Norris lacht über Start-Misere: "Schon gewöhnt, dass es nach hinten geht"
Lando Norris gewinnt in Zandvoort: Obwohl der Start wieder nicht sitzt, ist McLarens Pace zu stark für die Konkurrenz - eine "Dominanz" sieht der WM-Zweite aber nicht
Strahlemann: McLaren-Pilot Lando Norris gewinnt am Sonntag in Zandvoort
Foto: Motorsport Motorsport
Ausgerechnet im Feindesland gelingt Lando Norris am Sonntag ein wichtiges Lebenszeichen im WM-Kampf gegen Red-Bull-Rivale Max Verstappen! Vor den Oranje-Fans in Zandvoort triumphiert nach 72 Runden der Mann in Papaya: Norris feiert seinen zweiten Grand-Prix-Sieg nach Miami im Mai.
Dabei geht der Tag einmal mehr schlecht los für den Briten, der wie so oft einen schwachen Start erwischt. Unglaublich: Auch bei seinem sechsten Start von der Pole (viermal im Rennen, zweimal im Sprint), schafft es Norris nicht, seine Führung zu verteidigen!
Doch diesmal lässt sich der McLaren-Star davon nicht beirren: "Nachdem ich es von der Linie weg in Kurve eins verloren habe, war ich überraschend ruhig. Vielleicht, weil ich schon ein bisschen daran gewöhnt bin, dass es am Start nach hinten geht", lacht Norris nach dem Rennen.
Von Ex-Formel1-Pilot und TV-Experte Martin Brundle gibt es dafür ein Extralob: "Er hat nicht den Kopf verloren, als er die Führung verloren hat. Stattdessen hat er sich darauf eingelassen, seine Reifen nicht überbeansprucht in diesen frühen Runden hinter Max", erklärt der Brite bei Sky.
Lob für Norris: "Ein Sieg wie aus dem Lehrbuch"
"Er hat dann einfach die Pace genutzt, die er hatte, in sehr reifer Art und Weise, und über die ganze Renndistanz", lobt Brundle, der sich beeindruckt zeigt: "Am Ende hat er dann auch noch die schnellste Runde rausgehauen. Abgesehen davon, dass er nicht als Erster in die erste Kurve ist, war es wirklich ein Formel-1-Sieg wie aus dem Lehrbuch."
Mit Blick auf den kleinen Schönheitsfehler am Start, erklärt Norris selbst: "Ich schon vorbereitet auf solche Szenarien, bin deshalb ruhig geblieben, und habe mir überlegt, was ich nun machen kann. Und das war, einfach nach vorne zu schauen. Also habe ich angefangen Reifen zu sparen, und zu sehen, welche Pace wir haben."
Da ist es schon wieder passiert: Norris verliert den Start, Verstappen zieht vorbei Foto: Motorsport Images
Damit macht Norris zwar den Führungsverlust zu Rennbeginn wett, dennoch sucht McLaren natürlich nach Lösungen für die anhaltende Misere auf den ersten Metern. Zwar scherzt Norris auf die Frage, was er und das Team beim Start besser machen könnten: "Keine durchdrehenden Räder haben."
Doch dem Briten ist durchaus bewusst, dass es ganz so einfach nicht ist: "Sonst hätte ich es ja besser gemacht", sagt Norris: "Wir wissen, worauf es ankommt, um einen perfekten Start zu praktizieren, aber da reden wir wirklich über kleinste Feinheiten."
Norris: McLaren-Pace "eine nette Überraschung"
Von einem generellen Problem bei seinem Team will er aber nichts wissen, obwohl auch Teamkollege Oscar Piastri am Sonntag nicht gut vom Fleck kommt: "Nur, weil wir es beide nicht gut hinbekommen haben, heißt das ja nicht, dass da eine größere Geschichte dahintersteckt, oder wir etwas klar fehleingeschätzt haben" Allerdings stimme es, dass die Starts noch nicht so gut seien, "wie wir sie brauchen".
"Es war wieder ein Rennen, das uns fast am Start entglitten ist, aber heute war trotzdem anders als all die andere Dinge, die schon passiert sind", verrät Norris, der sich selbst als schlechteren Starter einstuft als Stallgefährte Piastri, mit Blick auf die Startproblematik: "Gefühlt habe ich mich vom Prozedere her heute besser geschlagen, aber es ist trotzdem nicht die richtige Sache bei rausgekommen."
Gegen McLarens Pace war am Sonntag kein Kraut gewachsen: Norris jubelt Foto: Motorsport Images
"Als ich dann vorne war, war es ziemlich geradeaus, ich konnte ich pushen und hatte dabei das ganze Rennen gutes Vertrauen, konnte die Reifen etwas schonen, hatte einen guten Rhythmus", so der Brite, der nach der Führungsübernahme in Runde 18 nicht mehr in den Rückspiegel schaut: "Das Auto fühlte sich fantastisch an, wirklich großartig. Das hat mir das Leben natürlich leichter gemacht, also großer Dank ans Team."
Dass es schlussendlich so gut laufen würde, damit hatte der Tagessieger jedenfalls nicht gerechnet: "Nach gestern waren wir natürlich zuversichtlich, dass die Pace stark sein würde, weil unsere Longrun-Pace am Freitag sehr gut war. Aber da sind wir halt auch nur zehn oder elf Runden gefahren, da weiß man nicht, was bei einem Rennen über 72 Runden passiert."
Größter Vorsprung der Saison: Trotzdem keine Dominanz?
