Sebastian Vettel: Fährt er nach dem Rücktritt weiter Autorennen?
Noch ist die Zukunft von Sebastian Vettel über Abu Dhabi hinaus nicht geklärt, doch was diese für ihn bereithält, weiß auch er selbst nicht - Angst vor dem Loch
Wie geht es für Sebastian Vettel nach seiner Formel-1-Karriere weiter? Fest steht nur, dass der Große Preis von Abu Dhabi im November das letzte Rennen des viermaligen Weltmeisters sein wird. Was danach kommt: offen.
Das Leben nach der Formel 1 ist eine Herausforderung, der sich jeder Fahrer früher oder später stellen muss. Manch einer verlässt sie in dem Wissen, dass er danach in einer anderen Serie fahren wird, andere rutschen in die Rolle als TV-Experte und wiederum andere setzen ihren Fokus auf ihre Kinder, die Anzeichen eines zukünftigen Weltmeisters zeigen.
Generell gilt, dass die meisten Fahrer ihr ganzes Leben lang so sehr in den Motorsport eingetaucht sind und so viel Zeit auf den Rennstrecken verbracht haben, dass es ihnen schwer fällt, sich weit von der ihnen vertrauten Welt zu entfernen.
Natürlich gibt es auch einige Ausnahmen: Carlos Reutemann ging in seiner argentinischen Heimat in die Politik, und Jody Scheckter baute in den USA ein Business-Imperium auf, bevor er sich in Großbritannien dem Farmleben widmete.
Leider durften wir nie erleben, was Ayrton Senna nach seinem Rücktritt gemacht hätte. Seine breiteren Interessen an karitativer Arbeit und an der Unterstützung der brasilianischen Jugend lassen jedoch vermuten, dass er auch abseits der Rennstrecke genügend Beschäftigung gefunden hätte, und diejenigen, die ihn gut kannten, dachten, er hätte Reutemann in die Politik folgen können.
Klar ist, dass Vettel keine Couch-Potato sein wird und auch nicht sinnlos an Rennstrecken herumlungern wird. Er ist ein Workaholic, der nicht lange stillsitzen kann. Und sein breites Interesse für Umwelt- und soziale Probleme dürften ihm einige Türen abseits des Rennsports eröffnen.
Bleibt Vettel dem Sport verbunden?
Sollte er sich doch dafür entscheiden, die Zelte zum Sport nicht abzubrechen, dann dürfte er auch nicht wenige Angebote von Teams und anderen Organisationen bekommen.
Wir können davon ausgehen, dass er wahrscheinlich nicht allzu begeistert sein wird, eine reine Botschafterrolle für einen Hersteller oder Sponsor zu übernehmen. Für Porsche oder Audi wäre er jedoch eine gute Management- oder Beraterpersönlichkeit, wenn er die Möglichkeit hätte, einen echten Beitrag zu leisten - auch wenn er sicher nicht 24 Wochenenden bei Rennen verbringen möchte.
Einige seiner Kollegen haben auch betont, dass sie ihn gerne weiter mit der Fahrervereinigung GPDA verbunden sehen würden, auch wenn diese mit Alexander Wurz bereits einen ehemaligen Formel-1-Piloten an der Spitze hat.
Am Donnerstag sagte Vettel noch kurz nach seiner Rücktrittsverkündung, dass er noch keine genauen Pläne habe: "So wie ich arbeite, freue ich mich immer auf das, was als nächstes kommt", sagt er. "Ich habe gesagt, dass das beste Rennen noch vor mir liegt, was man natürlich als Blödsinn bezeichnen kann. Wenn ich aufhöre, welches Rennen wird dann noch kommen, wenn du nicht mehr fährst?"
"Aber ich denke, ich beziehe mich auf ein größeres Bild, also im Leben", so Vettel. "Und ich denke, dass für jeden Sportler die größte Herausforderung auf uns wartet, wenn wir uns entscheiden, andere Dinge zu tun. Das ist es also, was mich erwartet."
Die Angst vor dem Loch
Obwohl er genügend Interesse von außen haben dürfte und auch den Wunsch verspürt, mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen, weiß Vettel auch, dass es nicht einfach sein wird, die Leere zu füllen, die die Formel 1 im Leben eines jeden pensionierten Fahrers hinterlässt.
"Um ehrlich zu sein, habe ich auch Angst vor dem, was kommt, denn es könnte ein Loch sein. Ich weiß nicht, wie tief es ist und ob ich da wieder herauskomme", gibt Vettel zu. "Aber ich denke, dass ich viel Unterstützung habe, viele Leute, die mir bisher geholfen haben und mir auch weiterhin helfen werden, mir eine Richtung geben und mich leiten."
"Und hoffentlich treffe ich auch in Zukunft die richtigen Entscheidungen, um mich weiterzuentwickeln und in zehn Jahren eine bessere Version von mir selbst zu sein", so der Deutsche.
Im Herzen ist Sebastian Vettel aber immer noch ein Rennfahrer, wie alle anderen Fahrer im Grid. Und er macht kein Geheimnis daraus, was er am meisten vermissen wird: "Der Kick beim Autofahren und das Adrenalin, das man beim Kämpfen auf der Strecke bekommt", sagt er. "Natürlich habe ich auch darüber nachgedacht, dass ich dazu nein sagen werde, und es gibt wohl nicht wirklich einen Ersatz."
Vettel deutet an: Rennen nur mit den Kindern
"Ich habe mir auch angeschaut, wie andere damit umgegangen sind, die versucht haben, vielleicht etwas anderes zu finden, das ihnen den Adrenalinstoß oder den Kick gibt."
