Schnellste Rennrunde von Ricciardo in Singapur: Noch bleibt McLaren ruhig
McLaren wirft Red Bull kein böses Spiel im Poker um die schnellste Rennrunde beim Formel-1-Rennen in Singapur vor, doch ein Seitenhieb bleibt nicht aus
McLaren-Teamchef Andrea Stella und McLaren-CEO Zak Brown im Gespräch
Foto: Circuitpics.de Circuitpics.de
Die schnellste Rennrunde von Daniel Ricciardo beim Großen Preis von Singapur hat erneute Diskussionen entfacht, ob ein Unternehmen gleich zwei Teams in der Formel-1-Startaufstellung haben sollte, da dies nicht nur in politischen Belangen Vorteile mit sich bringt, sondern auch das Renngeschehen zugunsten des besseren Teams beeinflusst werden könnte.
Der Kampf in der Fahrerwertung zwischen Max Verstappen und Lando Norris spitzt sich immer weiter zu und lange sah es so aus, als würde der McLaren-Pilot in Singapur gleich acht Punkte auf den Niederländer gutmachen, ehe Red Bulls Schwesterteam Racing Bulls ihren Piloten Daniel Ricciardo am Ende des Rennens an die Box beorderte, um auf frischen Softs die schnellste Rennrunde zu schlagen, die vorher Norris gedreht hat.
Ricciardo brannte eine 1:34,486 in den Asphalt, womit er die McLaren-Zeit um rund eine halbe Sekunde unterbieten konnte. Da er das Rennen nicht in den Top 10 beendete, bekam der Australier keinen Extrapunkt, doch dieser wurde Lando Norris sowie McLaren in der Teamwertung abgezogen.
Racing Bulls: "Wollten Daniel einfach Respekt zollen"
Als Red-Bull-Teamchef Christian Horner gefragt wurde, ob die Entscheidung von oben gesteuert war, um Max Verstappen in der Fahrer-WM zu helfen, meint er: "Daniel wollte das Rennen natürlich mit einem Höhepunkt beenden. Da müsst ihr eher bei Racing Bulls fragen."
"Wir hatten einfach das Gefühl, dass es das Richtige war, ihm unter den gegebenen Umständen diese Chance zu geben", erklärte daraufhin Racing-Bulls-Teamchef Laurent Mekies nach dem Rennen die Entscheidung des Kommandostandes. "Wir wollten Daniel einfach Respekt zollen. Er hatte ein verrücktes Wochenende zu überstehen."
Und auch in der Pressemitteilung des Teams war die Rede, dass man Ricciardo bei seinem vermutlich letzten Rennen - mittlerweile ist der Rauswurf des Australiers offiziell -, auf einem Hoch aus der Formel 1 verabschieden wollte. Doch kann das die ganze Wahrheit sein?
Warum kam Sergio Perez nicht für die schnellste Runde rein?
Wenn man sich die Rennsituation anschaut, so kann man sich die Frage stellen, warum Red Bull Sergio Perez nicht wegen der schnellsten Runde an die Box geholt hat? Der Mexikaner lag auf Rang 10 in den Punkten, hätte mit einem zusätzlichen Stopp aber nur einen Zähler verloren.
Eine schnellste Rennrunde von Perez hätte aber bedeutet, dass McLaren den Bonuspunkt für die schnellste Runde verliert. Somit hätte sich die Differenz zwischen McLaren und Red Bull in der Team-WM nicht geändert. Zusätzlich hätte er aber auch Norris den Punkt für die Fahrerwertung wegnehmen können. Somit wäre eine Entscheidung, Perez am Ende des Rennens an die Box zu bringen nur logisch gewesen, gerade vor dem Hintergrund, dass der Mexikaner auch noch einen frischen Satz Soft-Reifen in der Hinterhand hatte.
"Ich weiß nicht, was da passiert ist", sagt Perez über einen möglichen Plan, auf die schnellste Rennrunde zu gehen. "Ich glaube, das Team hat darüber diskutiert. Wer hat es am Ende bekommen? [Daniel] Ja, also ich glaube, am Ende haben wir uns entschieden, so zu bleiben, wie es sowieso beschlossen war. Das Team hat darüber nachgedacht, aber am Ende ist es nicht dazu gekommen."
Da Perez schon überrundet wurde, hätte er am Ende seiner Runde 59 an die Box kommen müssen, um in Runde 61 - seiner letzten Rennrunde - die schnellste Runde fahren zu können. Ricciardo lag allerdings noch weiter zurück und kam schon im 58. Umlauf für neue Soft-Reifen an die Box. Der Reifenwechsel des Australiers kam damit zeitlich vor dem geplanten Stopp von Perez, woraufhin Red Bull es wahrscheinlich nicht mehr als nötig ansah, den 10. Platz herzugeben, da bereits ein anderer Fahrer auf die schnellste Rennrunde geht.
Entscheidet Ricciardos Runde über die Fahrer-WM?
"Ich denke, man muss wahrscheinlich alle Strategien spielen, die man hat", sagt Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf die Thematik angesprochen. "Ich glaube nicht, dass es ein schmutziges Spiel war, überhaupt nicht, es könnte auf einen Punkt hinauslaufen. Es ist im Rahmen des Reglements, die Fahrer waren nicht unfair zueinander. Ich denke, es geht nur darum, wer einen zusätzlichen Punkt holt. Keine große Sache."
Doch wie schätzt McLaren die Lage ein? Schließlich bedeutet die schnellste Rennrunde von Daniel Ricciardo in Singapur auch, dass Max Verstappen jetzt in jedem Rennen inklusive aller Sprints ein zweiter Platz hinter Lando Norris reichen würde, um Formel-1-Weltmeister zu werden. Dabei braucht er auch keine Bonuspunkte für die schnellste Rennrunde mehr. Wenn Norris den Bonuspunkt in Singapur aber behalten hätte, so hätte der Brite die WM noch in der eigenen Hand gehabt.
"Ich denke, wir müssen einfach härter arbeiten, um sicherzustellen, dass es nicht auf einen Punkt hinausläuft", sagt McLaren-Teamchef Andrea Stella. "Aber ich habe es nicht kommen sehen. Ich war ein wenig überrascht, dass die höchste Priorität der Racing Bulls in Singapur darin bestand, die schnellste Runde des Rennens zu fahren. Gleichzeitig habe ich viel Sympathie, Unterstützung und Freundschaft mit Daniel, dass ich mich einfach nur freue, dass er diese schnellste Runde zu seinen Rekorden hinzufügen kann."
Stella: "Finde es ein bisschen merkwürdig"
Und auch Lando Norris will nach dem Grand Prix von Singapur deswegen kein großes Fass aufmachen: "So ist es in der Formel 1 schon immer gewesen. Es gibt also nichts, worüber man sich beschweren könnte. Das ist nur logisch, ein kluger Schachzug von ihnen. Ich freue mich für Daniel. Und das war's schon."
Stella fügt hinzu: "Ich kenne die Fakten nicht. Ich habe nur gesehen, dass die Racing Bulls die schnellste Runde fahren wollten, und das haben sie auch geschafft. Aber hier von Sportsgeist und so weiter zu sprechen, halte ich für unangebracht. Ich denke also, wir müssen es für bare Münze nehmen. Sie haben einfach die schnellste Runde gedreht."
"Ich habe jetzt keine Elemente, um zu sagen, dass die Racing Bulls die schnellste Runde gefahren sind, um Red Bull zu unterstützen. Ich finde es nur ein bisschen ... wie soll ich sagen ... merkwürdig."
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