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Formel 1 Abu Dhabi

Fast 0,7 Sekunden fehlen: So erklärt Mercedes den Qualifying-Rückstand

Warum Mercedes im Formel-1-Qualifying in Abu Dhabi so viel Rückstand hatte auf Red Bull und wie sich die Fahrer Hamilton und Russell die Formschwankung erklären

Mercedes: Brasilien-Doppelsieg "war offensichtlich streckenspezifisch"

Der Mercedes-Doppelsieg in Brasilien ist noch keine Woche her. In Abu Dhabi aber sieht es nicht nach einer Wiederholung aus. Im Gegenteil: In der Qualifikation zum letzten Formel-1-Rennen des Jahres auf dem Yas Marina Circuit setzte es eine Niederlage für Mercedes. Dem Silberpfeil-Team fehlten fast sieben Zehntelsekunden auf die Bestzeit.

Mit einem Rückstand von 0,684 Sekunden kam Lewis Hamilton als der schnellere Mercedes-Fahrer auf den fünften Platz im Qualifying, George Russell belegte weitere 0,003 Sekunden dahinter den sechsten Platz. Beide Mercedes stehen damit hinter beiden Red Bull und beiden Ferrari in der Startaufstellung.

Wie sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff das erklärt? Er sagt bei 'Sky' England: "Ich glaube, wir haben es einfach nicht auf den Punkt gekriegt." Sein Team habe hin zum Qualifying womöglich "Rückschritte" gemacht und Ferrari "einen kleinen Schritt nach vorne", so denke er.

Passt die Abstimmung nicht bei Mercedes?

Vielleicht habe sich Mercedes mit der Abstimmung der beiden W13-Fahrzeuge auch selbst ein Ei gelegt. Wolff: "Damit wir am Sonntag ein gutes Rennauto haben, sind wir auf steile Flügel und viel Luftwiderstand gegangen. Damit aber waren wir einfach langsam auf den Geraden. Da ging nichts."

Für Hamilton ist das "ein bisschen eine Überraschung", wie er nach der Qualifikation erklärt. "Wir hatten nicht gedacht, hier acht Zehntel zurückzuliegen." Andererseits sei man bei Mercedes nach Brasilien auch nicht davon ausgegangen, in Abu Dhabi erneut vorne zu sein. Die Leistung dort sei "offensichtlich streckenspezifisch" gewesen, sagt Hamilton.

Lange Geraden schmecken dem Silberpfeil nicht

Der große Rückstand in Abu Dhabi sei auf die langen Geraden zurückzuführen. "Die machen sechs Zehntel aus", meint Hamilton.

Russell sieht es ähnlich: "Wir sind einfach nicht effizient genug. Jedes Mal, wenn wir auf eine solche Strecke kommen, wo du alle möglichen Kurven hast und lange Geraden, dann haben wir wirklich Probleme. Spa ist noch so ein Beispiel. Da verlieren wir so viel Speed im Vergleich zu Red Bull auf den Geraden."

Deshalb wird Wolff gefragt, ob sein Team nicht zumindest darüber nachgedacht habe, die beiden Autos unterschiedlich abgestimmt einzusetzen. Er bejaht und sagt: "Wir hatten aber die Vermutung, dass es besser wäre für den Sonntag, dann mehr Abtrieb zu haben, um die Reifen zu schonen. Also warten wir ab."

Russell glaubt: Mercedes hat keine Chance gegen Verstappen

Schwierig werde das Rennen ohnehin aus der Sicht von Mercedes. Laut Russell ist Max Verstappen im Red Bull "auf jeden Fall" außer Reichweite der Silberpfeile. Und ob es über die Distanz gegen Ferrari reicht?

Russell: "Unsere Pace schien am Freitag nicht so anders zu sein als die von Ferrari. Über eine Runde schienen wir am Freitag aber näher dran zu sein. Vielleicht hat sich Ferrari also etwas mehr gesteigert als wir. Andererseits wissen wir auch: Zum Rennen legen wir meistens etwas mehr zu als der Rest des Feldes."

