Erklärt: Darum hat Kimi Räikkönen seine Imola-Punkte nicht zurückbekommen
Die Räkkönen-Strafe aus Imola wurde am Wochenende neu verhandelt - Obwohl die Rennkommissare Alfa Romeo teilweise zustimmen, bleibt die Strafe bestehen
Alfa Romeo bleibt 2021 weiter ohne WM-Punkte. Der Sauber-Rennstall hatte gehofft, dass Kimi Räikkönen seinen neun Platz aus Imola, den er wegen einer nachträglichen 30-Sekunden-Strafe verloren hatte, zurückbekommt. Doch nachdem der Fall am Portugal-Wochenende erneut aufgerollt wurde, herrscht nun endgültige Klarheit.
Wobei "Klarheit" sich in diesem Fall lediglich auf den Ausgang der erneuten Anhörung und nicht auf das Regelwerk als solches bezieht. Denn selbst die Rennkommissare, die den Fall am Wochenende neu verhandelt haben, sind der Meinung, dass es gewisse Widersprüche gibt. Doch der Reihe nach.
Alfa Romeo hatte beantragt, dass die kontroverse Räikkönen-Strafe neu verhandelt wird, weil die Rennkommissare in ihrer ursprünglichen Strafmaßverkündung erklärt hatten, dass die entsprechende Regel bereits seit Jahren im Formel-1-Reglement verankert sei und konstant zur Anwendung komme.
Dazu halten die Stewards fest: "All das ist korrekt, bis darauf, dass die Stewards einsehen, dass es bislang keinen Präzedenzfall gab. Die Stewards bezogen sich dabei auf Fälle in Formel 2 und Formel 3, haben das [Alfa Romeo] in der ursprünglichen Anhörung allerdings nicht mitgeteilt."
Regeln sind nicht eindeutig
Zudem seien die genannten Beispiele nicht akkurat genug gewesen, und die Rennkommissare seien letztendlich zu dem Schluss gekommen, dass es tatsächlich in keiner anderen Serie bislang einen ähnlichen Fall wie den von Räikkönen gegeben habe. Aus diesem Grund habe man einer erneuten Verhandlung zugestimmt.
Kompliziert ist in diesem Zusammenhang, und auch das räumen die Rennkommissare ein, dass die Regeln für einen Neustart nach einer Rennunterbrechung im Jahr 2018 geändert wurden. Seitdem hat die Rennleitung die Möglichkeit, das Rennen mit einem stehenden oder (wie in Imola) einem fliegenden Start wiederaufzunehmen.
Auf der anderen Seite ist es hinter dem Safety-Car eigentlich verboten, andere Autos zu überholen. Um diesen Widerspruch herauszustellen, legte Alfa Romeo eine Anweisung des damaligen Renndirektors Charlie Whiting vom 21. Juli 2018 vor. In dieser wird unmissverständlich klargestellt, dass es verboten ist, andere Fahrer zu überholen.
Verschiedene Regeln für ähnliche Szenarien
Wörtlich heißt es darin: "Kein Fahrer darf bis zur Ziellinie überholen, außer ein anderes Auto hat ein offensichtliches Problem." Die Rennkommissare merken in diesem Zusammenhang allerdings an, dass sich diese Anweisung auf den ursprünglichen Rennstart und nicht auf einen Neustart nach einer Unterbrechung bezieht.
Außerdem halten die Rennkommissare fest, dass sich die Regeln (im konkreten Fall 36.15.c und 42.6) inzwischen geändert hätten, weshalb die knapp drei Jahre alte Notiz heute nicht mehr "relevant" sei. Trotzdem hatten die Stewards Alfa Romeo bereits in der ursprünglichen Urteilsbegründen zugestimmt, dass die Regeln nicht eindeutig seien.
Hintergrund: Der Ablauf bei einem fliegenden Neustart nach einem Rennabbruch ist in Artikel 42.12 geregelt und steht im Widerspruch zu einem Neustart nach einer Safety-Car-Phase. Faktisch waren für den Fall in Imola also beide Regeln anwendbar. Das führte zu den besagten Widersprüchen.
Alfa Romeo argumentierte nun, dass der Sinn hinter den Regeln eigentlich gewesen sei, dass sowohl ein fliegender Start zu Beginn des Rennens als auch ein Neustart nach einem Safety-Car und ein fliegender Neustart nach einer Unterbrechung alle identisch gehandhabt werden.
Zwei Artikel greifen - trotz Widerspruch
Die Rennkommissare akzeptieren diese Annahme zwar, halten allerdings fest, dass nun einmal für alle Szenarien unterschiedliche Regeln festgeschrieben seien. Deswegen erklärte Alfa Romeo, dass der Artikel 42.12 den Artikel 42.6 nach Ansicht des Teams aufhebt, sobald von der Rennleitung ein fliegender Neustart ausgerufen wird.
Die Rennkommissare sind allerdings einerseits der Meinung, dass diese Annahme nicht zutreffend sei, und verweisen zudem darauf: "Außerdem [...] steht in Artikel 42.12 nicht explizit geschrieben, dass er Artikel 42.6 ersetzt." Trotzdem betonen die Kommissare noch einmal, dass man Verständnis für das Vorgehen des Teams habe.
Vereinfacht gesagt: Nach seinem Fehler war das Kind für Räikkönen bereits in den Brunnen gefallen. Hätte er sich seine Position zurückgeholt, hätte er gegen Artikel 42.12 verstoßen. Weil er das aber nicht tat, hätte er nach Artikel 42.6 aus der Boxengasse starten müssen und wäre damit ans hintere Ende des Feldes gefallen.
"Mildernde Umstände" helfen nicht
Als letzten Punkt brachte Alfa Romeo an, dass Artikel 42.12 besage, dass ein fliegender Neustart von der Rennleitung erst "nach einigen Runden hinter dem Safety-Car" ausgerufen werde. In Imola kam diese Nachricht aber bereits beim Verlassen der Boxengasse. Für Alfa Romeo ein entscheidender Faktor.
Denn das Team argumentiert, dass man dadurch nicht genug Zeit gehabt habe, um die Situation mit der Rennleitung zu besprechen. Auch dieser Logik folgen die Rennkommissare und erklären, dass das zu "mildernden Umständen" führe. Einziges Problem für Alfa Romeo: Mildernde Umstände sind in diesem Fall nutzlos.
Obwohl die Rennkommissare Alfa Romeo also gleich in mehrere Punkten zugestimmt haben, wurde die Strafe gegen Räikkönen am Wochenende bestätigt, weil den Stewards ihrer Meinung nach die Hände gebunden sind. Alfa Romeo hat trotz der Unklarheiten inzwischen erklärt, die Strafe nun zu akzeptieren.
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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