Formel-1-Antrieb der Zukunft: "Es gibt keine Patentlösung"
Hybrid, Elektro, vielleicht Wasserstoff, in jedem Fall umweltfreundlich: Die Diskussion um den Formel-1-Antrieb der Zukunft hat begonnen
"Um ehrlich zu sein: Wir wissen nicht notwendigerweise, wohin die Reise geht." Das sagt Formel-1-Sportchef Ross Brawn ganz offen. Und das bedeutet: Noch hat die Formel 1 keinen Plan, was auf die aktuellen V6-Turbo-Hybrid-Motoren folgen soll. Und die Debatte darüber wird schon jetzt durchaus hitzig geführt.
Da wären einerseits Puristen, die fordern, die Formel 1 müsse unbedingt weiter auf Verbrenner setzen. Andere wiederum meinen, die Formel 1 sollte sich gerade davon verabschieden. Was also tun, um einerseits relevant zu bleiben, andererseits möglichst wenige Fans zu verprellen? Keine einfache Aufgabe für Brawn und Co.
Der frühere Erfolgsteamchef setzt vorrangig auf die Politik, die eine Richtung vorgeben müsse. Allerdings glaubt Brawn nicht an den Elektroantrieb als Allheilmittel für die Zukunft: "Sich nur auf eine bestimmte Technologie einzuschießen, das ist primitiv. Für mich als Ingenieur ist das nicht stichhaltig."
Brawn setzt auf synthetischen Sprit
Für ihn sei unvorstellbar, "dass wir in 15 Jahren eine Infrastruktur haben sollen, die nur für Elektroautos geeignet ist", so Brawn weiter. Vielmehr seien die Regierungen gefordert, das "große Ganze" zu betrachten - "und den ökologischen Rucksack persönlicher Mobilität von A bis Z."
Er erwarte daher eine ehrliche Bestandsaufnahme und Lösungsansätze, ganz nach dem Motto: "Hier stehen wir heute, da wollen wir hin, also ist das die beste Lösung."
Eben diese "beste Lösung" für Gesellschaft und auch für die Formel 1 sei bisher jedoch nicht gefunden. Zumindest einen Ansatz aber hat Brawn bereits: synthetischen Sprit, also Kraftstoff, der nicht Erdöl als Rohstoff verbraucht, sondern zum Beispiel Erdgas oder Biomasse und damit - so die Theorie - umweltfreundlicher wäre als das aktuelle Benzin.
Die Formel 1 als "Katalysator"
Laut Brawn könne die Formel 1 genau hier ansetzen und eine Vorreiterrolle einnehmen. "Wenn wir Werbung machen für diese Technologie, dann kann die Formel 1 die entscheidende Triebfeder sein", meint Brawn.
Er sei davon überzeugt, dass die Industrie - allen voran die großen Ölkonzerne - mitziehen würde, "weil sie für die Zukunft alternative Einnahmequellen generieren müssen", so Brawn. "Wir als Formel 1 könnten der Katalysator dieser Entwicklung sein." Könnte, also Konjunktiv, weil beschlossen ist in dieser Hinsicht noch lange nichts.
Das liegt laut Formel-1-Boss Chase Carey auch daran, dass sich selbst die Expertenwelt uneins darin ist, was die beste Zukunftstaktik ist. Immerhin: "Die Mehrheit erkennt an, dass es eben keine Patentlösung gibt, sondern eine breite Palette an Lösungen."
Elektroantrieb nur "ein Teil" der Antwort
Carey stimmt mit Brawn überein, wenn er sagt, der Elektroantrieb könne nicht die einzige Antwort auf die Fragen der Zeit sein. Careys Einschätzung dazu: "[Der Elektroantrieb] wurde ein bisschen zur Wunderwaffe auserkoren, obwohl es damit durchaus Umweltprobleme gibt. Auch die Infrastruktur dahinter ist ein Fragezeichen, genauso die Kosten."
Elektrische Antriebe könnten seiner Meinung nach höchstens "ein Teil der Antwort sein", nicht aber die alleinige Antwort. Die müsse "größer ausfallen als das", sagt Carey weiter.
Aus seiner Sicht sei die Formel 1 bereits gut aufgestellt. Sie verfüge über einen Verbrennungsmotor und mache sich bereits Energierückgewinnung zunutze. Es brauche, so Carey, jetzt noch einen synthetischen Kraftstoff und "weitere Technologien", um eine Lösung der künftigen Antriebsfrage zu haben. Das alles ist aber kein Thema für 2021, wenn das neue Formel-1-Reglement greift, sondern erst für (ungefähr) 2025 und darüber hinaus.
Weitere Co-Autoren: Luke Smith. Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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