Erklärt: Die neuen Boxenstopp-Regel der Formel 1 2021
Eine neue technische Richtlinie hat Auswirkungen auf die Boxenstopps in der Formel 1: Wir erklären die Hintergründe dazu und schildern alle wichtigen Details!
Seit dem Grand Prix von Belgien am 29. August 2021 gilt eine neue technische Richtlinie in der Formel 1. Sie betrifft die Boxenstopps der Teams. Konkret: Wie schnell bestimmte Vorgänge beim Reifenwechsel von Ferrari, Mercedes, Red Bull und Co. ablaufen dürfen. Warum es die neue Regelung gibt, was genau sie bewirken soll und welche Teams am meisten davon betroffen sind, das erklären wir in diesem Artikel.
Wie sieht die neue Boxenstopp-Regel aus und was bewirkt sie?
Mit der neuen Boxenstopp-Regelung sollen die Boxenstopps in der Formel 1 langsamer werden. Die entsprechende technische Richtlinie greift zum Belgien-Grand-Prix 2021 in Spa-Francorchamps. Neu daran ist, dass die Regeln nun festlegen, wie schnell unterschiedliche Abläufe beim Reifenwechsel durchgeführt werden können.
Manche Abläufe dürfen zum Beispiel nicht mehr in unter 0,15 Sekunden erfolgen. Es gibt jetzt auch eine Minimalzeit, die zwischen dem Absetzen der Schlagschrauber und dem Umspringen der individuellen Boxenampel liegen muss. Sie beträgt 0,2 Sekunden.
Diese neue Regelung war im Juni 2021 angekündigt worden und hätte bereits zum Ungarn-Grand-Prix 2021 in Budapest greifen sollen. Die Formel 1 verschob die Einführung der Neuregelung allerdings auf das Rennen in Belgien.
Warum wird die neue Boxenstopp-Regelung eingeführt?
Die Boxenstopps in der Formel 1 werden immer schneller. Deshalb hat der Automobil-Weltverband (FIA) die neue technische Richtlinie erlassen. Man will einerseits das Risiko von Fehlern bei Boxenstopps und die Gefahr von losen Rädern reduzieren. Andererseits soll die neue Regelung die Teams daran hindern, aktive Systeme zur Kontrolle von Abläufen beim Boxenstopp einzusetzen.
In der Formel-1-Geschichte kam es immer wieder zu losen Rädern. Meist gelingt es den Teams, die Fahrzeuge dann an der Ausfahrt aus der Boxengasse zu hindern. Aber: Es gab auch schon einige Zwischenfälle, bei denen lose Räder ernste Folgen hatten.
Mechaniker schieben den McLaren von Jenson Button zurück nach einem fehlerhaften Boxenstopp
Foto: LAT
Ein Beispiel: Beim Österreich-Grand-Prix 2020 in Melbourne verlor Kimi Räikkönen im Alfa Romeo bei einem Re-Start im Anschluss an eine Safety-Car-Phase auf dramatische Weise ein Rad. Ein weiteres Beispiel: 2018 fielen beide Haas-Fahrer beim Australien-Grand-Prix in Melbourne nach Problemen beim Reifenwechsel vorzeitig aus.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich beim Bahrain-Grand-Prix 2018: Ferrari-Fahrer Räikkönen bekam bei seinem Boxenstopp fälschlicherweise die grüne Ampel zum Losfahren gezeigt - obwohl sich noch ein Mechaniker vor seinem linken Hinterrad befand. Aufgrund des Signals fuhr Räikkönen los und über das Bein seines Mechanikers, der sich einen Knochenbruch zuzog.
Schon 2013 hatte es einen Zwischenfall mit einem Unbeteiligten in der Boxengasse gegeben. Red-Bull-Fahrer Mark Webber war mit einem losen Rad losgeschickt worden. Beim Verlassen des Boxenstandplatzes fiel das Rad ab und wurde die Boxengasse entlanggeschleudert. Mechaniker aus benachbarten Boxen konnten gerade noch ausweichen. Das Rad aber traf dann einen nichtsahnenden Kameramann im Rücken. Die Wucht des Rads schleuderte ihn zu Boden. Er trug eine gebrochene Schulter und Rippenbrüche davon.
Welche Teams sind am meisten betroffen durch die neue Boxenstopp-Regelung?
Die Regel zielt darauf ab, Boxenstopps langsamer zu gestalten. Das bedeutet: Die Teams mit den schnellsten Boxenstopps sind am meisten betroffen. Und 2021 legt Red Bull die schnellsten Boxenstopps hin: Alleine in der ersten Saisonhälfte blieb das Team fünf Mal unter zwei Sekunden, und das bei acht schnellsten Boxenstopps in elf Rennen.
Sergio Perez im Red Bull RB16B bei einem Boxenstopp im Grand Prix von Österreich
Foto: Motorsport Images
Mercedes liegt bei den schnellsten Boxenstopps der Formel 1 im Schnitt an zweiter Stelle. Aber: Die Boxenstopp-Zeiten bei Mercedes sind durchschnittlich 0,25 Sekunden langsamer als bei Red Bull. Im Schnitt liegen Boxenstopps von Red Bull bei 2,57 Sekunden. Mercedes kommt auf 2,81 Sekunden.
Und weil Red Bull aktuell das einzige Team ist, dem regelmäßig Boxenstopps in unter zwei Sekunden gelingen, dürfte es wahrscheinlich am meisten betroffen sein von der neuen technischen Richtlinie.
Wie haben die Teams auf die neue Boxenstopp-Regelung reagiert?
Teamchef Christian Horner und Red Bull haben sich, wenig überraschend, gegen die neue Regelung ausgesprochen. Horner sagte: "Die Formel 1 steht für Innovation und Wettbewerb. Boxenstopps unter zwei Sekunden sind eine erstaunliche Leistung. Wir sollten dergleichen ermutigen, nicht versuchen einzudämmen. Wo hört das sonst auf?"
Red-Bull-Sportchef Helmut Marko scheint indes einen Verdacht zu haben, wer die neue Regelung angestoßen haben könnte. Er meinte: "Mercedes ist nervös und versucht uns einzubremsen. Erst ging es um den Heckflügel, jetzt heißt es, unsere Ausrüstung für den Boxenstopp sei illegal. Aber das ist alles nur heiße Luft."
Im Juni 2021 äußerte sich auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff zum Thema und erklärte, sein Rennstall habe nicht aktiv darum gebeten, eine Untersuchung gegen Red Bull einzuleiten. Man habe jedoch um eine Klarstellung zu den Abläufen beim Boxenstopp gebeten, so Wolff.
Er sagte: "Wir haben bei der FIA nachgefragt. Es ging um einen Sicherheitsmechanismus, der mit einem System zusammenhängt, das wir nutzen. Wir fragten, ob man hier eine Optimierung vornehmen könnte. Das ist vor drei oder vier Wochen passiert", meinte Wolff im Juni 2021. "Es war eine rein technologische Frage. Hat das also etwas ausgelöst? Vielleicht. Ich weiß es nicht. Das ist jedenfalls die Frage, die wir gestellt haben."
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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