Kommentar: Haas-Einsatz ist Fluch und Segen zugleich für Oliver Bearman
Was das zweite Formel-1-Rennwochenende von Oliver Bearman als Ersatzmann für Kevin Magnussen bei Haas zu einer schwierigen Aufgabe macht
Oliver Bearman steht vor seinem zweiten Einsatz als Ersatzmann in der Formel 1. Nachdem er bereits im Frühjahr in Saudi-Arabien Carlos Sainz im Ferrari vertreten hat, darf er nun anstelle des gesperrten Kevin Magnussen für Haas fahren. Doch obwohl Bearman nun vorab alle Trainings absolvieren kann, wird sein neuerlicher Formel-1-Einsatz weitaus schwieriger als die Premiere.
Ganz unerwartet kommt es für ihn ja nicht: Magnussen lief schon seit geraumer Zeit Gefahr, für zu viele Vergehen in den zurückliegenden Monaten eine Strafe zu erhalten. In Monza war es soweit: Magnussen erhielt erneut Strafpunkte und erreichte damit die entscheidende Schwelle von zwölf Strafpunkten in den vergangenen zwölf Monaten. Das löste seine Rennsperre für den Aserbaidschan-Grand-Prix in Baku aus.
Im Prinzip war es also eine Frage der Zeit. Haas wusste nur nicht, wann genau die Strafe kommen würde.
Jetzt also Baku. Und dort gibt es interessante Gemeinsamkeiten zwischen Ferrari-Fahrer Charles Leclerc und Haas-Ersatzmann Bearman: Denn beide haben in Baku für das Prema-Team jeweils beide Formel-2-Rennen an einem Wochenende gewonnen. (Allerdings: Den Sieg im Sprintrennen verlor Leclerc 2017 nachträglich, weil er unter Gelb nicht ausreichend verzögert hatte.)
Über die Formel-2-Auftritte in Baku hinaus gibt es weitere Gemeinsamkeiten zwischen Leclerc und Bearman: Beide haben vor ihrer Beförderung in ein Formel-1-Stammcockpit einzelne Freitagstrainings für Haas bestritten. Von Bearman ist man im US-Team jedoch deutlich mehr angetan als 2016 von Leclerc.
Leclerc hatte schon damals das Gefühl, seine Formel-1-Einsätze seien eine Behinderung für seine eigentliche Mission in der GP3 (heute: Formel 3). Deshalb verzichtete Leclerc bis nach seinem Formel-2-Titelgewinn 2017 auf weitere Freitagsfahrten in der Formel 1.
Beim Saudi-Arabien-Grand-Prix 2024 in Dschidda kreuzten sich die Wege von Leclerc und Bearman bei Ferrari, weil Carlos Sainz mit Blinddarm-Beschwerden kurzfristig außen vor war. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem Ferrari bester Verfolger von Red Bull war. McLaren war schwach in die Saison gestartet, Mercedes und Aston Martin waren ebenfalls keine Gefahr für die Spitze. Das hat Bearman den Formel-1-Einstieg etwas erleichtert, was aber seine Leistung nicht schmälern soll.
Oliver Bearman, Charles Leclerc - die beiden Ferrari-Fahrer in Dschidda 2024 Foto: Motorsport Images
Sollte es Bearman also gelingen, für Haas in die Punkte zu fahren, wäre das ein großer Erfolg. Und darauf hat es Haas sicherlich abgesehen.
Bearman selbst sagt: "Wenn du nur eingeschränkt Vorbereitungszeit hast, ist es definitiv eine Herausforderung, als Ersatzfahrer einzuspringen. Immerhin habe ich das aber schon vor einigen Monaten bei Ferrari gemacht und kann auf diese Erfahrungen zurückgreifen. Ich hatte dieses Jahr auch bereits vier Freitagseinsätze im VF-24. Das wird mir zweifelsohne ebenfalls helfen, dieses Wochenende zu meistern."
Haas befinde sich derzeit "in guter Form", meint Bearman. "Ich werde mein Bestes geben, um gut vorbereitet zu sein. Mein Ziel ist, ein solides Wochenende in Aserbaidschan hinzulegen."
Für Haas ist Bearman als Baku-Spezialist natürlich ein Goldgriff. Außerdem kann der Engländer so weitere Erfahrungen in der Formel 1 machen, bevor er nächstes Jahr als Stammfahrer für Haas antritt. Zumal es manchen Spitzenfahrern aus den Nachwuchskategorien schwerfällt, im umkämpften Mittelfeld der Formel 1 Fuß zu fassen. Manche Nachwuchschampions etwa schafften es in der Formel 1 nie aufs Podium.
Bearman wiederum steht hoch im Kurs bei Haas, nicht zuletzt aufgrund seiner konstant guten Leistungen als Freitagsfahrer, ohne dabei unbedingt auf die eine schnelle Runde aus zu sein. Jetzt ist die Anforderung eine ganz andere: Bearman muss schnell sein, und das auf einem schwierigen Stadtkurs, und dieses Mal geht es um Punkte. Oder mindestens darum, Nico Hülkenberg beim Kampf um die Top 10 zu unterstützen.
Hier ist Magnussen in diesem Jahr ein paar Mal über das Limit hinausgeschossen, was ihm unterm Strich die aktuelle Rennsperre eingebracht hat. Nun muss sich Bearman beweisen."Oliver könnte keinen besseren Teamkollegen haben als Nico", meint Teamchef Ayao Komatsu. "Er dürfte eine gute Referenz für ihn darstellen."
Allerdings verlässt Hülkenberg Haas zum Saisonende 2024, statt ihm kommt Esteban Ocon von Alpine. Und es ist gut möglich, dass sich Ocon und Bearman als künftige Haas-Teamkollegen schon jetzt auf der Rennstrecke begegnen, vielleicht sogar im direkten Duell. Und das könnte - mit Blick auf 2025 - hochinteressant werden.Diese Story teilen oder speichern
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