt sich Kritik am strikten Funkverbot zwischen Box und Fahrer während des Rennens.
Lewis Hamilton, Mercedes AMG F1 W07 Hybrid
XPB Images
Blinkende Anzeigen auf dem Lenkrad und Leistungsaussetzer, Lewis Hamilton funkte verzweifelt an seine Box, was er denn tun solle. Alles, was er zu hören bekam, war aber, dass man ihm nichts sagen dürfe. Irgendwann gingen dem Weltmeister fast die Nerven durch.
„Das ist lächerlich, Jungs. Ich weiß nicht, ich schaue alle fünf Sekunden auf dieses verdammte Display und finde keinen Schalter in der falschen Position.“
„Lewis, du machst nichts falsch, es ist nur eine falsche Einstellung.“
„Ich beende das Rennen vielleicht nicht. Ich werde jetzt versuchen, einfach alles zu ändern.“
„Wir würden das nicht empfehlen, Lewis.“
Und dem Briten half es später auch nicht, als er vorschlug, Frage und Antwort zu spielen sodass sein Team nur mit Ja oder Nein antworten müsste. „Kann ich Vorschläge machen und ihr sagt mir, ob das okay ist“, fragte er, aber die Antwort war die gleiche. „Nein, das ist nicht erlaubt.“
Ähnlich erging es später auch Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen. Der Finne wollte ebenfalls Hilfe von seinen Ingenieuren: „Es ist das gleiche Problem wie beim letzten Rennen und du musst doch nur Ja oder Nein sagen“, funkte er an den Ferrari-Kommandostand. Die Antwort war ähnlich wie zuvor bei Hamilton. „Ich kann nicht, Kimi, ich kann nicht.“
Das ausgeweitete Funkverbot sei lächerlich, meinte später McLaren-Pilot Fernando Alonso bezüglich der Vorfälle. „Das hat von Anfang an nicht sehr viel Sinn gemacht“, kritisierte der Spanier. „Da geben sie uns ein Raumschiff zum pilotieren, mit der Technologie, die wir haben und jetzt haben wir keine Informationen zur Verfügung. Manchmal ist es schwierig zu wissen, was mit dem Auto los ist und welche Lösung es gibt. Vielleicht können wir das in Zukunft mal ansprechen.“
Wie später bekannt wurde, gab es auch beim Sieger Nico Rosberg kurzfristige Schwierigkeiten mit dem Elektromotor. „Ich hatte gegen Rennmitte das Gefühl, dass mir etwas Power fehlen würde. Die Ingenieure durften mir nicht sagen, was ich dagegen tun konnte. Also sah ich mir mein Lenkrad an und versuchte, es selbst zu lösen. Das hat gut funktioniert“, freute sich der WM-Führende.
Lewis Hamilton war der Leistungsverlust dagegen auch nach dem Rennen noch ein Rätsel. „Ich habe keine Ahnung, was da heute passiert ist. Ich hatte einfach keine Power. Ich befand mich lange Zeit in einem Motor-Modus, in dem es sich anfühlte, als ob ich ohne ERS fahren würde“, erklärte er.
Bildergalerie: Grand Prix von Europa
„Es gibt hunderte verschiedener Kombinationen wie man die Schalter am Lenkrad einstellen kann. Aber egal, wie viel man lernt, man kann niemals alle davon kennen. Ich fuhr herum und sah auf mein Display, um herauszufinden, was falsch lief. Aber ich konnte nichts erkennen, was ich anders als sonst gemacht hätte“, betonte der Brite.
„Die Technik ist aktuell so kompliziert und ich verstehe nicht, warum man uns davon abhält, solche Dinge auf der Strecke zu lösen. Es war sehr schade, dass ich nicht richtig Rennen fahren konnte. Wenn ich das Problem hätte lösen können, hätte ich Teil der Show sein und gegen die Jungs vor mir kämpfen können. Rund zehn Runden vor Schluss löste sich das Problem von selbst. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich nichts mehr zu gewinnen oder zu verlieren.“
Fotostrecke: Die Geheimnisse de Mercedes-Lenkrads
Mercedes-Benz Motorsportchef Toto Wolff verteidigte seinen Fahrer und übte indirekt ebenfalls etwas Kritik am Funkverbot. „Lewis meldete relativ früh im Rennen einige elektrische Aussetzer. Aber erst rund um seinen Boxenstopp wurde klar, dass sein Auto ein relativ großes Performance-Defizit hatte. Sobald wir das Problem identifiziert hatten, hätte es mit einer einzigen Funknachricht gelöst werden können. Aber das untersagten uns die Regeln“, erklärte Wolff.
„Diese Regeln sind für alle gleich und die FIA hat uns nur eine ganz bestimmte Wortwahl erlaubt. Es war ein ungewöhnliches und unverständliches Problem mit einem Motor-Modus. Deshalb konnte Lewis gar nicht wissen, was er tun musste, um es zu beheben. Letztlich fand er die richtige Lösung, wie es auch Nico einige Runden früher gelungen war. Er hatte zur Rennmitte in den Modus geschaltet, der das Problem verursachte. Sobald es behoben war, fuhr Lewis die zu diesem Zeitpunkt schnellste Rennrunde. Es war jedoch zu spät, um noch Plätze gutzumachen. Also traf er eine clevere Entscheidung, schonte seinen Motor und brachte das Auto ins Ziel.“
Der Technische Direktor des Teams, Paddy Lowe, erklärte das Problem an den beiden Silberpfeilen wie folgt: „Wir erkannten an beiden Autos ein Problem mit dem Hybrid-Energie-Management. Leider wurde eine Konfiguration bei der Rennvorbereitung nicht richtig eingestellt. Dies führte zu vorzeitigen Aussetzern auf der Geraden und kostete die Fahrer rund drei bis vier Zehntel pro Runde.“
„Dieses Problem bestand nur, wenn der Fahrer einen bestimmten Strategie-Modus am Lenkrad auswählte. Die anderen Modi waren davon nicht betroffen. Leider darf das Team den Fahrern aufgrund der neuen Funk-Einschränkungen aus diesem Jahr nicht mehr sagen, welchen Modus sie nutzen sollen. Oder wie in diesem Fall: Welchen Modus sie nicht hätten nutzen dürfen.“
Ein solches Problem während eines Rennens zu lösen, sei für die Fahrer keine einfache Aufgabe, betonte Lowe. „Nachdem wir uns von der FIA die Erlaubnis geholt hatten, durften wir den Fahrern einen Hinweis geben - aber nicht mehr. Es war in etwa so, als ob wir sie bitten würden, ein Kreuzworträtsel zu lösen, während sie mit 320 km/h ein Rennen fahren. Das ist kein Kinderspiel! Bei Lewis dauerte es leider 15 Runden, bis das Problem gelöst war. Das kostete ihn viel Zeit, bevor er wieder den vollen Speed nutzen konnte.“
Mit Informationen von Charles Bradley
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