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Interview

Interview: Was die Formel-1-Regeln 2022 für die Teams bedeuten

Alfa-Romeo-Technikchef Jan Monchaux erklärt im Interview, was sich 2022 für die Ingenieure ändert, und spricht über Neuzugang Valtteri Bottas

Jan Monchaux ist der Technische Direktor von Sauber Motorsport (Alfa Romeo) in der Formel 1. Der Franzose hat in Toulouse und London Aerodynamik studiert und begann seine Karriere in der Königsklasse 2002 bei Toyota. Von 2010 bis 2012 arbeitete er für Ferrari, ehe er 2013 zu Audi wechselte. Für Sauber ist er seit 2018 tätig; seit 2019 in seiner heutigen Funktion.

Im Interview spricht Monchaux über die besondere Herausforderung, die die Ingenieure mit dem Reformreglement für 2022 bewältigen müssen, und identifiziert Chancen und Risiken. Er erklärt, welche Auswirkungen die neue Handicapregel hat, die den schlechter platzierten Teams mehr Aeroressourcen zugesteht. Und er verrät, was sich sein Team und er von Neuzugang Valtteri Bottas erhoffen.

Frage: "Jan, Mattia Binotto hat kürzlich zugegeben, dass Ferrari im Bereich der Powerunit immer noch Rückstand auf Mercedes und Honda hat. Beeinflusst dieser Rückstand Ihren Kampf mit Williams?"

Jan Monchaux: "Sehr."

Frage: "Auf allen Strecken oder nur auf einigen wenigen?"

Monchaux: "Auf motorenlastigen Strecken natürlich mehr. In Monza oder Spa spüren wir den Rückstand viel mehr als auf anderen Strecken. Aber es ist, wie es ist, und wir müssen damit umgehen."

"Selbst wenn sie auf manchen Strecken wegen der Powerunit einen Vorteil haben, müssen wir mit ihnen kämpfen. Und wir haben schon oft gezeigt, dass wir das können, dass wir in Sachen schierer Performance vor ihnen liegen. Ich hoffe nur, dass der Rückstand nächstes Jahr kleiner wird. Im besten Fall haben wir gar keinen Rückstand mehr. Oder es dreht sich sogar in einen Vorsprung um."

Frage: "Im Hinblick auf 2022 sagen viele Ingenieure, dass die neuen Regeln sehr restriktiv sind. Finden Sie einen Bereich, wo Sie noch einen Unterschied machen können? Oder ist das unmöglich und es geht nur noch um die Details?"

Monchaux: "Sie sind schon sehr restriktiv, das stimmt. Ich rechne nicht damit, dass ein Team ein ganz ungewöhnliches Konzept entwickelt, denn die Regeln lassen nicht viel Freiraum."

"Aber die Rahmenbedingungen sind ganz anders als bei den aktuellen Autos, und ich gehe davon aus, dass die Teams, die jetzt vorn liegen, einen viel besseren Job machen können, die aerodynamische Plattform hinzukriegen und den verlorenen Anpressdruck und die verlorenen Stabilität zu kompensieren."

"Von dem her, was wir im Windkanal sehen, können einige Dinge, die ein Laie mit freiem Auge gar nicht erkennen kann, sich sehr auf die aerodynamische Form des Autos auswirken. Etwa wie es sich verhält, wenn es hoch oder niedrig eingestellt ist. Das wird sicherlich nächstes Jahr ein großer Faktor für große Abstände sein."

"Einige Teams werden falsch abgebogen sein und müssen zurückgehen, aber ich glaube nicht, dass die Geometrien unterschiedlich sein werden wie Tag und Nacht. Ich lasse mich überraschen. Die Zeit wird's zeigen."

Frage: "Wie viele Mannstunden hat Alfa Romeo investiert, um die neuen Regeln zu lesen?"

Monchaux: "Mehr als ich zugeben würde! Muss man aber auch, denn a) sind es neuen Regeln, und die muss man ..."

Frage: "... verstehen."

