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Formel-1-Technik: Wie sich Force India zum Favoritenschreck gemausert hat

Der VJM09 war eine der Überraschungen der Formel-1-Saison 2016. Speziell seit dem Grand Prix von Spanien wuchs Force India mit diesem Auto über sich hinaus. Giorgio Piola und Matt Somerfield lüften die technischen Geheimnisse.

Sergio Perez, Sahara Force India F1 VJM09

Foto: XPB Images

Formel-1-Technik mit Giorgio Piola

Giorgio Piola analysiert und erklärt die Technik in der Formel 1!

Der Aufstieg, den Force India in der Formel-1-Saison 2016 hingelegt hat, lässt sich nicht allein auf Entscheidungen zurückführen, die in diesem Jahr getroffen wurden. Schon im Jahr 2015 wandte sich das Team vom eigenen Windkanal ab und begann stattdessen den Windkanal von Toyota in Köln zu nutzen.

Dieser Schachzug hat sich als entscheidend herausgestellt, denn der teameigene Windkanal arbeitete nur mit Automodellen in 50 Prozent Größe. Der Toyota-Windkanal nutzt jedoch die im Reglement festgeschriebene Maximalgröße für Automodelle im Windkanal (60 Prozent) voll aus.

Dennoch war man sich bei Force India darüber im Klaren, dass es Zeit brauchen würde, bis zählbare Ergebnisse auf der Rennstrecke kommen würden. Da der VJM08 für die Saison 2015 ursprünglich auf Basis eines kleineren Modells konzipiert und entwickelt wurde, war eine Übergangsphase nötig, um das Potenzial des Windkanalwechsels voll ausschöpfen zu können.

Einhergehend mit dem Umzug in den Toyota-Windkanal wurde bei Force India das CFD-Programm ausgebaut. Dadurch wurde die Korrelation zwischen den unterschiedlichen Simulationswerkzeugen einerseits und der realen Welt andererseits – sprich, der Rennstrecke – weiter verbessert.

Wurde der VJM08 auf 60-Proenzt-Größe optimiert, so war der VJM09 eine Evolution dessen. Mit diesem Auto war Force India erstmals in der Lage, in zuvor unangetastete Design-Bereiche vorzustoßen. Gleichzeitig konnte man in puncto technischer Entwicklung neue Richtungen einschlagen.

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil in diesem Zusammenhang war die Tatsache, dass man die aerodynamischen Inkonsistenzen, die durch die Verformung der Reifen hervorgerufen werden, noch besser als in der Vergangenheit eruieren und darauf reagieren konnte.

2015 and 2011 Force India brake calipers
Vergleich: Bremszangen am Force India VJM08 von 2015 und VJM03 von 2010

Illustration: Giorgio Piola

In einem 1. Schritt veränderte Force India die Vorderradbremse, und zwar schon für den Grand Prix von Spanien 2015. Dies hatte nicht nur mechanische, sondern auch aerodynamische Auswirkungen. Die Bremszange, die sich vorher an der Vorderseite befand (im Kreis der Force India VJM03 aus der Saison 2010), wanderte nach hinten. Dadurch wurde einerseits das Verhalten des Autos beim Bremsen beeinflusst. Zum anderen schaffte man Platz für aerodynamische Anbauteile.

Diese aerodynamischen Anbauteile an der Bremse – zusammenfassend oft als sogenanntes "Crossover Pipework" bezeichnet – leiten die über den Hauptlufteinlass für die Bremskühlung eintreffende Luft durch das Radinnere und leiten sie über die Felge wieder ab. Dadurch werden die von den Reifen hervorgerufenen Turbulenzen verringert.

Force India VJM09 blown axle, airflow details
Force India VJM09: Angeblasene Vorderachse

Illustration: Giorgio Piola

Einhergehend mit der bereits bewährten anderen Platzierung der Bremszange entschied sich Force India beim VJM09 für die Saison 2016 dazu, das Prinzip einer angeblasenen Achse zu verfolgen. Dieser aerodynamische Kniff wurde in den Vorjahren bereits von Red Bull und anderen Teams angewandt.

Ziel ist es, die Vibrationen der Reifen noch besser zu kontrollieren, um die Luftturbulenzen vom Unterboden weglenken zu können. Zu diesem Zweck wird erneut Luft, die über den Hauptlufteinlass für die Bremskühlung einströmt, so durch die gesamte Rad-Brems-Einheit geleitet, dass die Vibrationen abnehmen.

