Experten diskutieren: Ist Lando Norris mental zu schwach für den F1-Titel?
Ist Lando Norris bereit für den WM-Titel? Die Sky-Experten Nico Rosberg und Timo Glock glauben, dass der McLaren-Pilot noch eine Sache abstellen muss
Lando Norris könnte die WM hochgerechnet schon anführen
Foto: LAT Images
Mit seinem Sieg in Singapur ist Lando Norris weiterhin in Reichweite geblieben, Max Verstappen den WM-Titel 2024 möglicherweise doch noch streitig zu machen. Der McLaren-Pilot liegt sechs Rennwochenenden vor Schluss 52 Punkte hinter dem Niederländer, 180 Zähler sind noch zu vergeben.
Es besteht allerdings kein Zweifel daran, dass der Brite die Meisterschaft auch jetzt schon anführen könnte, doch im Saisonverlauf haben sich zu viele Probleme in der Rennausführung eingeschlichen. Fehlerhafte Strategieentscheidungen, eine Reihe von verpatzten Starts sowie Fahrfehler könnten Norris bis dato über 80 Punkte gekostet haben, wobei die selbstverschuldeten Fehler des Briten bereits für die WM-Führung reichen würden.
Laut den Daten unseres Technologiepartners PACETEQ ist der McLaren MCL38 seit dem sechsten Saisonlauf in Miami im Schnitt das schnellste Auto der Formel 1, während Red Bull in den ersten fünf Saisonläufen klar überlegen war. Damit war der McLaren aber wohl in zwei Drittel aller bisherigen Rennen im Vorteil, was sich mittlerweile auch mit der Führung in der Teamwertung widerspiegelt.
Dass das Team aus Woking aber in der Fahrerwertung weiterhin relativ weit zurückliegt, ist angesichts der Datenlage überraschend. Liegt es also an den Fahrern? Von außen kann man jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass Lando Norris der überwiegend schnellere McLaren-Fahrer ist, aber zu viele Fehler einbaut, während Teamkollege Oscar Piastri konstanter fährt, jedoch den Speed von Norris oft nicht mitgehen kann.
Rosberg: Hat Norris zu viele Selbstzweifel?
"Der Lando ist der, der den spezielleren Speed hat in der Spitze", glaubt auch Sky-Experte Nico Rosberg. "Aber ich glaube, mental ist er nicht so gefestigt wie ein Piastri. Der hat mehr Selbstzweifel, das sagt er auch immer, dass er immer wieder mit der mentalen Gesundheit zu hadern hat und das zeigt sich dann auch in dem ein oder anderen kleinen Fehler. Das ist so ein bisschen seine Schwäche dann."
In dieser Annahme sieht sich der Formel-1-Weltmeister von 2016 auch nach dem Rennen in Singapur bestätigt, obwohl Norris das Rennen im überlegenen McLaren klar dominiert hat. Dennoch haben sich im Rennen mehrere Fehler eingestreut, die den Rennsieg hätten kosten können. Und auch im Qualifying blieb Norris nicht tadellos. Zwar reichte seine letzte Q3-Runde für die Poleposition, aber im McLaren hätte wohl noch Potenzial von bis zu einer halben Sekunde gesteckt, wenn man die Telemetriedaten heranzieht.
"Es hat mich ein bisschen verwirrt, was da los war, denn er hat zweimal die Mauer getroffen", so Rosberg. "Beide Male waren es wirklich schwere, fast rennentscheidende Momente, in denen er Glück hatte, nicht auszuscheiden. Er kam in einer Haarnadelkurve meilenweit von der Strecke ab, verbremste sich, aber wirklich nicht leicht, sondern massiv."
Rosberg: Solche Fehler machen Verstappen und Hamilton nicht
"Das andere Mal traf er auf die gleiche Mauer wie George Russell im letzten Jahr, als er in der letzten Runde des Rennens ausfiel. Und dann, als er von der Strecke abkam, als er einen Williams überrundete. Es gibt also drei Momente hier. Und das ist so seltsam."
"Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich ein Max Verstappen oder Lewis Hamilton gesehen habe, wie sie drei so große Fehler machten, wenn sie so komfortabel mit 30 Sekunden geführt haben. Ich weiß, dass Singapur hart ist, was die Konzentration und die Physis angeht, aber ich weiß nicht, woran es liegt, dass es so viele kleine Fehler gibt."
"Aber wir wissen, dass Lando dazu neigt, diese kleinen Fehler immer und überall zu machen. Wir haben das bei ihm gesehen und er muss das ausbügeln, wenn er dieses Jahr um die Meisterschaft kämpfen will", bilanziert Rosberg.
Glock: Hat Norris die Leichtigkeit verloren?
Timo Glock, ebenfalls Sky-Experte, glaubt, dass sich Norris jetzt zum ersten Mal in einer richtigen Drucksituation befindet, was die ganzen Fahrfehler erklären würde: "Wenn man zwei, drei Jahre zurückdenkt, da haben wir auch immer gesagt, der ist so locker, der nimmt das alles so easy. Jetzt ist er halt in der Situation, jetzt ist der Druck da."
"Natürlich ist es bei Oscar Piastri, der kommt sehr, sehr cool rüber und ist immer irgendwie entspannt, aber das meine ich, wäre auch ein Lando Norris vor ein paar Jahren gewesen, speziell in seinem zweiten Jahr und dritten Jahr. Und bei Oscar Piastri wird das auch irgendwann mal kommen, wenn er in die Situation kommt, um die WM zu fahren. Da wird er auch ein bisschen nervöser werden."
"Ich glaube, das ist normal, aber er muss einen Weg finden, diesen Druck zur Seite zu nehmen und das zu genießen, dass er momentan ein Auto zur Verfügung hat, mit dem er um die WM fahren kann."
Rosberg traut Norris Titel zu: "Chance ist auf jeden Fall da"
Rosberg glaubt jedenfalls, dass der 24-Jährge Brite den WM-Titel trotz des noch großen Rückstands holen kann: "Es ist ultimativ spannend, weil das Auto ist super, er fährt dominant. Und der Max, der hat seit Spanien kein Rennen mehr gewonnen und er tut sich ja zuletzt schwer, überhaupt in die Top 5 reinzufahren teilweise. Das ist ja unglaublich. Deswegen, die Chance ist auf jeden Fall da und das ist so spannend für uns."
Allerdings muss Norris dafür an den letzten sechs Rennwochenenden nahezu perfekt fahren. Zwar hatte er laut den Daten seit Miami das im Schnitt schnellere Auto als Max Verstappen, doch seitdem hat er an 13 Rennwochenenden genau so viele Punkte wie der Red-Bull-Pilot geholt, nämlich 221. Vor Miami betrug der WM-Rückstand auf Verstappen 52 Punkte, genau wie 13 Rennen später nach dem Grand Prix von Singapur.
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