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Interview

Juan Pablo Montoya: Sprintrennen sind für die Formel 1 der Weg in die Zukunft

Juan Pablo Montoya im ausführlichen Interview über die Lage von Formel 1 und IndyCar-Serie, über die Probleme für junge Nachwuchspiloten und über E-Sport

Thinking Forward

Interviewreihe #ThinkingForward mit Führungspersönlichkeiten aus dem internationalen Motorsport.

Juan Pablo Montoya mischte vor 20 Jahren die Formel 1 auf, ist IndyCar-Champion und Indy-500-Sieger, und ist auch heute noch bei IndyCar-Rennen sowie bei Langstreckenrennen, unter anderem den 24 Stunden von Le Mans, aktiv.

Während Sohn Sebastian Montoya in der Formel 4 in Italien und in Deutschland fährt, verbringt Juan Pablo heute einen Großteil seiner Zeit damit, über die Ausbildung junger Rennfahrer nachzudenken und darüber, wie sich der Motorsport anpassen muss, um jüngere Fans zu gewinnen. Er glaubt, dass E-Sport in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt und die Renngemeinschaft näher zusammenbringt.

In der jüngsten Episode unserer Interviewreihe #ThinkingForward gibt Juan Pablo Montoya seine Einschätzung zur Lage der Formel 1 und der IndyCar-Serie ab, und spricht aus dem Blickwinkel des Fahrers und Fahrercoachs über das Problem, dem sich heutige Nachwuchspiloten gegenübergestellt sehen. Außerdem erklärt er, warum E-Sport heutzutage kaum noch wegzudenken ist.

Frage: "Juan Pablo, lassen Sie uns mit den beiden Rennserien beginnen, mit denen Sie am engsten verbunden sind: Formel 1 und IndyCar. Was würden Sie sagen, in welchem Zustand sich diese Rennserien heute befinden?"

Juan Pablo Montoya: "Ich glaube, sie stehen richtig gut da. Die Formel 1 ist sehr interessant seit Liberty eingestiegen ist. Es gab eine Menge Veränderungen. Wenn man ins Fahrerlager geht, ist es ehrlich gesagt schockierend, wie viel angenehmer es heute im Vergleich zu früher ist."

Tischkicker im Fahrerlager

Das moderne F1-Fahrerlager unter Liberty Media (Foto: 2019) gefällt Montoya

Foto: Motorsport Images

Frage: "Sie meinen, weniger politisch?"

Montoya: "Es ist einfach netter, die Leute sind viel freundlicher. Es ist ein viel angenehmerer Ort geworden. Was IndyCar betrifft, so glaube ich, dass es richtig gut, dass Roger [Penske] voriges Jahr das Ruder übernommen hat. Das gilt ganz besonders vor dem Hintergrund der Pandemie. Wäre Roger nicht da gewesen, wäre die Rennserie in großer Gefahr gewesen. Roger besitzt eine große Leidenschaft für IndyCar, das Indy 500 und seine Traditionen. Er findet Wege, die Traditionen zu bewahren, Indianapolis aber noch besser zu machen. Rogers Liebe zum Detail ist unglaublich."

Formel 1 mit Sprintrennen auf dem richtigen Weg

Frage: "In der Formel 1 gibt es weitreichende Regeländerungen, um das Feld enger zusammenrücken zu lassen. Wir sprechen von Dingen, die man sich zu Ihrer Zeit niemals hätte vorstellen können, wie zum Beispiel, dass die Teams am hinteren Ende des Feldes mehr Zeit für die Entwicklung der Aerodynamik bekommen als sie den Topteams zusteht. Auch Budgetobergrenzen waren zu der Zeit, als Sie in der Formel 1 fuhren, nichts anderes als ein Traum. Jetzt sind und werden solche Dinge Realität. Glauben Sie, dass die Formel 1 damit auf dem richtigen Weg ist?"

