Formel-1-Fahrer überlegen: Strafen für "Gelbsünder" im Quali?
Vor allem auf Stadtkursen: Warum einige Formel-1-Fahrer Strafen für Kollegen befürworten, die im Qualifying Gelb- oder Rotphasen verursachen
Sollte Formel-1-Fahrern, die im Qualifying eine Gelb- oder Rotphase auslösen, eine Konsequenz drohen - ja oder nein? Diese Frage wird seit dem Grand Prix von Aserbaidschan 2022 in Baku kontrovers diskutiert im Fahrerlager. Und einige Protagonisten meinen: Wer vorsätzlich handelt, sollte in jedem Fall belangt werden.
McLaren-Fahrer Lando Norris etwa sagt: "Ich glaube, es gibt einen Unterschied, ob man es aus Versehen macht und anderen Leuten ausweicht oder ob man es ziemlich offensichtlich absichtlich macht."
Denn einen konkreten Vorfall hatte es in Baku gegeben: Alpine-Fahrer Fernando Alonso trödelte kurz vor Schluss in Q1 und rauschte dann auf seiner schnellen Runde noch in einen "Notausgang". Williams-Fahrer Alexander Albon, der hinter Alonso seine eigene Runde abbrechen musste, witterte sofort Absicht und forderte eine Strafe ein.
Auch Alonso findet: Da muss man was tun!
Selbst Alonso ist prinzipiell dafür, solche Situationen zu ahnden, verweist aber auf "Schwierigkeiten" in der Bewertung der entsprechenden Szenen und nennt als Beispiel den technischen Defekt von Haas-Fahrer Kevin Magnussen im Rennen. Magnussen stellte sein Auto bei Kurve 15 am Streckenrand ab.
"Parkst du dort oder vielleicht zehn Meter später, kommt vielleicht das Safety-Car raus. Und dann bestrafen wir den Haas-Fahrer, weil er sich vielleicht falsch entschieden hat [bei der Wahl des "Parkplatzes"]? Wir müssen also schon vorsichtig sein, wie wir mit solchen Dingen umgehen", sagt Alonso.
"Aber ja, ich stimme zu. Speziell im Qualifying sollte es anders sein. Wir müssen mit langsamen Runden umgehen, mit Minimalzeiten, mit Verkehr in den letzten Kurven, mit Windschatten oder ohne Windschatten. Da sollten wir clever sein und uns ein anderes Format im Qualifying ausdenken."
Was eine mögliche Konsequenz sein könnte
McLaren-Fahrer Daniel Ricciardo findet das Thema ebenfalls "schwierig" und meint: "Jeder Zwischenfall wird wahrscheinlich ein bisschen anders aussehen." Das erschwere die Beurteilung durch die Sportkommissare.
Aber: "Wenn es jetzt kein Totalschaden ist, sondern eher ein kleiner Verbremser oder ein Ausflug in den Notausgang oder so, dann denke ich, wir sollten vielleicht eine Strafe in Erwägung ziehen, wenn das Folgen hatte [für andere]. Vielleicht eine Zeit streichen. Das könnte eine gute Möglichkeit sein", sagt Ricciardo.
Norris hat allerdings einen Einwand: "Das sagt sich so leicht, bis man selbst derjenige ist, der einen Fehler macht. Dann wünscht man sich, die Regel wäre nie eingeführt worden, wenn einem einfach nur ein einfacher Fehler unterlaufen ist, wie mir bei meinem Dreher [im Qualifying] in Imola."
"Und klar: Diejenigen, die am lautesten [nach einer Regel] rufen, das sind die, die bisher noch keinen Fehler gemacht haben."
Ricciardo: Jeder spielt Spielchen
Laut Ricciardo bewegen sich die Formel-1-Fahrer ohnehin in einer Grauzone. "Wir alle spielen unsere Spielchen. Das wissen wir", so der McLaren-Mann. "Lewis [Hamilton] zum Beispiel hat versucht, uns kein DRS zu geben. Das ist Taktik, das ist Strategie. Und dann gibt es noch das, was Fernando gemacht hat."
"Vielleicht", sagt Ricciardo, "wäre es ein guter Ansatz, Runden zu streichen." Das hätte zumindest eine gewisse abschreckende Wirkung, glaubt Alpine-Fahrer Esteban Ocon. "Es wäre weniger leicht, ein Risiko einzugehen und im Notausgang zu landen. Ich wäre also definitiv dafür, [die Regeln] für Stadtkurse zu ändern."
Präzedenzfälle aus der Formel-1-Geschichte
Denn Präzedenzfälle gibt es einige, allen voran das "Parkmanöver" von Michael Schumacher 2006 in Monaco in der Rascasse-Kurve, als sein Ferrari die Strecke blockierte und weitere schnelle Runden seiner Konkurrenten verhinderte.
Oder wiederum Monaco: 2014 landete Nico Rosberg in der Mirabeau-Kurve im "Notausgang" und behinderte die Kollegen ebenfalls, ging allerdings straffrei aus.
Der Alonso-Zwischenfall in Baku 2022 war zwar kein Gegenstand einer offiziellen Untersuchung durch die Sportkommissare, aber eine informelle Untersuchung hat es offenbar doch gegeben: Alonso und Alpine-Sportchef Alan Permane haben am Sonntagmorgen bei den Kommissaren vorgesprochen, ebenso Teamchef Otmar Szafnauer.
Für die Regelhüter sind solche Situationen schwierig einzuordnen, zumal die Regeln viel Spielraum für Interpretation lassen. In Sachen "Notausgang" zum Beispiel heißt es: "Fahrer müssen jederzeit alle sinnvollen Maßnahmen ergreifen, um auf der Strecke zu bleiben. Sie dürfen nicht ohne triftigen Grund die Strecke verlassen." So ähnlich steht es auch noch einmal im Internationalen Sportkodex des Automobil-Weltverbands (FIA).
Theoretisch also haben die Sportkommissare die Möglichkeit, Rundenzeiten zu streichen, sollte einem Fahrer ein Fehlverhalten nachgewiesen werden. Womöglich wird die Regelgrundlage dazu schon bald verschärft. Das könnte durch die Eventnotes des Formel-1-Rennleiters oder in der Fahrerbesprechung nach dem Freitagstraining geschehen.
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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