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"Reifenflüsterer": Wie Lewis Hamilton in Portimao Valtteri Bottas zermürbt hat

Die Mercedes-Chefs zeigen sich beeindruckt von der Art und Weise, wie Hamilton sein Rennen in Portimao angelegt hat und dann zu Höchstform aufgelaufen ist

25,6 Sekunden hat Lewis Hamilton seinem Teamkollegen Valtteri Bottas beim Grand Prix von Portugal abgenommen, und das in nur 66 Runden. In der Fahrer-WM hat er nun 77 Punkte Vorsprung (ironischerweise ist 77 auch Bottas' Startnummer). Und bei Mercedes staunt man immer wieder aufs Neue darüber, zu welchen Höchstleistungen Hamilton fähig ist.

Dabei hatte das Rennen in Portimao nicht nach Wunsch begonnen. Hamilton fiel im Nieselregen der ersten Runden auf den P3 zurück. "Aber", sagt Toto Wolff bei 'Sky', "wir haben dieses Jahr schon ein paar Mal gesehen, dass er im richtigen Moment den Druck erhöht, und da war Valtteri dann von den Reifen her in einer schlechteren Position. Das macht er strategisch einfach sehr, sehr gut."

Hamilton schafft es nicht nur, seine Reifen ins optimale Betriebsfenster zu bringen und schnelle Rundenzeiten damit zu fahren. Sondern offensichtlich ist er auch besser darin als Bottas, den Performance-Abbau der Reifen in Grenzen zu halten. Portimao war diesbezüglich keine Premiere. Auch in Mugello hatte Hamilton das eindrucksvoll vor Augen geführt.

"Lewis gibt selbst zu, dass er bei den Bedingungen am Anfang ein bisschen vorsichtig war", sagt der leitende Renningenieur Andrew Shovlin. "Aber er wusste, dass er das Rennen in den Griff bekommen würde. Als er hinter Valtteri lag, konnte er eindeutig schneller fahren, und dann bekam Valtteri auch noch Schwierigkeiten mit den Reifen - schon ziemlich früh im ersten Stint."

Shovlin: Hamilton ist gar nicht voll gefahren

"Von da an hatte Valtteri das Gefühl, dass das Auto inkonstant wird, während Lewis plötzlich immer näherkam. Und als Valtteri Probleme mit der Balance bekam, ging Lewis an ihm vorbei. Danach hatte er alles unter Kontrolle. Sein Tempo war phasenweise unglaublich. Er hatte noch einiges in der Hinterhand. Beeindruckend, wie ruhig er unter solchen Bedingungen geblieben ist."

Das Argument, dass Bottas einen Nachteil hatte, weil von seinem Auto ein sogenanntes "Louvre-Panel" (Luftauslässe der Kühlung auf der Oberseite der Seitenkästen) weggeflogen war, ist übrigens nicht zulässig: "Da hat dann ein bisschen Klebeband geflattert", sagt Technikchef James Allison. "Das ist aber nur eine Kleinigkeit und hat nicht groß Performance gekostet."

Für Allison erklärt sich der Performance-Unterschied der beiden Mercedes-Fahrer in Portimao durch kleine Nuancen, die unter speziellen Bedingungen große Auswirkungen hatten: "Wenn die Reifen nur ein bisschen zu kalt sind, generierst du nicht so viel Grip, wie du möchtest. Dann ist natürlich auch deine Rundenzeit nicht so gut, wie du möchtest."

"Wenn es dir jetzt aber aufgrund deines individuellen Fahrstils oder wegen der Performance deines Autos gelingt, ein bisschen mehr Temperatur in die Reifen zu kommen, bedeutet das ein bisschen mehr Grip, und mit diesem bisschen mehr Grip kannst du ein bisschen schneller fahren. Ein bisschen schneller fahren bedeutet wiederum, dass du ein bisschen mehr Energie in die Reifen bekommst."

Auf den Spuren von Hülkenbergs Interlagos-Pole ...

Aus diesem Phänomen wird dann schnell eine positive Spirale, die aus geringfügigen Ausgangsunterschieden im Ergebnis riesige Unterschiede machen kann. Man denke etwa an Nico Hülkenbergs legendäre Pole-Position in Sao Paulo 2010 oder an die ersten Runden von Kimi Räikkönen und Carlos Sainz am vergangenen Wochenende.

Lewis Hamilton, Valtteri Bottas, Max Verstappen, Charles Leclerc, Sergio Perez

Am Start lag Lewis Hamilton noch in Führung, aber nur kurz ...