Montoya: "Ja, so lange sie es kontrollieren können. Ich bin sicher, dass die Leute Schlupflöcher finden werden. Das ist immer so, aber mit der Zeit wird es besser werden. Die Topteams haben in Wahrheit kein Limit. Sie tun alles, was getan werden muss, um zu gewinnen. Dass alle näher zusammenrücken, wird sich positiv auf die Show auswirken. Ich glaube aber, dass die besseren Teams weiterhin gewinnen werden. Die Leute mit den besten Ideen werden wahrscheinlich sogar noch bessere Arbeit leisten, wenn man ihnen nur die Hälfte der Zeit gibt. Das ist das Problem."

Juan Pablo Montoya

Interlagos 2001: Im Williams-BMW beginnt Montoya als Rookie die F1 aufzumischen

Foto: Motorsport Images

"Es wird interessant sein zu sehen, wie es mit Liberty Media und der Formel 1 weitergeht. Man wird erkennen, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Leute kürzer wird. Man man kann also nicht darauf hoffen, dass sich die Leute hinsetzen und ein einziges Rennen über einen Zeitraum von zwei Stunden im Fernsehen anschauen. Leute wie wir, die den Sport lieben, tun das. Die jüngeren Generationen aber werden sich damit schwertun. Soweit ich weiß wird in der Formel 1 über Sprintrennen gesprochen. Das ist der Weg in die Zukunft."

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IndyCar fehlt heute das gewisse Etwas, aber ...

Frage: "Die IndyCar-Serie steht vor einer etwas anderen Herausforderung. Sie muss abwägen, wie man sich in Zukunft aufstellen will. Denn die DNS von IndyCar ist es, dass eine beliebige Anzahl von Fahrern um Siege kämpft und vorne mitfahren kann. Kleine Teams können mit den größeren Teams konkurrieren und in den Rennen geht es Rad an Rad zur Sache. Wie würden Sie das Produkt IndyCar gerne für die Zukunft weiterentwickeln?"

Juan Pablo Montoya in der CART-Saison 1999

1999 errang Montoya als Rookie bei Ganassi auf Anhieb den CART-Titel

Foto: Motorsport Images

Montoya: "Ich glaube, IndyCar ist auf dem richtigen Weg. Die zwei Aspekte, die im Mittelpunkt stehen, sind erstens die Hybridmotoren, die soweit ich weiß kommen werden. Zweitens geht es in Richtung wesentlich mehr Motorleistung. Ich finde, das ist in der IndyCar-Serie ein Muss."

"Eine der Hauptattraktionen der CART-Ära war doch die hohe Motorleistung. Heutzutage macht es zwar Spaß, das Auto zu fahren, aber es fehlt das gewisse Etwas eines IndyCars, bei dem man beim Gasgeben denkt: 'Oh mein Gott!'. Daher glaube ich, dass das definitiv helfen wird."

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Problem für heutige Nachwuchspiloten: Das Team gibt vor

Frage: "Ihr Sohn Sebastian fährt jetzt in der Formel 4 in Italien und Deutschland. Hat das Heranwachsen eines Kindes im Motorsport Ihre Sicht auf die Entwicklung junger Rennfahrer verändert?"

Montoya: "Es hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet, zum Beispiel, warum sich heutzutage viele der jüngeren Fahrer schwertun zu verstehen, was das Auto braucht. Auch tun sich sich schwer zu verstehen, in welche Richtung man ein Team vorantreiben muss. Warum? Weil sie schon im Kartsport ständig hören: 'Das ist eine Abstimmung. Du musst das Chassis so einstellen, denn so machen wir es.' Das ist wirklich eine schlechte Entwicklung. Für das Team ist es so natürlich der einfachste Weg, zu sagen: 'Junge, du bist das Problem, nicht das Auto.'"

"Das größte Problem dabei aber ist, dass es vielleicht ein richtig großes Talent gibt, das mit dem Auto nicht zurechtkommt. Würde man das Auto auf dieses Talent abstimmen, hätten wahrscheinlich alle anderen das Nachsehen. Aber mit dem, was man ihm gibt, wird sich nie Erfolg einstellen. Wenn man in die Spitzenklassen kommt, sieht man das. Ich habe in diesem Jahr IndyCar- und WEC-Testfahrten bestritten. Da wird das ganz deutlich.