Monchaux: "Das ist wie bei einem Rechtsanwalt: Wenn du die Gesetze nicht kennst, kannst du nicht vor Gericht gehen. Es ist also entscheidend, dass die Kollegen, die das Auto entwickeln, die Regeln kennen. Je besser du die Regeln kennst, desto wahrscheinlicher, dass du die eine oder andere Brücke findest, die es dir erlaubt, ein Konzept zu bauen, das du für gut befindest."

"Vor allem im Bereich der Aerodynamik, hoffe ich zumindest, verbringen die Jungs jede Woche ein paar Stunden damit, die Regeln zu lesen und zu verstehen. Es geht darum, die Formulierungen ständig zu hinterfragen."

"Die Leute müssen verstehen: 'Wenn mir dieser Paragraf das vorschreibt, darf ich dann das tun oder nicht? Aber ich hätte gern diese Geometrie, und da gibt es einen anderen Paragrafen, der ein bisschen was anderes aussagt.' So bekommt der Ingenieur vielleicht doch die Lösung hin, die er für am besten hält."

"Um solche Chancen zu erkennen, musst du die Regeln in- und auswendig kennen. Es ist unglaublich, wie viel Zeit unsere Leute damit verbringen. Zumal die Regeln ja auch um etwa 50 Prozent mehr Wörter umfassen. Sie sind also sehr lang und komplex geworden. Umso wichtiger ist es, sich damit auszukennen."

"Ein guter Rechtsanwalt kriegt seinen Mandaten auch am ehesten dann aus dem Gefängnis raus, wenn er die Paragrafen gut kennt."

Frage: "Beim neuen Ferrari-Motor für nächstes Jahr wird erwartet, dass der höchste Punkt etwas tiefer wird. Bedeutet das einen aerodynamischen Vorteil?

Monchaux: "Ich weiß es nicht. Ich werde nicht bestätigen, was Sie über den 2022er-Motor gehört haben, aber ich kann sagen, dass der Motor hinter dem Chassis sitzt! So gesehen ist das keine dramatische Veränderung für uns."

"Gespannt bin ich darauf, wie die Teams die Motorabdeckung und die Seitenkästen lösen, denn das ist sicher ein Bereich, in dem es viele verschiedene Konzepte geben wird. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich im Windkanal herausstellt, dass diese Konzepte Auswirkungen auf den Motor haben, denn in der Entwicklung wird sehr oft der Aerodynamik Priorität eingeräumt."

"Wenn man also einen Teil der Motorarchitektur ändern muss, um Volumen für die Aerodynamik zu gewinnen, dann wirkt sich das natürlich aus. Ich kenne aber das Konzept unseres Lieferanten für nächstes Jahr nicht. Das teilen sie nicht mit uns, ich habe da keinen Zugang. Wir sehen auch nur das, was Sie sehen, nämlich dass Motorhaube und Seitenkasten ein bisschen anders aussieht als beim Rest des Feldes."

Frage: "Bleibt die Partnerschaft mit Ferrari unverändert, oder ändert sich daran was?"

Monchaux: "Bleibt sehr ähnlich. Es ist eine gute Zusammenarbeit. Es ist wie in einer Beziehung: Mit der Zeit versteht man einander besser. Es ist eine konstruktive Beziehung, auch wenn die Regeln sehr restriktiv sind. Manche Dinge teilen wir, andere nicht. Aber ich bin damit zufrieden, wie es ist."

Frage: "Sie haben Luca Furbatto im Sommer an Aston Martin verloren. Hat das Auswirkungen für 2022?"

Monchaux: "Er war in die ersten Schritte involviert, in das Makrolayout des Autos, in den ersten Monaten. Als er seinen Abschied bekannt gegeben hat, haben wir ihn natürlich zur Seite genommen. Das Auto hat sich seither stark verändert. Aber er kennt natürlich einige der Designprozesse in verschiedenen Bereichen des Autos."

Frage: "Sie werden nächstes Jahr mehr Windkanalstunden als andere Teams haben. So will es das Reglement. Wie groß ist dieser Vorteil?"

Monchaux: "Die Regel gilt schon dieses Jahr. Der Unterschied zwischen Platz sieben, acht, neun ist nicht groß. Aber wenn wir uns mit Platz eins, zwei, drei vergleichen, dann kann man den Unterschied nicht leugnen."