Force India VJM08B nose cone, captioned
Force India VJM08B: Nase

Illustration: Giorgio Piola

Darüber hinaus weist der VJM09 die sogenannte Cobra-Nase auf, die erstmals im Zuge eines Update-Pakets (B-Version) für den VJM08 beim Grand Prix von Großbritannien 2015 zu sehen war. Dank dieser Lösung wird Luft durch die Öffnungen an der Oberseite der Nase geleitet, wodurch die aerodynamische Wirkung der Unterseite der Nase verbessert wird.

Zudem hielt man bei Force India auch an der im Formel-1-Fahrerlager weit verbreiteten Lösung eines S-Schachts fest. Dank dieses Kniffs sollten aerodynamische Ineffizienzen ausgeglichen werden, die durch die aggressive Auslegung der Regeln für Nase und Chassis überhaupt erst entstanden waren.

 

Force India VJM09 front wing
Force India VJM09: Frontflügel

Illustration: Giorgio Piola

Das Update-Paket, das Force India beim Grand Prix von Spanien 2016 auspackte, beinhaltete als Kernelement einen neuen Frontflügel. Dieser orientiert sich von der Philosophie her am Beispiel Mercedes. Der Tunnel (1) beginnt rund 50 Millimeter innerhalb der äußeren Endplatte. Nach hinten hin wird er größer, um die Luft zu kanalisieren und um die Vorderreifen herum zu leiten anstatt direkt auf diese treffen zu lassen.

Neben dem Tunnel befindet sich eine Platte (2), die die Verbindung zur äußeren Endplatte herstellt. Innerhalb der Kaskade wurde ein einzelnes vertikales Luftleitelement durch 2 Elemente ersetzt (3). Dahinter befinden sich 2 L-förmige Elemente (4), die an das Vorbild Red Bull erinnern.

Zwar war man bei Force India mit der Performance des Frontflügels zufrieden, doch die Formel 1 ist nun mal ein Prototypen-Sport, in dem die Entwicklung nie stillsteht. So wurde beim Grand Prix von Großbritannien eine leicht veränderte innere Platte (großer Kreis) präsentiert. Im Vergleich zur vorherigen Lösung (kleiner Kreis) wurde die nach außen hängende Fläche (jeweils gelb markiert) minimal vergrößert.

Diese beinahe nicht wahrnehmbare Veränderung hatte große Auswirkung auf die Gesamtperformance des Flügels. Schließlich spielt der Frontflügel nicht nur in puncto Generierung von Abtrieb an der Front des Autos eine extrem wichtige Rolle. Er ist auch ganz entscheidend verantwortlich dafür, wie der Rest des Autos aerodynamisch angeströmt wird. Der Frontflügel war ganz klar das Kernelement des Spanien-Updates, doch es wurde auch in anderen Bereichen des VJM09 nachgebessert.

Sahara Force India F1 VJM09 floor detail comparison
Force India F1 VJM09: Unterboden, Vergleich

Foto: Giorgio Piola

Der direkt vor den Hinterreifen liegende Bereich des Unterbodens hat sich im Laufe der zurückliegenden Jahre zu einer wahren Entwicklungsspielwiese entwickelt. So dienen Einschnitte in diesem Bereich des Unterbodens dazu, die Vibrationen der Hinterreifen zu verringern. Damit wiederum wird der Diffusor sauberer angeströmt, was der aerodynamischen Gesamtperformance des Autos, insbesondere des Hecks, zu Gute kommt.

Anzahl, Richtung und Form der Einschnitte im Unterboden ist entscheidend dafür, wie die Luft um die Hinterreifen gelenkt wird. Die ursprüngliche Lösung am Force India VJM09 war ein einfacher Einschnitt in Form eines L (links im Bild). Diese Variante wurde 4 Rennen lang gefahren, bevor sie beim Grand Prix von Spanien durch eine komplexere Variante (Bildmitte) abgelöst wurde. Erinnerungen an den McLaren-Honda MP4-30 aus der Saison 2015 wurden wach.

Doch die in Spanien präsentierte Lösung war bei Force India freilich eine kurzweilige. Denn schon beim nächsten Rennen, dem Grand Prix von Monaco, wurde wiederum eine andere Lösung (rechts im Bild) präsentiert. An dieser hielt das Team bis zum Saisonende fest. Getreu dem Vorbild anderer Teams setzte man auf zahlreiche einfache statt auf wenige komplexe Einschnitte. Am VJM09 waren es 16 Einschnitte.

