McLaren: Unser Vorsprung ist nur bei viel Abtrieb so groß
Was McLaren-Teamchef Andrea Stella über die derzeitige Form seiner Mannschaft denkt und was das für die Endphase der Formel-1-Saison 2024 bedeuten kann
Lando Norris im McLaren MCL38 beim Formel-1-Rennen in Singapur 2024
Foto: LAT Images
McLaren ist das Team der Stunde in der Formel 1, mit vier Siegen aus den zurückliegenden sechs Grand Prix und als neuer Spitzenreiter in der Konstrukteurswertung. Doch nach dem dominanten Erfolg von Lando Norris in Singapur stapelt Teamchef Andrea Stella tief: McLaren sei längst nicht überall vorne.
"Wenn man sich die bisherigen Rennen ansieht: Wir scheinen vor allem auf Strecken mit viel Abtrieb sehr konkurrenzfähig zu sein. Es hat also vielleicht eher etwas mit dem Abtriebsniveau zu tun, als dass wir immer mehr und mehr aus dem Auto herausholen, denn wir haben in dieser Konfiguration ein durchaus starkes Auto."
Als Beispiele für Grands Prix, die zu dieser Beschreibung passen, nennt Stella die Rennen in Ungarn, in den Niederlanden und in Singapur. "Da scheint unser Auto die bessere aerodynamische Effizienz zu haben", erklärt er.
Und würde man den WM-Stand auf diese drei Grands Prix reduzieren, das Ergebnis würde Stellas Einschätzung stützen: Lando Norris wäre mit 69 Punkten aus drei Rennen der Tabellenführer vor seinem McLaren-Teamkollegen Oscar Piastri mit 52. Max Verstappen im Red Bull wäre Vierter mit 46 Punkten vor Charles Leclerc im Ferrari mit 37.
Auf Strecken mit weniger Abtrieb zeigt sich laut Stella aber ein anderes Bild. "Da sind Ferrari und Red Bull ähnlich effizient wie unser Auto." Spa und Monza fallen seiner Meinung nach in diese Kategorie.
Und tatsächlich präsentiert sich die fiktive WM-Tabelle für nur diese beiden Rennen etwas anders: Leclerc wäre vorne mit 40 Punkten vor Piastri mit 36, Lewis Hamilton im Mercedes mit 35, Norris mit 26 und Verstappen mit 20.
McLaren und die Entwicklungsfrage: Ja oder besser nein?
Weil aber bei den noch ausstehenden Rennen in der Formel-1-Saison 2024 fast immer viel Abtrieb gefragt ist, befindet sich McLaren in einer guten Ausgangsposition. Doch das wirft weitere Fragen auf. Zum Beispiel: Soll das Team seinen MCL38 belassen, wie er ist, oder doch die geplanten Updates einsetzen? Mit dem Risiko, sich dabei zu verlaufen, so wie das in diesem Jahr schon Ferrari, Mercedes und Red Bull passiert ist?
"Das habe ich mich nach dem Rennen in Singapur auch gefragt", sagt McLaren-Teamchef Stella. "Denn wir haben noch etwas in der Hinterhand. Aber wenn du eine solche Leistung auf die Strecke bringst, dann stimmt dich das immer vorsichtig, was die Weiterentwicklung anbelangt."
"Andererseits müssen wir Vertrauen haben in unsere Abläufe. Und wir haben uns die Zeit gelassen, um sicherzustellen, dass wir alles, was an die Strecke geht, gründlich überprüft haben. Dergleichen ändert also nicht unsere Pläne. Zumal du in der Formel 1 ohnehin kaum vom Gas gehen kannst. Denn das würde bedeuten, die anderen Teams könnten aufholen. Und du weißt ja nicht, was die anderen Teams vorhaben."
Erst das Rennen in Singapur habe wieder einmal bewiesen, wie schnell sich das Blatt wenden könne. "Red Bull war potenziell Zweitschnellster auf einer Strecke, auf der wir sie nicht so stark eingeschätzt hatten. Das Rennergebnis schmeichelt uns also ein bisschen", meint Stella. "Deshalb müssen wir weiter aggressiv vorgehen bei der Entwicklung."
Der Vorteil von einem großen Update-Paket
McLaren-Chefdesigner Rob Marshall ergänzt: "Natürlich ist es schön, immer wieder neue Kleinigkeiten zu haben. Aber manchmal ist es sinnvoll, Dinge zurückzuhalten, um dann auf einmal ein größeres Paket einzuführen. Der Vorteil davon ist: Diese Teile wurden im Zusammenspiel miteinander entwickelt. Du kannst dir sicherer sein, dass sie als Kombination funktionieren."
"Umgekehrt läufst du bei kleinen Updates Gefahr, dass du ein anderes kleines Update einführst, das aber die Funktionsweise des vorherigen Updates einschränkt."
Wie sehr muss sich McLaren auf die Favoritenrolle einstellen?
McLaren müsse aber nicht nur technisch nachlegen, sagt Stella. Denn weil sein Rennstall nun zu den Topteams zähle und an den Rennwochenenden als ein Favorit gehandelt werde, sei eine andere Herangehensweise erforderlich.
"Wir haben schon überlegt, ob wir unsere Abläufe verändern müssen, weil wir jetzt mehr Diskussionen haben, auch mit den Fahrern in Sachen interner Wettbewerb. Das war früher nicht notwendig. Aber auch strategisch gesehen: Müssen wir uns defensiv ausrichten, damit nicht wir als Erstes zucken, sondern das Auto auf P2 machen lassen, um dann zu reagieren?"
"Solche Szenarien sind uns nicht gut bekannt, aber wir lernen sie gerade kennen", erklärt Teamchef Stella. "Deshalb kann man sehr wohl sagen: Unser Team als Ganzes macht gerade eine Entwicklung durch, nicht nur die Fahrer."Diese Story teilen oder speichern
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