Formel-1-Technik: "Unsichtbare" Entwicklung in der F1 2017
Motorhauben-Finnen und T-Flügel sind die großen Themen der Formel-1-Saison 2017. Doch es gibt auch andere Fahrzeug-Bereiche, die in diesem Jahr eine intensive Entwicklung erfahren, aber wesentlich weniger prominent zu sehen sind.
Foto: Sutton Images
Formel-1-Technik mit Giorgio Piola
Giorgio Piola analysiert und erklärt die Technik in der Formel 1!
Die Rede ist vom Unterboden der Formel-1-Autos. Denn vor allem am Heck der Fahrzeuge hat sich die Aerodynamik verändert, sodass die Techniker und Ingenieure alles dafür tun, um den Luftstrom dort noch besser zu führen und – natürlich – mehr Abtrieb zu erzeugen.
Was die Rennwagen der Formel-1-Saison 2017 von ihren Vorgängern übernommen haben, sind Schlitze und Löcher im Unterboden. Damit sollen die Luftverwirbelungen, die an den Rädern entstehen, minimiert werden. Denn die sich drehenden Räder drücken Luft unter das Auto. Und das kann die empfindliche Aerodynamik des Diffusors stören.
Unterschiedliche Lösungen
Es gibt 2 unterschiedliche Ansätze, um dieser Problematik zu begegnen. Lösung 1 versteht sich als Weiterentwicklung dessen, was bereits unter dem vorherigen Reglement zu sehen war. Lösung 2 ist allerdings vollkommen neu.
Haas F1 hat sich mit einem Design beschäftigt, das wir seit Jahren kennen. Dabei sind kleine Schlitze seitlich in den Unterboden geschnitten worden, sodass weiter innen ein Loch entsteht.
Zudem hat Haas den Rand des Unterbodens aufgewölbt – mehr als andere Teams. Diese Wölbung ist losgelöst vom eigentlichen Unterboden, damit die Luft darum herumströmen kann.
2 dreiecksförmige Streben auf dem Unterboden halten die Wölbung an Ort und Stelle. Sie dienen zugleich einem aerodynamischen Zweck, weil sie den Luftstrom, der über den Unterboden hinweggeht, gezielt lenken. Anschließend teilt sich der Luftstrom an der Kante der Wölbung und fließt über und unter dem Unterboden weiter.
Die 2. Designrichtung zeigen wir anhand des Toro Rosso STR12 auf. Das B-Team von Red Bull ist dafür bekannt, clevere Lösungen zu entwickeln, die anschließend auch von der Konkurrenz übernommen werden.
In diesem Fall hat sich Toro Rosso für ein komplett eingeschlossenes Loch im Unterboden entschieden. Es gibt keine Einschnitte, die dieses Loch mit dem Rand des Unterbodens verbinden würden, wie es bei Haas gemacht wurde. Die Techniker stützen sich auf eine Neuformulierung im Reglement, wo die neue Breite des Unterbodens festgehalten ist.
Demnach darf der Unterboden um jeweils 100 Millimeter pro Seite nach außen gezogen werden.
Artikel 3.7.9 sagt aber: Komplett umschlossene Löcher im Unterboden dürfen nur dann innerhalb der äußeren 100 Millimeter (gelb markiert) liegen, wenn sie zwischen 350 Millimeter vor dem Hinterrad und 450 Millimeter vor der Cockpit-Rückwand zu finden sind – und sofern sie den weiteren Unterboden-Vorgaben entsprechen. Letzteres ist der Grund, weshalb dieser Bereich über eine prominente Abschlusskante verfügt.
Andere Lösungen
Doch was Toro Rosso kann, kann Mercedes offenbar schon lange. Auch die Silberpfeile haben diese Idee von Anfang an verfolgt. Interessant: Beide Teams setzen in diesem Jahr zudem auf eine ähnliche Anordnung der oberen Querlenker an der Vorderachse.