"Wenn man dann auch noch bedenkt, dass die, die um die WM kämpfen, ihre aktuellen Autos länger weiterentwickeln, dann bin ich sehr gespannt, wie gut es uns gelingt, den Abstand zu den Topteams nächstes Jahr zu verringern."

"Ja, das wird helfen, aber der große Schritt für 2022 passiert schon 2021. Die Teams, die vergangenes Jahr auf den Plätzen fünf bis zehn gelegen sind, sind gegenüber denen ganz vorn schon im Vorteil. Andererseits haben die Topteams die besten Methoden, und sie sind wahnsinnig starke Teams. Wahrscheinlich werden sie immer noch vorn bleiben. Aber die Regel hilft uns dabei, den Abstand zu verringern."

"Ich denke, dass sich dieses Konzept in den nächsten Jahren voll auswirken wird, wenn das Reglement stabil bleibt. Dann können Teams, die in der WM Achter sind, Neunter, Sechster, die können ein bisschen Geld ausgeben und dann vielleicht aufholen. Aber es ist keine BoP, sondern du musst schon selbst entwickeln."

"Aber die Regeln sind so restriktiv und die Topteams so professionell, dass du vielleicht nach dem ersten Jahr komplett neu anfangen musst, weil du eine Sekunde hinten bist. Und dann ist da noch die Budgetobergrenze. Es wird sehr schwierig, einen großen Rückstand aufzuholen. Aber dieses invertierte Leistungsprinzip wird für 2023 und 2024 sehr spannend. 2022, glaube ich, wird es sich noch nicht dramatisch auswirken."

Frage: "Wie wichtig ist es aus Teamsicht, einen Fahrer wie Valtteri Bottas zu haben, der von einem Topteam wie Mercedes kommt?"

Monchaux: "Das wird uns sicher sehr helfen. Schon bei der Vorbereitung eines Rennwochenendes, weil es immer interessant ist, einen Referenzpunkt zu kennen."

"Wir haben unsere Prozesse, wir wissen, wie wir Probleme lösen, aber es ist ziemlich klar, dass Teams wie Mercedes in manchen Dingen besser sind als wir. Da wird es interessant, seinen Input zu erhalten, wie wir uns verbessern können, wie wir das Qualifying am besten anpacken, wie wir uns am besten auf das Rennen vorbereiten. Davon werden wir sicher profitieren."

"Ein bisschen frischer Wind ist in einem Wettbewerbsumfeld von Zeit zu Zeit etwas Gutes. Mir ist es jedenfalls lieber, wenn ein Fahrer aus der Region des Starterfeldes kommt als aus der hinteren. Und mit dem Simulator kann er uns wahrscheinlich auch helfen. Dann können wir den Simulator auf natürlichere Weise in der Vorbereitung auf die Rennwochenenden einsetzen. Er ist sicherlich eine Bereicherung für uns. Wir sind sehr glücklich."

Frage: "Wie hart ist die Herausforderung mit dem neuen Auto? Die Technikabteilungen waren, solange ich mich erinnern kann, noch nie so gestresst. Ist das ein neues Niveau, das wir da erreichen?"

Monchaux: "Es ist schon eine große Veränderung auf Chassisseite, vielleicht die größte seit 2009. Wobei das auch gar nicht so extrem war damals. Aber ich beschwere mich nicht. Wir lieben das ja. In einem Bürojob würde mir langweilig werden."

"Hier gibt's halt viel zu tun. Wir wissen, dass das eine tolle Chance für Sauber ist. Das Team verdient mehr als den achten oder neunten Platz. Jetzt starten alle bei null, und wir hoffen, dass wir uns hoch positionieren können."

"Wie hoch? Werden wir sehen. Das motiviert. Es ist nicht schmerzhaft, weil wir das mögen. Und wir wissen: Wenn wir jetzt unsere Hausaufgaben machen und unsere Opfer bringen, dann werden wir nächstes Jahr vielleicht eine ganz andere Situation und ein ganz anderes Klima haben."

Dieses exklusive Interview ist zuerst am 16. September bei Motorsport.com Italien erschienen, einer unserer Schwesterplattformen im Motorsport Network.

Mit Bildmaterial von Motorsport Network.

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