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Force-India-Insolvenz: Was steckt dahinter, wie geht's weiter?

Force India ist insolvent, muss aber nicht zusperren: Wir erklären die komplexe wirtschaftliche Lage und wer das Team retten könnte

Dr. Vijay Mallya, Force India Formula One Team Owner

Foto: Manuel Goria / Motorsport Images

Es war Donnerstagabend vor dem Grand Prix von Ungarn, und bei Vijay Mallya glühte im britischen Exil das Telefon. Der Grund dafür waren Gespräche mit Lawrence Stroll. Der kanadische Milliardär, Vater von Williams-Fahrer Lance Stroll, hatte mit dem Gedanken gespielt, mit seinem Geld Force India zu retten. Doch als der Anruf beendet war, war Mallya klar, dass das jetzt "Game over" bedeutet.

Stroll hatte kalte Füße bekommen, seine Millionen und seinen Sohn von Williams zu Force India zu ziehen, weil ihm von seinen Rechtsanwälten erklärt wurde, dass es derzeit keine gute Idee sei, mit Mallya, gegen den von den indischen Behörden nach wie vor ermittelt wird, Geschäfte zu machen.

Keine 24 Stunden später war das Force-India-Team offiziell insolvent. Brockstone, eine mit Sergio Perez und dessen Manager Julian Jakobi in Verbindung stehende Firma, hatte beim High Court in London einen entsprechenden Antrag gestellt. Umgerechnet 4,6 Millionen Euro schuldet Force India dem mexikanischen Fahrer.

Perez behauptet, seine Intention sei nie gewesen, dem Team zu schaden - ganz im Gegenteil: Weil sein Insolvenzantrag angenommen wurde und unter der Kontrolle des Insolvenzverwalters FRP Advisory LLP (bekannt von der Manor-Insolvenz) ein neuer Investor gesucht werden kann, der bereit ist, die Schulden zu bezahlen, sei das die einzige Möglichkeit gewesen, das endgültige Aus für den Rennbetrieb zu verhindern.

Bereits vor Brockstone hatte das deutsche Unternehmen Formtech, geleitet von Franz Hilmer, eine sogenannte "winding-up order" (Auflösungsbeschluss) beim Gericht eingereicht. Formtech war mit Force India jahrelang geduldig, fordert nun aber Rückstände im Wert von rund zweieinhalb Millionen Euro ein.

Esteban Ocon, Force India VJM11, leads Sergio Perez, Force India VJM11

Esteban Ocon, Force India VJM11, leads Sergio Perez, Force India VJM11

Foto: Glenn Dunbar / LAT Images

Neben Hilmer gibt es noch andere Gläubiger, mit denen sich der Insolvenzverwalter nun auseinandersetzt. Bei Mercedes sind mehr als zehn Millionen Euro offen, bei Perez 4,6 Millionen. Dazu kommen einige kleinere Positionen, zum Beispiel bei der britischen Steuerbehörde. Und bei Hauptsponsor BWT.

BWT und Force India haben für die Saison 2018 einen Sponsoringdeal mit einem Volumen von angeblich 13 Millionen Euro vereinbart. Doch die Vereinbarung sieht vor, dass BWT im Gegenzug für die Werbeflächen nicht eine konventionelle Einmalzahlung leistet, sondern dem Team ein "Darlehen" zur Verfügung stellt. Die Darlehenssumme wird dann mit jedem absolvierten Grand Prix um rund 630.000 Euro reduziert, sodass am Ende der Saison eine Nullbalance erreicht ist.

Das bedeutet aber auch: Kann Force India die Saison nicht zu Ende fahren, steht BWT eine Rückzahlung von Teilen des Darlehens zu. Stand vergangener Woche waren das 6,3 Millionen Euro. Bei den Anteilseignern (42,5 Prozent Mallya, 42,5 Prozent Sahara, 15 Prozent Mol-Familie) sind weitere 180 Millionen Euro offen. Ob diese Darlehen zurückbezahlt werden müssen oder nicht, darüber entscheidet der Insolvenzverwalter.

Für externe Beobachter war es nur eine Frage der Zeit, bis Mallyas Kartenhaus in sich zusammenfällt. Für den indischen Tycoon kam die Insolvenz jedoch überraschend. Zumindest dann, wenn man seinen Aussagen in einem Anfang Juli geführten Interview mit 'Motorsport-Total.com' glaubt.

"Es gibt keine Verbindlichkeiten", hatte Mallya in dem Gespräch gesagt, und noch einmal explizit betont: "Wir haben keine Zahlungsrückstände gegenüber externen Partnern. Null." Ob das eine glatte Lüge war oder nur eine wohlmeinende Interpretation der Wahrheit, sei dahingestellt.

Gerüchte, wonach sich die behördlichen Ermittlungen gegen Mallya in Indien früher oder später auf das Formel-1-Team auswirken könnten, gab es schon lange. Von Force India wurden diese stets zurückgewiesen.

Noch im Juli hatte Mallya gesagt: "Die Schwierigkeiten, mit denen Sahara und ich konfrontiert werden, sind ja nicht neu. Die Situation ist nun schon seit drei Jahren so. Trotz all dieser Probleme wurden wir zweimal hintereinander Vierter in der Konstrukteurs-WM. Das zeigt doch, dass unser Ärger das Team null tangiert."

Welcher Investor Force India nun aus dem Insolvenzverfahren retten könnte, ist die wohl spannendste Frage, die in den nächsten Wochen geklärt werden muss. Am medienwirksamsten positioniert sich in dieser Hinsicht der britische Energydrink-Hersteller Rich Energy, der noch am Freitag auf Twitter das Deckblatt eines nicht zustande gekommenen Sponsorenvertrags gepostet hat.

