Kommentar: Warum wir auf "Visa Cash App" und "Stake/Kick Sauber" pfeifen
Christian Nimmervoll erklärt, wie wir künftig mit den PR-Teamnamen umgehen werden, bei denen sich Dietrich Mateschitz wahrscheinlich im Grab umdrehen würde
Liebe Leserinnen und Leser,
Dietrich Mateschitz war ein Mann, der Formel 1 nicht nur des Geldes wegen gemacht hat, sondern mit Herzblut. Und dem nicht egal war, wie seine Autos und sein Team ausgesehen haben. Den roten Bullen für das Design des ersten Toro Rosso nach der Übernahme des Teams von Giancarlo Minardi hat zum Beispiel der österreichische Bildhauer Jos Pirkner entworfen. Ästhetik spielte bei allem, was Mateschitz tat, immer eine große Rolle.
Mir hat dieser Tage jemand gesagt, dass Name und Design des "Visa Cash App RB Formula One Team" (Ich weigere mich, diesen Namen ohne Anführungszeichen zu verwenden!) Mateschitz sicher nicht gefallen hätten. Und es gibt manche bei Red Bull in Österreich, die sagen: Das, was da passiert ist, ist ein Betriebsunfall, den man in Zukunft wieder korrigieren muss.
Tatsächlich haben sich viele Fans in den vergangenen Wochen über den Totalkommerz bei manchen Teamnamen lustig gemacht und diesen kritisiert. Und auch mir, als Purist, der mit der Formel 1 der 1980er-Jahre aufgewachsen ist, stehen die Haare zu Berge, wenn ich offizielle Namen lese wie eben "Visa Cash App RB Formula One Team" oder "Stake F1 Team Kick Sauber".
Aber, keine Sorge: Für uns heißen die beiden Teams in der redaktionellen Berichterstattung einfach "Racing Bulls" und "Sauber", und in dieser Kolumne erkläre ich euch gern wieso.
Ferrari hieß schon in den 1990er-Jahren "Scuderia Ferrari Marlboro", aber kann sich irgendjemand dran erinnern, dass Heiko Waßer auf RTL das Team je anders genannt hätte als "Ferrari"? Eben. Ausschlaggebend dafür, wie Medien die Teams bezeichnet haben, war schon immer die Nennung des Konstrukteurs.
Oder, auf das heutige Entry-List-Format der FIA gemünzt, der Spalte "Name des Chassis". Da steht bei Mercedes einfach Mercedes und nicht "Mercedes-AMG PETRONAS Formula One Team", und bei Ferrari steht einfach Ferrari und nicht "Scuderia Ferrari". Und so weiter.
Aston Martin will uns auch in der Bezeichnung des Chassisherstellers seit einiger Zeit Sponsor Aramco unterjubeln, aber Sponsorenbezeichnungen bei "Name des Chassis" haben wir entschieden getrost zu ignorieren, solange der genannte Sponsor nicht gleichzeitig auch Eigentümer des Rennstalls ist.
Sauber hat das in den vergangenen Jahren geschickt gespielt, denn unsere Schweizer Freunde haben das "Sauber" einfach komplett aus der Entry-List eliminiert und das Chassis als Alfa Romeo bei der FIA gemeldet. Also blieb uns gar nichts anderes übrig als das PR-Spielchen mitzuspielen.
Bei "Visa Cash App RB" ist das anders. "Visa Cash App RB" ist nämlich nur die hochoffizielle Bezeichnung des Teams, die kein Mensch verwendet. Das Chassis wurde einfach als "RB" bei der FIA gemeldet. Wahrscheinlich in der Hoffnung, dass die Medien nicht "RB" sagen würden, sondern den ganzen Namen der Sponsoren.
Doch "RB", das bringt neben einer akuten Verwechslungsgefahr mit dem Schwesterteam Red Bull Racing auch mit sich, dass man die beiden Buchstaben unweigerlich mit der eigentlichen Identität des Rennstalls aus Faenza in Verbindung bringt, wie sie bei der FIA als Firmenname gemeldet ist: Racing Bulls.
Das, könnte ich mir gut vorstellen, hätte Mateschitz schon eher gefallen. Und das ist auch, wie wir bei Motorsport Network Deutschland (Infos über unsere Plattformen Motorsport-Total.com, Formel1.de und Motorsport.com gibt's übrigens hier!) das Team in Zukunft nennen werden.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Sauber, laut FIA-Chassisbezeichnung eigentlich "Kick Sauber", für uns aber nur schlicht und einfach Sauber. Und mit "Aston Martin Aramco" vs. Aston Martin.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Wir als Redaktion (und viele andere Redaktionen gehen mit dem Thema mutmaßlich ähnlich um) halten uns an solche Konventionen nicht, weil wir die Formel-1-Teams und ihre kommerziellen Ziele maximal bombardieren wollen.
Sondern weil Formel-1-Teams einen Wiedererkennungswert brauchen, mit dem sich die Fans (und die bezahlen den Spaß letztendlich, indem sie TV-Abos kaufen, überteuerte Eintrittskarten, Merchandise und die Produkte der Sponsoren) identifizieren können, die das Herz ihres Lieblingsteams ausmachen.
James Vowles, der noch relativ neue Teamchef von Williams, hat es kürzlich sehr gescheit auf den Punkt gebracht. Er wäre "ein Idiot", sagt er, wenn er den klingenden Namen Williams gegen den Namen eines Sponsors eintauschen würde. "Warum sollten wir? Das ist die ikonische Marke, die wir heute sind. Und das ist eine Stärke gegenüber so manch anderem Team."
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich habe bei "Williams" oder "McLaren" mehr Gänsehauteffekt als bei "Visa Cash App RB Formula One Team" oder "Stake F1 Team Kick Sauber". Und ich bleibe auch, das nur nebenbei bemerkt, trotzdem bei meiner Mastercard.
Das soll übrigens, und das ist mir ganz wichtig, keine Kritik an Peter Bayer und seinem Team sein. Bayer wurde beauftragt, dass das zweite Red-Bull-Team weniger Geld kosten oder im besten Fall sogar Geld verdienen soll. Und den roten Bullen von Jos Pirkner hätte er schlecht an zahlungskräftige Partner wie Visa, Cash App oder Hugo Boss verkaufen können.
Aber vielleicht gibt's ja einen Weg, wie die Formel 1 und ihre Teams auch in Zukunft ihre Identität und ihren Markenkern bewahren und trotzdem gutes Geld verdienen können. Ferrari zeigt ja vor, wie das gehen kann. Ferrari wäre heute nicht Ferrari, wenn der gute alte Enzo den Namen seiner Chassis' einst auf "Agip-Marlboro" geändert hätte. Und an der Börse wäre Ferrari sicher nicht einmal die Hälfte wert.
Manchmal ist die langfristige Identität einer Marke halt doch mehr wert als das schnelle Geld.
Euer
Christian Nimmervoll
Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.
Mit Bildmaterial von Racing Bulls.
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