Kommentar: Traut Mercedes seinen F1-Junioren etwa nichts zu?
Beim Silberpfeil-Werksteam in der Formel 1 wird überraschend ein Platz frei, aber keiner der beiden Mercedes-Nachwuchspiloten Esteban Ocon oder Pascal Wehrlein kommt zum Zuge. Warum eigentlich nicht?
Esteban Ocon, Manor Racing MRT05; Pascal Wehrlein, Manor Racing MRT05
Pirelli
Formel 1 2017
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Diese Frage hat ihre Berechtigung. Schließlich hat Mercedes in den vergangenen Jahren viel in die Karrieren von Ocon und Wehrlein investiert: Wehrlein wird seit September 2014 gefördert, Ocon seit Mai 2015.
Mit Erfolg: Wehrlein schaffte nach dem Titelgewinn in der DTM 2015 direkt den Aufstieg in die Formel 1 und fuhr 2016 als Stammfahrer bei Mercedes-Kundenteam Manor.
Auch Ocon kam nach dem Titelgewinn in der GP3 2015 über die DTM in die Formel 1. Er wurde nach der Hälfte der DTM-Saison 2016 zu Wehrlein ins Manor-Team geholt.
Beide hatten bis zu ihren Premieren als Formel-1-Stammfahrer schon etliche Testkilometer in Formel-1-Autos absolviert, auch beim Mercedes-Werksteam.
Seit Herbst 2014 war Wehrlein sogar als offizieller Test- und Ersatzfahrer für den Silberpfeil-Rennstall tätig. Wäre ein Stammpilot ausgefallen, wäre Wehrlein nachgerückt.
Zudem hat Wehrlein 2016 am meisten Testrunden auf den neuen Pirelli-Breitreifen für die Formel-1-Saison 2017 zurückgelegt. Übrigens am Steuer eines Mercedes-Silberpfeils.
Doch all dies und die Erfahrung aus 9 (Ocon) beziehungsweise 21 Formel-1-Rennen (Wehrlein) reichte offenbar weder für den Franzosen noch den Deutschen aus, um sich für das 2. Cockpit im Mercedes-Werksteam zu qualifizieren, als dieses ganz plötzlich zu haben war.
Das ideale Szenario für den Aufstieg
Dabei hätte sich der Rücktritt von Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg doch ideal dazu nutzen lassen, einen Mercedes-Nachwuchspiloten nach ganz oben zu befördern – in das aktuelle Spitzenteam der Formel 1.
Besser kann die Werbung und die Rechtfertigung für das hauseigene Juniorprogramm doch gar nicht sein: In der Stunde der Not, da plötzlich ein Stammfahrer ersetzt werden muss, stehen gleich 2 junge Talente parat, um den frei gewordenen Platz einzunehmen. Ein Luxusproblem!
Man könnte Mercedes zur gezielten und erfolgreichen Nachwuchsförderung nur gratulieren.
Fragen über Fragen
So aber, wo Ocon bei Force India und Wehrlein bei Sauber untergebracht wurden und mit Valtteri Bottas ein "Außenstehender" von Williams zu Mercedes transferiert wird, stellen sich einige Fragen.
Hat Mercedes etwa kein Vertrauen in sein eigenes Juniorprogramm?
Wenn nicht jetzt, wann dann? Und was müssen Ocon und Wehrlein künftig tun, um für einen Platz im Mercedes-Werksteam in Frage zu kommen?
Denn das muss schließlich das Ziel für das Mercedes-Nachwuchsprogramm sein: einen der eigenen Junioren (oder beide) eines Tages ins Werksteam zu bringen. Um dann nach Möglichkeit auch noch große Erfolge zu erzielen. Gewissermaßen als Return on Investment.
Das Beispiel Red Bull
Red Bull hat es vorgemacht: Sebastian Vettel kam nach 25 Grands Prix für Toro Rosso zu Red Bull Racing und wurde später 4 Mal in Folge Formel-1-Weltmeister. Max Verstappen wechselte nach 24 Formel-1-Rennen ins A-Team und gewann auf Anhieb.
Was also ist es, das Mercedes vor einem solchen Szenario zurückschrecken lässt?
Sind Ocon und Wehrlein der Marke zu unerfahren? Und scheut man deshalb das "Risiko", ein eigenes Nachwuchstalent neben Hamilton zu setzen? Aus Angst, man könnte einmal nicht mit haushohem Vorsprung Formel-1-Weltmeister werden?
Oder hält Mercedes Ocon und Wehrlein schlicht für nicht gut genug, den Silberpfeil konkurrenzfähig zu bewegen und damit regelmäßig viele Punkte einzufahren?
Wie reagieren Ocon und Wehrlein?
Was auch immer der Grund für die Personalentscheidung pro Bottas und contra Ocon und Wehrlein ist: Beide Nachwuchspiloten werden bitter enttäuscht sein.
Und sowohl Ocon als auch Wehrlein werden in der Formel-1-Saison 2017 nach dem Motto "jetzt erst recht" beweisen wollen, dass sie die richtige Wahl gewesen wären.
Das zumindest klingt gut!
Der Kommentar von Mercedes-Sportchef Toto Wolff zur Personalsituation 2017 dagegen klingt leicht schräg, bedenkt man die Junioren-Politik der Marke: "Es ist für uns besonders erfreulich, dass sich unsere beiden Nachwuchsfahrer in diesem Jahr neuen Herausforderungen stellen können. Wir werden ihre Entwicklung genau verfolgen."
Und was dann?
Was, wenn sich Bottas in diesem Jahr an der Seite von Hamilton so gut schlägt, dass Mercedes ihn für 2018 behalten möchte und seinen aufstrebenden Junioren erneut kein Cockpit im Werksteam anbieten kann oder will?
Spätestens dann geraten Toto Wolff und Niki Lauda in Sachen Nachwuchsförderung in Erklärungsnot…
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