Hamilton: Wieder das bekannte Bremsproblem

Allerdings hat Mercedes in Abu Dhabi einige zusätzliche Baustellen. Bei Hamilton zum Beispiel trat wieder ein Bremsproblem auf.

Es sei eine bekannte Fehlfunktion, die ihn "schon das ganze Jahr" begleite, sagt Hamilton. Er beschreibt das Phänomen so: "Die Bremsscheiben weisen eine unterschiedliche Temperatur auf. Wenn du also auf die Bremse gehst, dann zieht das Auto in eine Richtung."

Ganz ähnlich formuliert es Wolff: "Die Fahrer beginnen die Runde, aber die Bremsen verhalten sich nicht einheitlich. Sprich: Die linke Bremse macht nicht, was die rechte tut. Das macht das Auto nervös in der Bremszone."

Für Hamilton äußert sich das zum Beispiel in Kurve 5 in Abu Dhabi: "Das ist eine Linkskurve, aber das Auto zieht dort nach rechts. Das ist also nicht ideal."

Auch das Bouncing gibt sein Comeback im großen Stil

Außerdem tritt am Mercedes W13 verstärkt das sogenannte Bouncing auf, auch Porpoising genannt. Das Fahrzeug hüpft bei hoher Geschwindigkeit, die Luftführung am Unterboden arbeitet dann nicht konstant. "Das kostet uns definitiv viel Zeit", sagt Hamilton. Er fühle sich an "die Rennen vor Austin" erinnert. Es sei "nicht so einfach" unter diesen Umständen.

Laut Russell sind die Mercedes-Fahrer vor allem "in den schnellen Kurven" gehemmt. "Das ist nicht besonders angenehm. Und es hat wahrscheinlich dazu beigetragen, dass wir wieder weiter hinter Red Bull zurückliegen als bei den jüngsten beiden Rennen. Da gab es jeweils aber auch keine schnellen Kurven, daher auch kein Porpoising."

Oder ob Mercedes beim letzten Saisonrennen einfach mehr Risiko eingehe bei den Einstellungen der Fahrzeuge? "Möglich", meint Russell. "Aber: Wenn du in solchen Kurven Porpoising hast, so wie wir, dann hilft das nicht für die Rundenzeit. Du musst das Auto ans Limit bringen."

Lewis Hamilton im Mercedes W13 beim Formel-1-Rennen in Abu Dhabi 2022

Lewis Hamilton im Mercedes W13 beim Formel-1-Rennen in Abu Dhabi 2022

Foto: Motorsport Images

"Wir aber haben versucht, das Porpoising in den Kurven zu vermeiden, weil das Heck gehüpft ist und wir nur gerutscht sind auf den Reifen. Ich hoffe, das ist nächstes Jahr kein Thema mehr, aber bislang war es im Hintergrund immer da. Es tritt klarerweise noch immer auf. Daher ist es gut, dass die FIA da Änderungen umsetzt für das kommende Jahr."

Die Hausaufgaben-Liste für den Winter wird immer länger

Auch Mercedes hat einiges vor über den Winter. Das Beheben des Bremsproblems zum Beispiel werde ein "großes Thema" sein, sagt Teamchef Wolff. Hamilton pflichtet ihm da bei: "Das Bremsen und das Bouncing haben wahrscheinlich Priorität eins, der Luftwiderstand Priorität zwei oder ebenfalls noch Priorität eins. Wir haben dann noch eine Reihe anderer Themen."

Der nächstjährige Mercedes müsse insgesamt effizienter werden, ergänzt Russell, vor allem aerodynamisch. "Das müssen wir klarerweise verbessern für 2023, wenn wir ein Auto haben wollen, das über die Saison hinweg stärker sein soll", so meint er.

Hier und jetzt seien die Plätze fünf und sechs "ziemlich genau, wo wir mit unserem Auto stehen", sagt Russell weiter. "Wir waren etwas langsamer als gedacht oder erhofft. Aber wir haben eine gute Ausgangslage, damit wir am Sonntag um das Podium kämpfen können."

Hamilton scheint schon einen Schritt weiter zu denken: an die Winterpause. Darauf deutet sein Schlusssatz hin: "Ich freue mich auf das Ende am Sonntag."

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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