Foto: Motorsport Images

"Wir haben das am Start gesehen", sagt Allison, "als die hinteren Fahrzeuge später ihren Platz in der Startaufstellung einnahmen. Dadurch hatten sie ein paar Grad mehr Temperatur in ihren Reifen als die, die vorne schon ein bisschen länger standen." Genau dieses Phänomen habe beispielsweise die überragende erste Runde von Räikkönen (P16 auf Soft) begünstigt.

"Man sieht das am Start", erklärt Allison, "man sieht das aber auch immer wieder während eines Rennens. Als dann ein paar Runden gefahren waren, hatten unsere Autos mehr Temperatur in den Reifen, und dann kam die normale Performance zum Vorschein." Und ab dem Punkt, an dem Mercedes schnellere Rundenzeiten fuhr als die anderen, wurde aus der Negativ- eine Positivspirale.

Mercedes-intern entwickelte sich der Grand Prix zur klaren Sache. Hamilton ging in der 20. Runde an Bottas vorbei in Führung. Als er in Runde 40 von Medium auf Hard wechselte, betrug sein Vorsprung 9,9 Sekunden. Am Ende waren es 25,6. Erstens, weil Bottas ganz zum Schluss früher vom Gas ging als Hamilton. Zweitens, weil die ersten Runden des Stints aus seiner Sicht unglücklich verliefen.

Mercedes gibt zu: Bottas-Stopp schlecht getimt

"Wir hätten das Timing für seinen Boxenstopp besser planen können", gibt Allison zu. "Als er wieder auf die Strecke kam, steckte er mitten in einer Gruppe überrundeter Fahrzeuge." Bottas kam hinter Antonio Giovinazzi und George Russell auf die Strecke, und weil seine Reifen noch kalt waren, fiel er in der Out-Lap auch noch hinter Daniil Kwjat zurück. Am Ende der Runde lag er 11,3 Sekunden hinter Hamilton.

"Valtteri konnte nicht gleich nach dem Boxenstopp voll fahren und so seine Reifen ins Temperaturfenster bringen, die Hitze von den Heizdecken konservieren, sondern er musste erst einmal an langsameren Autos vorbei. Erst zwei, drei Runden später waren seine Reifen auf Temperatur, und dann waren seine Rundenzeiten auch gleich schnell wie die von Lewis."

Die Analyse der Rundenzeiten zeigt: Bottas ging in der 45. Runde endlich an Giovinazzi und Russell vorbei. Zu dem Zeitpunkt hatte er 14,2 Sekunden Rückstand auf Hamilton. Bis zur 55. Runde war der Abstand lediglich auf 15,0 Sekunden angewachsen. Von da an bauten Bottas' Reifen aber wieder schneller ab. In Runde 61 hatte er erstmals über 20 Sekunden Rückstand.

Hamiltons Erzählung, dass seine Qualitäten als "Reifenflüsterer" in Portimao mit einem anderen Set-up als Bottas zu tun hatten, relativiert Shovlin übrigens: "Sie fuhren mit den gleichen Flügeleinstellungen. Nur am Samstagmorgen probierten wir unterschiedliche Set-ups aus, weil wir das Wochenende mit einem leichteren Flügel begonnen hatten."

Steilere Flügel für Portimao-Bedingungen hilfreich

"Es war definitiv die richtige Entscheidung, die Flügel steiler zu stellen. Das Mehr an Downforce hat uns geholfen, und aus den paar Regentropfen hätte genauso gut ein richtiger Schauer werden können. Lewis meint glaube ich eher, dass es ihm gelungen ist, die Balance so zu nutzen, dass er die Reifen weder zu hart noch zu wenig hart rangenommen hat."

Auch Wolff ist beeindruckt: "Es ist nicht zum ersten Mal dieses Jahr so gewesen, dass Lewis' Performance im Verlauf des Wochenendes immer besser wurde. Er reflektiert viel, lernt viel, durchschaut die Reifen für das Rennen. Am Anfang hat er sich zurückgehalten, und dann steigerte er sich, als es drauf ankam. Da war sein Tempo dann unglaublich."

Bottas weiß, dass seine Chancen in der WM damit auf ein Minimum geschwunden sind. Aufgeben will er trotzdem nicht: "Ich will es ja gar nicht leicht haben. Meine Einstellung war immer, niemals aufzugeben. Es ist eine riesige Motivation, Lewis zu schlagen. Das ist natürlich schwierig, aber es ist möglich, und daran ziehe ich mich hoch."

"Aufzugeben wäre der größte Fehler. Du musst jedes Mal alles geben, aus jeder Situation das Beste machen. Ich bin jetzt 31, und ich habe das Gefühl, dass ich langsam meinen Peak erreiche. Ich bin noch nicht ganz da, aber hoffentlich bald. Ich habe ja noch ein paar Jahre vor mir und werde voll angreifen. Für mich ist das ganz simpel."

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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