Hamilton & Mercedes staunen: 4 Gründe für die Wunder-Pole
Glück mit dem Wetter, Lewis Hamilton in Gala-Form und Ferraris Unvermögen sorgten für eine nicht für möglich gehaltene Wiederauferstehung der Silberpfeile im Formel-1-Qualifying in Malaysia.
Foto: Steve Etherington / Motorsport Images
In den Trainings zum Malaysia-Grand-Prix strauchelte Mercedes, und sah gegen Ferrari sowie Red Bull kein Land. Im Qualifying am Samstag war Lewis Hamilton aber wieder obenauf, mit der 70. Pole-Position seiner Karriere. 4 Faktoren bewirkten die Wiederauferstehung: Ein fahrerischer Geniestreich, Sebastian Vettels Aus in Q1, Kimi Räikkönens finaler Fahrfehler in der letzten Kurve und die niedrigeren Temperaturen in Sepang. "Warum es so ist, weiß keiner", wundert sich Niki Lauda.
Fakt ist: Das Thermometer zeigte 5 Grad Celsius weniger als im Abschlusstraining an, was den Mercedes 2,463 Sekunden schneller machte. Natürlich spielte auch das Aufdrehen des V6-Hybridantriebs eine Rolle. Doch alleine können Zusatz-PS für den Leistungssprung nicht verantwortlich gewesen sein. Toto Wolff kratzt sich am Kopf: "Ich bin auch überrascht", sagt der Sportchef. "Das muss uns mal einer erklären. Wir haben solche Schwankungen bei der Leistung der Reifen."
Wenn der Pneu im richtigen Temperaturbereich ist, ist der Silberpfeil eine Rakete. "Das Auto funktioniert wie auf Schienen", bestätigt Wolff. "Wenn du aber nicht im Fenster bist, ist das Fahrverhalten eine Katastrophe." Dabei ist nicht entscheidend, ob der Reifen zu kalt oder zu warm ist. Leistung geht gleichermaßen flöten. Dass es in Malaysia abkühlte und Wolken aufzogen (ergo heizte der Asphalt weniger auf), war ein Segen, weil das Überhitzen, das Mercedes 2017 so häufig bei sommerlichen Bedingungen plagt, wie weggeblasen war. "Details machen den Unterschied", weiß Wolff.
Hamilton wähnt sich fahrerisch auf höchstem Niveau
Mehr als eine Kleinigkeit war der Hamilton-Faktor, schließlich gab es an seinem 1. Versuch in Q3 nichts auszusetzen. 1:30,076 Minuten bedeuteten einen neuen Streckenrekord. "Wenn Lewis auf das Gaspedal tritt, dann richtig", schwärmt Lauda. "Ich denke, dass es hier mehr um den Fahrer als um das Auto geht." Hamilton räumt ein, mit der Fabelzeit nicht gerechnet zu haben: "Keine Ahnung, wo sie plötzlich herkam. Ich habe mich selbst überrascht. Es ist immer fantastisch, mehr aus dem Auto herauszuholen, als es eigentlich hergibt." Denn die Referenz lieferte der Teamkollege.
Valtteri Bottas ließ als 5. (+0,682 Sekunden) Federn. Problem: Der Finne hatte sein Pulver vor dem Showdown um die Pole-Position verschossen. "Bis Q2 lief es nicht schlecht, aber in Q3 konnte sich jeder verbessern. Ich nicht. Da hatte ich ein ganz anderes Auto als Lewis." Bottas dünkt, woran es lag: "Was die Abstimmung betrifft, war nicht vieles anders, das Aeropaket jedoch schon, welches wohl das bessere war." Er fuhr wie am Freitag mit einem Update, Hamilton mit alten Teilen.
Aerodynamik-Update gibt weiter Rätsel auf
Wolff schüttelt den Kopf, wenn es um Bottas' Erklärung für den Rückstand geht: "Ich halte es nicht für das Problem", meint er über das Malaysia-Update. Bei Hamilton wurde nach dem 3. Training vielmehr zurückgebaut, weil Mercedes ihm lieber eine gewohnte Abstimmung mit anderen Teilen geben wollte als die im Training verwendeten Komponenten mit einem neuen Setup.
Die 2. Variante hätte Eingewöhnungszeit benötigt. Außerdem wollten die Silberpfeile einen Vergleich der alten und der neuen Aerodynamik. "Die Antwort haben wir immer noch nicht", sagt Wolff. Lauda betont, dass für aussagekräftige Werte der gleiche Mann am Volant hätte sitzen müssen. Nicht ein wie entfesselt fahrender Hamilton in einem Auto und ein gehemmter Bottas im anderen. "Deshalb können wir es kaum identifizieren. Wir wissen nicht, was da los ist."
Rutschendes Auto im Rennen ein Problem?
Das Ende aller Ungewissheit bedeutet die Hamilton-Pole also nicht. Auch der Ausblick auf das Rennen bereitet Bauchschmerzen. Neben Räikkönen seien auch die Red-Bull-Fahrer Gegner, meint Sportchef Wolff. "Es ist schwierig", sagt er. "Nach dem Training hätte ich uns für die 3. Kraft gehalten. Da war es eindeutig. Bei den Longruns hat uns Ferrari eine Sekunde eingeschenkt, deswegen haben sie für mich das schnellste Auto. Nur wie es morgen läuft, ist wieder eine andere Frage."
Red-Bull-Berater Helmut Marko hat eine Mercedes-Schwachstelle ausgemacht – und klar, es geht um den Umgang mit den Pirelli-Reifen: "Wir haben gesehen, das Auto rutscht. Es kann auf die Renndistanz in Sachen Reifenverschleiß schwierig werden." Hamilton macht sich um das Problem weniger Gedanken und hofft, dass kleinere Veränderungen am Setup (die es offenbar doch gegeben hat) den Ausschlag geben. "Sie werden uns auf den Schlappen hängen", sagt er in Richtung der Konkurrenz. Umso wichtiger sei der Start, schließlich ist in Sepang der Weg 1. ersten Kurve ein weiter.
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