 

Rich Energy wäre laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' bereit gewesen, insgesamt 33 Millionen Euro in das Team zu investieren. Vom Richter in London wurde dieses Angebot aber als nicht ausreichend eingestuft, um die Insolvenz abzuwenden.

William Storey, Geschäftsführer von Rich Energy, hat indes in einem exklusiven Interview mit unserem Schwesternsender 'Motorsport.tv' erstmals Details zu seinen Plänen für einen Formel-1-Einstieg bei Force India verraten.

Demnach besteht sein Konsortium aus "vier Milliardären", darunter die Eigentümer des Fußballklubs West Ham United, David Sullivan und David Gold. "Früher oder später", versichert Storey, werde Rich Energy in der Formel 1 auftauchen: "Wir haben das Geld dafür, das Geschäftsmodell und die Gründe. Wir haben sechs Monate lang daran gearbeitet, bei Force India einzusteigen. Das geben wir nicht über Nacht auf."

 

Neben Rich Energy gibt es zahlreiche weitere Interessenten. Zwei davon aus Nordamerika: Zum einen IndyCar-Teamchef Michael Andretti, der laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' Alexander Rossis Vater Pieter um sich geschart hat; zum anderen den Sportvermarkter Jeff Moorad, der sein Geld im Baseball verdient hat. Auch Dimitri Masepin, dem millionenschweren Vater von Testfahrer Nikita Masepin, wird Interesse nachgesagt.

Dann ist da noch, so hört man, Zoran Stefanovic, der sich bei solchen Gelegenheiten nahezu immer meldet, aber in der Branche schon lange nicht mehr ernst genommen wird. Und natürlich Stroll, der dem Vernehmen nach die Unterstützung von Mercedes und BWT hinter sich weiß und der auch seitens der bisherigen operativen Führung des Force-India-Teams ein gern gesehener neuer Chef wäre.

Stroll, zutiefst unzufrieden über die Entwicklung bei Williams, wuselt im Hintergrund schon seit Wochen bei Force India. Es heißt, dass er diesbezüglich in engem Kontakt mit Mercedes-Sportchef Toto Wolff steht - was die Brücke zu BWT schlagen würde. Im Fahrerlager wird gemunkelt, dass Wolff es war, der bei dem Sponsorendeal mit Force India vermittelt hat.

Wolff freilich lässt sich auf derartige Verschwörungstheorien nicht ein: "Das Team ist in Insolvenz, der Insolvenzverwalter hat übernommen. Es gibt fünf Bieter, und wir sind keiner davon. Wir sind nicht interessiert", stellt er klar. "Genau genommen sind wir einer der Gläubiger, einer der Lieferanten, die dem Team in den vergangenen Gott weiß wie vielen Jahren immer geholfen haben."

Andererseits macht der Österreicher keinen Hehl daraus, dass Force Indias Otmar Szafnauer gelegentlich bei ihm zu Hause in Oxford vorbeischaut, wenn er mit dem Hund Gassi geht, um gemeinsam zu frühstücken. Unwahrscheinlich, dass man sich bei diesen Treffen nur über das Wetter unterhalten hat ...

Stroll ist jedenfalls keiner, der halbe Sachen macht, um er hat die nötigen Mittel, um die Pläne für seinen Sohn auch durchzusetzen. Sollte sein Einstieg bei Force India nicht klappen, so hört man, dann würde er am liebsten einfach bis zu 40 Mitarbeiter abwerben und zu Williams lotsen - allen voran Szafnauer, mit dem er sich mutmaßlich mehrfach getroffen hat. Übrigens auch in Wolffs Beisein.

Als so gut wie sicher gilt, dass die derzeitigen Eigentümer in Zukunft keine Rolle mehr spielen werden. Sowohl Mallya als auch sein Partner Subrata Roy haben den Ruf - ob zurecht oder zu unrecht, sei dahingestellt - als zwielichtige Figuren, was vor allem für große Blue-Chip-Unternehmen ein Ausschlusskriterium ist, wenn es darum geht, mit Force India Deals abzuschließen.

Ein von Szafnauer geführtes und von Stroll finanziertes Team, unterstützt von Mercedes und BWT und mit Lance Stroll und Sergio Perez als Fahrern könnte schon viel eher ein zukunftsfähiges Szenario sein. Doch die Situation ist dynamisch, und aufgrund der Vielzahl komplexer Fragen, die beantwortet werden müssen, wird es wahrscheinlich Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis eine Lösung - welche auch immer - auf tragfähigen Beinen steht.

 

Für Mallya platzt damit ein Traum. Es ist gerade ein paar Wochen her, da ging er noch davon aus, "zwei schmerzhafte Jahre mit diesem unfairen und unausgewogenen Verteilungssystem überstehen" zu müssen, ehe er wieder den Thron als "King of Good Times" bestiegen hätte: "Ab 2021", sagte er in unserem Interview in Silverstone, "sollte sich die Lage beruhigen. Wir können uns sehr auf diese neue Verteilung der Preisgelder freuen."

"Es gibt Licht am Ende des Tunnels. Und jeder weitsichtige Käufer wird das auch erkannt haben. Mit deutlich mehr Einkünften steigt auch der Wert des Teams. Bis es soweit ist, sind wir es von unserer ganzen Kultur her schon gewohnt, mit einem engen Budget zu arbeiten und das Maximum aus diesen Gegebenheiten herauszuholen."

Vier Wochen später steht Force India unter der Kontrolle des Insolvenzverwalters. Und wahrscheinlicher als dass für Mallya ab 2021 in der Formel 1 die Kasse klingeln wird, ist ein Ende seiner schillernden Geschichte in Baracke 12 des Arthur-Road-Gefängnisses in Mumbai. Zumindest dann, wenn es nach den indischen Behörden geht ...

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