Ein Design macht Schule
McLaren ist seit dem Grand Prix von China in Shanghai der 3. Rennstall, der ebenfalls ein Loch im Unterboden angebracht hat. Die Version des McLaren MCL32 geht in eine ähnliche Richtung und liegt ebenfalls 100 Millimeter innerhalb der Unterboden-Kante. Auch hier gibt es eine deutlich erkennbare Kante, wo der Unterboden aufgewölbt ist.
Bei McLaren wird jedoch eine längere Variante verwendet. Es wurde sogar ein Stück Metall in die Mitte der Vorrichtung eingebaut (roter Pfeil), um die Steifigkeit der Konstruktion sicherzustellen.
Red Bull geht seinen eigenen Weg
Während andere Teams mit Einschnitten und Löchern experimentieren, hat sich Red Bull Racing für eine weitere Möglichkeit entschieden: Sie schnitten einen gewissen Bereich komplett aus dem Unterboden heraus.
Apropos Red Bull Racing: Die Mannschaft war eines der letzten Formel-1-Teams, das 2012 auf Löcher im Unterboden setzte. Der Automobil-Weltverband (FIA) nahm damals jedoch Anstoß an diesen Löchern. Unter Druck der anderen Rennställe wurde ein Verbot erlassen. Löcher vor den Hinterrädern waren anschließend nicht mehr erlaubt.
Die neuen Regeln wiederum geben den Designern wieder mehr Freiheiten. Daher ist es nur wahrscheinlich, dass es in Zukunft wieder ähnliche Konstruktionen geben wird. Vor allem im Hinblick auf die zahlreichen Kerben und Einschnitte, die wir schon jetzt an den Unterböden sehen und die in den vergangenen Jahren immer häufiger auftraten.
Wieder was Neues – von Ferrari
Ferrari hat wie Red Bull Racing eine ganz eigene Interpretation und geht mit der Problematik ein bisschen anders um als die Konkurrenz. Die Lösung des italienischen Traditionsteams erinnert an die Version von Haas, doch der Unterboden ist in diesem Fall nicht ganz durchschnitten. Stattdessen versucht Ferrari, die Luft umzulenken, um die Leistung von Unterboden und Diffusor zu optimieren.
Dieser Bereich des Ferrari SF70H war zuletzt häufig Gegenstand von Diskussionen. Der Grund: TV-Aufnahmen zeigten, wie sich dieser Teilbereich des Unterbodens während der Fahrt verformte.
Natürlich kann kein Teil des Autos absolut unnachgiebig sein, denn sonst würde es unter Druck einfach nur brechen. Im Fall von Ferrari scheint das Element jedoch flexibler zu sein als es sein sollte. Ob Absicht oder unerwarteter Nebeneffekt – in Bahrain hat Ferrari kurzerhand eine Metallstrebe verbaut, um die Neukonstruktion stabiler zu machen.
Trotz der jüngsten Modifizierungen schien dieser Bereich auch beim Test nach dem Grand Prix von Bahrain noch zu flexibel zu sein (Bild oben). Sowohl vorn als auch hinten am Unterboden wurden erhebliche Bewegungen registriert.
Ein weiterer Entwicklungsbereich, den die Teams unterschiedlich stark nutzen, ist die Stelle unterhalb des Chassis und vor den Seitenkästen. Dort wurden die Regeln gelockert, um den Teams mehr Spielraum bei der Gestaltung ihrer Luftabweiser zu geben. Doch nach und nach sind dort weitere Luftleitelemente aufgetaucht.
Im Prinzip handelt es sich dabei um Fortsetzungen der Splitter, die genau wie die äußeren Kanten des Unterbodens angeordnet sind. Mit diesen Elementen soll der Luftstrom beeinflusst werden, bevor er auf die nächste aerodynamische Oberfläche trifft.
Ferrari verfolgt mit seinem Ansatz das Ziel, Luft von unter dem Auto nach oben zu befördern. Die Luft soll seitlich am unteren Bereich des Seitenkastens vorbeifließen. Zu diesem Zweck wurde ein Loch in die Oberfläche eingelassen, wodurch die Luft nach oben strömen kann.
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