Deshalb stellt Norris mit Blick auf die Pace der Konkurrenz, allen voran von Verstappen, fest: "Es war nicht so, dass wir hierher kamen und dachten: Wir können ihn einfach auf der Strecke überholen und dann die Lücke auffahren." Ganz im Gegenteil: "Es war noch nicht oft, dass ich in Führung bin, die Dinge kontrollieren kann, und machen, was ich will", freut sich der McLaren-Star: "All das macht am Ende einfach einen großen Unterschied."
Am Sonntag beträgt dieser im Ziel satte 22,9 Sekunden, ist damit der größte Vorsprung eines Rennsiegers in dieser Saison - und gemeinsam mit der Tatsache, dass Norris auf über 40 Runden alten Reifen im letzten Umlauf mal eben die schnellste Rennrunde hinknallt, ein Beleg für McLarens aktuelle Dominanz in der Formel 1.
"Ja, zu einhundert Prozent", bestätigt am Sonntag auch Norris selbst, dass McLaren aktuell das schnellste Paket hat - allerdings will der Brite einordnen: "Heute, und eigentlich das ganze Wochenende, hatten wir das beste Auto. Im Schnitt hatten wir (auf die Saison bezogen) mit Sicherheit das beste Auto."
Norris crasht die Oranje-Party in Holland und schnappt Verstappen den Sieg weg Foto: Motorsport Images
Der Brite weist darauf hin: "Wir haben mehr Infos, sehen mehr als die Leute da draußen, deswegen können wir das auch mit mehr Fakten beurteilen als die Leute vorm TV." So lautet Norris' Fazit: "Im Schnitt hatten wir das beste Auto. Wir hätten als Team wahrscheinlich zwei bis drei Rennen mehr gewinnen sollen, aber das haben wir nicht, weil wir und ich keinen Job gemacht haben, der gut genug war."
Die Sommerpause zuletzt habe man nun aber genau dafür genützt, "um einen Schritt zurück, und einen Neustart zu machen". Was laut Norris aber nichts an der Tatsache ändert, dass man auch schon davor "ein großartiges Auto" gehabt habe. Mit den nun eingeführten Upgrades wurde allerdings die nächste Stufe gezündet - erfolgreich, wie der komfortable Sieg am Sonntag zeigt.
Erste große Upgrades seit Miami: McLaren noch stärker
Wie selbstbewusst McLaren derzeit wirklich ist, beweisen indes auch Norris' folgende Worte: "Ich habe das Gefühl, wir hätten dieses Wochenende auch ohne die Upgrades gewinnen können. Sie haben uns jetzt hier nicht plötzlich viel schneller gemacht", erklärt der WM-Zweite nach der Zieldurchfahrt.
Als Kritik am Team will er das jedoch keinesfalls verstanden wissen, ganz im Gegenteil: "Die Upgrades, die wir gebracht haben, haben uns jedes Mal geholfen. Es ist nicht so, dass wir etwas gebracht haben, und das dann infrage gestellt haben. Wir haben es gebracht, und es hat getan, was es tun sollte", lobt der 24-Jährige - genauso wie die Tatsache, dass McLaren seiner Meinung dabei nach mit Bedacht vorgegangen sei.
"Wir haben uns Zeit gelassen, das war unser erstes Upgrade seit Miami. Ja, wir haben zwischendrin auch kleine Sachen gebracht, aber mehr kleine Stellschrauben, und nichts, was Performance bringt. Viele anderen haben das schon, da sind wir in gewisser Weise ein bisschen zurückgefallen in der Rangordnung, beim Liefern der Teile und dieser Upgrades, im Vergleich zu unseren Gegnern."
70 Punkte Rückstand: Geht da noch was in der WM für Norris? Foto: Motorsport Images
Am Ende seien es aber "die kleinen Dinge", die den Unterschied machen. "Und damit, wie sich das Auto heute angefühlt hat, bin ich sicher, dass wir einen Schritt nach vorne gemacht haben. Unser neuer Heckflügel zum Beispiel, hat mir heute wahrscheinlich geholfen, um an Max vorbeizukommen."
Allein: Es bleibt die Frage, wie realistisch es ist, dass Norris bei noch neun verbleibenden Rennen auch noch in der WM an Verstappen vorbeikommt? "Ich kämpfe ja schon das ganze Jahr lang um die Weltmeisterschaft, es ist nicht so, dass ich plötzlich eine Entscheidung treffen, oder etwas besser machen muss. Ich arbeite schon das ganze Jahr lang hart", winkt Norris ab.
"Aber ich bin immer noch 70 Punkte hinter Max. Es ist also ziemlich dumm, im Moment an irgendetwas (in Richtung WM) zu denken", sagt der McLaren-Star: "Ich mache einfach, was ich tue. Es hat keinen Sinn, nach vorne zu schauen, und sich darüber Gedanken zu machen. Das interessiert mich im Moment nicht, ich konzentriere mich einfach Rennen für Rennen. Deswegen muss man mir diese Frage auch nicht jedes Wochenende stellen."Diese Story teilen oder speichern
Registrieren und Motorsport.com mit Adblocker genießen!
Von Formel 1 bis MotoGP berichten wir direkt aus dem Fahrerlager, denn wir lieben unseren Sport genau wie Du. Damit wir dir unseren Fachjournalismus weiterhin bieten können, verwendet unsere Website Cookies. Dadurch wird Dein Nutzererlebnis optimiert und die Werbung auf Deine Interessen zugeschnitten. Wir wollen dir aber natürlich trotzdem die Möglichkeit geben, eine werbefreie Website zu genießen.