Juan Pablo Montoya

Montoya bei IndyCar-Testfahrten 2021 für McLaren SP, sein Team für Indianapolis

Foto: IndyCar Series

"All die jungen Leute fahren das, was man ihnen gibt. Und sie fahren es ungeheuerlich. Aber als Team von dieser Basis aus Rennen zu gewinnen, wenn man gegen Teams wie Penske oder Ganassi oder Andretti antritt, ist verdammt schwierig. Diese Teams nämlich haben erfahrene Leute, die mit derselben Theorie aufgewachsen sind wie ich: Man muss es schaffen, dass sich das Auto besser fahren lässt. Die Leute, die es schaffen, das Auto fahrbarer zu machen, sind diejenigen, die die Rennen gewinnen."

Telemetrie vs. Videos: Wie Montoya über den Nachwuchs denkt

Frage: "Teenager von heute haben nie eine Welt kennengelernt, die nicht digital war. Sie haben nie eine Welt kennengelernt, in der es keine iPhones gab. Die Art und Weise, wie sie an Problemlösungen herangehen, ist eine ganz andere. Inwiefern zeigt sich das bei jungen Rennfahrern, wie etwa ihrem Sohn Sebastian oder anderen, denen Sie helfen?"

Montoya: "Es ist interessant, weil sie so jung sind und Daten und Telemetrie verstehen. Wenn man einem Zehn- oder Zwölfjährigen eine Datenaufzeichnung zeigt, versteht er sie. Sie wissen ganz genau, was sie da sehen. Das ist wirklich unglaublich. In meinem Fall war es so, dass ich 1995, als ich erstmals nach Europa kam, zum ersten Mal Datenaufzeichnungen gesehen habe. Ich war damals 20 Jahre alt. Es war eine ganz andere Zeit als heute."

Sebastian Montoya

Juan Pablo Montoyas Sohn Sebastian fährt in der Formel 4 für das Prema-Team

Foto: ADAC Formel 4

Frage: "Wie schaffen Sie es da, jungen Fahrern die Dinge beizubringen, die in Bezug auf die Physik des Autos, die Gewichtsverlagerung und so weiter wichtig sind?"

Montoya: "Ich bin ein großer Verfechter der Vereinfachung. Man sollte Dinge vereinfacht darstellen. Man muss den Hintergrund nicht kennen. Wenn man älter wird, fängt man an, die Physik zu verstehen. Wenn ich aber Zehnjährigen sage: 'Geh nicht so abrupt vom Gas, weil du damit das Gewicht auf die Vorderreifen verlagerst', dann interessiert sie das nicht. Sie müssen nur wissen: Wenn sie zu viel Gas wegnehmen, bricht das Ding aus und sie geraten in Schwierigkeiten."

"Ich finde, Videos sind da eine große Hilfe. Denn wenn die Leute zu jung sind und man ihnen die Telemetrie zeigt, sehen sie die zwar Geschwindigkeit und alles. Es ist aber sehr schwierig, die Telemetrie und die Geschwindigkeit mit einer bestimmten Stelle auf der Strecke in Beziehung zu setzen."

"Ich habe das schon immer gemacht. Ich kann mir die Telemetrie zwei Minuten lang anschauen und finde die gleichen Dinge, die ich finden würde, wenn ich eine Stunde damit verbringen würde. Für sie ist es ganz wichtig zu verstehen, um welchen Teil der Kurve es sich handelt und wie man es macht. Also schauen wir es uns an, damit sie es verstehen. Dann schauen wir uns das Video an und sagen: 'Hier liegt das Problem.' Das macht es viel einfacher."