Sahara Force India F1 VJM09 suspension detail comparison
Force India F1 VJM09: Hinterradaufhängung, Vergleich

Foto: Giorgio Piola

Was im Zuge des Spanien-Updates beinahe unterging, waren die Veränderungen an der Hinterradaufhängung des VJM09. Auch hier waren die Auswirkungen wieder sowohl hinsichtlich Mechanik als auch hinsichtlich Aerodynamik spürbar, wobei sich letztgenannter Punkt nicht allein auf die Radaufhängung beschränkte.

Das Getriebe bezieht Force India von Mercedes anstatt ein eigenes einzusetzen. Für das Team ist dies alles andere als eine neue Praktik, schließlich bezog man in der Vergangenheit bereits Getriebe von McLaren beziehungsweise von Ferrari.

Was auf dem Papier nach einer cleveren Kostensparmaßnahme aussieht, hat aber auch Nachteile. Mit dem Mercedes-Getriebe war Force India nämlich gezwungen, am VJM09 die Aufnahmepunkte für die Radaufhängung ganz ähnlich zu jenen des Mercedes F1 W07 zu platzieren.

Nun könnte man denken, dass es Schlechteres gibt als sich am anerkannt besten Auto im Feld zu orientieren. In puncto Kinematik entstanden für Force India daraus aber tatsächlich Nachteile. Während Mercedes eine extreme weiche Abstimmung der Hinterradaufhängung fährt, bevorzugt man bei Force India eine etwas härtere Abstimmung.

Das beim Grand Prix von Spanien eingeführte Update beinhaltete eine Neugestaltung der Querlenker. Einhergehend damit konnte auch die Verkleidung in diesem Bereich des Autos neu gestaltet werden. So war man dank des Updates in der Lage, eine ähnliche Lösung zu fahren wie sie Mercedes bereits seit Jahren fährt. Charakteristisch sind dabei die Bügel im Bereich eines kleineren Luftauslasses (blauer Pfeil).

Sahara Force India F1 VJM09 detail
Force India F1 VJM09: Heck

Foto: Giorgio Piola

Die erwähnten Bügel (hier grün eingefärbt) machen sich den Luftstrom rund um den sogenannten Colaflaschenhals zu Nutze und formen diesen Luftstrom zusätzlich. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass die Größe des Luftauslasses am hinteren Ende der Motorenabdeckung jeweils an die aktuell befahrene Strecke angepasst wird.

Auch der Heckflügel wurde im Zuge des Spanien-Updates überarbeitet. Dank einer neuen Geometrie des Hauptflügelelements (unten; grün eingefärbt) und des oberen Flaps (gelb markiert) wurde der Abtrieb bei gleichbleibendem Luftwiderstand erhöht.

Sahara Force India F1 VJM09 rear wing detail
Force India F1 VJM09: Heckflügel

Foto: Giorgio Piola

Unterm Strich war die Saison 2016 für Force India ein Triumphzug, der im besten Abschneiden in der Gesamtwertung mündete, seitdem das Team vor 8 Jahren gegründet wurde. Das Erfolgsgeheimnis bestand in der Kombination aus dem kalkulierten Risiko, in den Toyota-Windkanal umzuziehen, aus Ideen, die von anderen Teams bereits erfolgreich umgesetzt worden waren, und aus der Evolution des VJM08 aus der Saison 2015.

Hinsichtlich der Ressourcen war dieser Plan absolut fundiert, schließlich musste ein Großteil der Entwicklungsarbeit schon früh auf 2017 verlagert werden, um dem neuen Reglement Rechnung zu tragen. Somit bestand gerade für ein Team wie Force India wenig Sinn darin, für 2016 ein vom Konzept her komplett neues Auto auf die Beine zu stellen.

Williams, wo man die Ressourcen noch früher im Jahr auf 2017 verlagert hat, wurde von Force India in diesem Jahr überholt. Es wird interessant sein zu sehen, wie dieses Duell in der kommenden Saison ausgeht. Für den Moment jedenfalls hat Force India die Oberhand.

In dieser Animation werden einige der technischen Eigenheiten des Force India VJM09 erklärt, darunter auch einige der Updates, die es seit dem Grand Prix von Spanien gegeben hat.

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