Das werde bei ihm aber nach aktuellem Stand anders sein: "Das ist etwas, auf das man vorbereitet sein muss - und ich denke, ich bin so gut vorbereitet, wie ich es heute sein kann - um zu sagen, dass es weg ist, dass es nicht mehr da sein wird", so Vettel. Das kann man wohl so deuten, dass man den Deutschen im kommenden Jahr nicht im Auto sehen wird.
Sebastian Vettel, Aston Martin AMR22
Foto: Glenn Dunbar / Motorsport Images
Zumindest sagt er: "Wenn ich Rennen fahren will, dann habe ich meine Kinder, die jeden Tag mit irgendetwas gegen mich fahren wollen - in allen möglichen Dingen", sagt er. "Manche davon machen mir mehr Spaß, manche weniger!"
"Wenn ich Rennen fahren möchte, werde ich mir sicher etwas einfallen lassen können. Aber ja, ich denke, es wäre falsch, sich zurückzuziehen, wenn man weiß, dass man immer noch Rennen fahren will."
Kapitel endet nicht, weil schon ein neues offen ist
Ganz ausgeschlossen hat Vettel mit 35 aber nicht, dass er irgendwann in anderen Serien fahren wird. Zwar gibt es keine unmittelbaren Pläne, doch andere haben sich auch ein oder zwei Jahre Auszeit genommen, um dann in der WEC oder in Tourenwagen mit einem weniger anstrengenden Rennkalender zu fahren.
"Es wird mein letztes Rennen in der Formel 1 sein", sagt er auf die Frage, wie es nach Abu Dhabi weitergehen könnte. "Ich weiß es nicht. Natürlich ist es altersmäßig kein Problem, etwas anderes zu machen und weiter in der Formel 1 zu fahren. Das ist nicht die Grenze, die ich habe."
"Körperlich bin ich in großartiger Form und habe überhaupt keine Probleme, diese Autos zu fahren. In der Hinsicht hält mich nichts zurück", betont er. "Ich kann nicht ja und nicht nein sagen, weil ich gerade nur entschieden habe, dass dieses Kapitel endet."
"Ich sage nicht, dass dieses Kapitel endet, weil sich sofort ein weiteres öffnet und ich im kommenden Jahr ein anderes Auto fahren werde. Das ist nicht die Entscheidung, die ich getroffen habe", so Vettel. "Ich schaue auf eine große Veränderung, und wie ich damit umgehen werde, weiß ich eben nicht. Die Zeit wird es zeigen. Das ist die fairste Antwort, die ich im Moment geben kann."
Nicht nur Formel 1 fahren, um eine Bühne zu haben
Klar ist, dass Vettel seine Umweltthemen - wie etwa sein Bienenhotel - auf die eine oder andere Weise weiterführen wird. Allerdings ist ihm auch bewusst, dass er eine lautere Stimme hätte, wenn er ein aktiver Fahrer bleiben würde. Doch er ist bereit, sich mit diesem geringeren Profil abzufinden.
"Ich denke, es wäre die falsche Motivation, das zu tun, was ich immer getan habe, nämlich wettbewerbsorientiert zu sein und zu gewinnen, nur um meine Meinung zu bestimmten Themen zu äußern. Ich glaube, das wäre der falsche Motivator", sagt er.
"Natürlich habe ich auch daran gedacht", gibt er zu. "Vielleicht werde ich Stimme und Reichweite verlieren. Aber für mich standen Stimme und Reichweite nie im Vordergrund, es war immer eine Art Botschaft, weil es das ist, woran ich wirklich glaube."
Zwischen Sorge und Hoffnung
"Ich sehe, dass wir die größte Herausforderung haben oder vor der größten Herausforderung stehen, die die Menschheit je erlebt hat. Und wenn wir dieses Rennen nicht gewinnen, dann wird sich die Welt weiterdrehen, aber ohne uns."
"Wenn man sich bewusst macht, wie groß die Herausforderung ist, ist die Versuchung groß, in eine Negativspirale zu geraten, in Panik zu geraten und sich große Sorgen um die Zukunft zu machen", so der Aston-Martin-Pilot weiter.
Sebastian Vettel, Aston Martin
Foto: Zak Mauger / Motorsport Images
"Aber gleichzeitig lese ich viel und höre viel und treffe viele Menschen, die die Welt in eine großartige Richtung bewegen und die Welt zu einem besseren Ort machen und wirklich kämpfen, sich engagieren und sogar ihr Leben opfern, um die Welt in Zukunft zu einem besseren Ort zu machen."
"Es gibt also viel zu tun. Aber im Vordergrund standen immer meine Überzeugungen, nicht eine Agenda oder eine Kampagne."
Das nächste Kapitel ist noch nicht geschrieben
Vettel stellt klar, dass seine Familie und seine anderen Interessen ab November Priorität genießen. Er merkt aber auch, dass die Zukunft ein offenes Buch ist - und wie die Geschichte weitergeht, weiß er auch nicht.
Auch ob ihn seine zukünftigen Wege zufriedenstellen werden, weiß er nicht. "Das wird die Zeit zeigen", sagt er. "Immer, wenn man sich entscheidet, eine andere Richtung einzuschlagen, weiß man nicht wirklich, was hinter der nächsten Ecke auf einen wartet."
"Aber ich bin sehr gespannt darauf, und noch gespannter auf das, was als nächstes kommt, als an dem festzuhalten, was jetzt ist."
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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