E-Sport öffnet Türen, ist eine "gute Basis"

Frage: "Die andere Sache, die es jetzt im Gegensatz zu Ihrer Anfangszeit gibt, ist Gaming und E-Sport als eine eigene Plattform. Rennfahrer können heutzutage parallel eine ganze Karriere im E-Sport haben. Beispiele wie Lando [Norris] oder Max Verstappen zeigen das. Sie sind auf dem E-Sport-Sektor sehr aktiv, Fernando Alonso ist sehr aktiv. Das Ganze ist aber auch sehr attraktiv, um neue Talente im Rennsport zu finden und um neue Fans für den Rennsport zu begeistern. Wie bewerten Sie E-Sport?"

Montoya: "Ich glaube, dass E-Sport die Tür für jemanden öffnet, der nicht die Mittel hat, um Rennen zu fahren. Wenn man heutzutage ernsthaft Rennen fahren will, muss man viel Geld ausgeben. Für das Geld, das man für ein Kart-Rennen ausgibt, bekommt man wahrscheinlich den besten Simulator, den es gibt. Und von da an braucht man nichts anderes mehr."

"In einem Jahr gibt man vielleicht 100 Dollar für Spiele aus, kauft vielleicht ein paar weitere Strecken hinzu, aber das war's. Eine normale Familie, in der die Eltern von 9:00 bis 17:00 Uhr arbeiten, hat keine Zeit, die Kinder zu einer Kartbahn zu bringen. Womöglich glaubt man auch gar nicht, dass Motorsport eine Karriere ist. Für eine solche Familie ist E-Sport meiner Meinung nach ein guter Weg."

"Als Rennfahrer wird einem klar, wie viel Zeit man in einem Simulator verbringen muss, wie viel Hingabe man aufbringen muss und wie sehr ein Simulator den Kopf trainiert, um konstant zu sein und alles auf den Punkt genau so zu machen wie es gemacht werden muss. Einer der wichtigsten Dinge für Rennfahrer ist es, sicherzustellen, dass man alles richtig macht und man es wiederholen kann."

"Eine schnelle Runde zu fahren ist einfach. Über zehn Runden schnell zu sein ist schwieriger, weil deine Gedanken abschweifen. Du kommst an den Bremspunkt und denkst: 'Das war einfach. Vielleicht geht da noch ein bisschen mehr.' Dein Kopf fängt an, dir Streiche zu spielen, und dann passieren Fehler. Wenn du unter Druck stehst, suchst du immer danach, wo du mehr herausholen kannst. E-Sport ist eine gute Basis, um all das zu trainieren."

E-Sport: 24h Le Mans virtuell

Bei den virtuellen 24 Stunden von Le Mans griff auch Montoya ins Simulator-Lenkrad

Foto: Xynamic

Frage: "Sie haben im vergangenen Jahr während des Lockdowns viele dieser fantastischen virtuellen Events bestritten. Was mich sehr beeindruckt hat, waren die einzigartigen Umstände, wie etwa bei den virtuellen 24 Stunden von Le Mans. Es gab dort Fahrerkombinationen, die man in der realen Welt nie zusammenstellen könnte, weil ihre Teams es nicht erlauben würden. Hinzu kommen die Beziehungen, die man mit anderen Fahrern und auch mit Spielern und Fans aufbauen kann, nicht wahr?"

Montoya: "Was ich wirklich interessant fand: Dass man eine wirklich enge Beziehung zu vielen Fahrern aufbaut, die man vorher noch nie getroffen hat. Dann landet man in Chats mit ihnen und redet mit ihnen. Und dann trifft man sie im echten Leben und lacht darüber. Das ist wirklich klasse. Ich finde, es bringt die Rennsportgemeinschaft viel näher zusammen."

"Leute wie [Charles] Leclerc oder Lando [Norris] oder Max [Verstappen] sind eifrige Spieler. Und viele der jüngeren Leute fahren gegen sie und fangen dadurch an, Beziehungen zu diesen Jungs aufzubauen, die vielleicht ihre Helden sind, die sie aber sonst nie treffen würden. Somit wird der Rennsport für die Außenwelt viel zugänglicher."

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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