Szafnauer über Alpine-Zukunft: Können 100-Rennen-Plan noch einhalten
Otmar Szafnauer glaubt trotz aller Umstände daran, dass Alpine seinen 100-Rennen-Plan noch einhalten kann - Allerdings ist offenbar unklar, wie genau dieser aussieht
Das Alpine-Formel-1-Team sorgt aktuell wieder einmal für Schlagzeilen - allerdings nicht im positiven Sinn. Nachdem man die sportlichen Ziele der Saison 2023 zu verpassen droht, brodelt es auch noch hinter den Kulissen. Vor wenigen Tagen wurde Alpine-CEO Laurent Rossi von seinen Aufgaben entbunden.
Zwar bleibt Rossi den Franzosen offiziell in einer anderen Funktion erhalten. Seine bisherige Position hat allerdings Philippe Krief übernommen. Das wirft zwangsläufig die Frage auf, ob bei Alpine noch weitere personelle Veränderungen anstehen - auch im Hinblick auf das Formel-1-Team.
Unter anderem wird darüber spekuliert, ob Teamchef Otmar Szafnauer noch eine Zukunft in Enstone hat. Denn Szafnauer wurde einst vom nun geschassten Rossi eingestellt. "Ja, er hat mich eingestellt. Aber Luca [de Meo, Renault-Konzernchef] hat mich auch eingestellt", betont Szafnauer.
"Und es war Luca de Meo, der sich letztendlich mit mir zusammensetzte und mich überzeugte, an seinem Projekt teilzunehmen", so der Teamchef, der mit "Projekt", das sagt er selbst, den berüchtigten 100-Rennen-Plan von Alpine meint. Doch offenbar gibt es unterschiedliche Auslegungen, wie genau dieser aussieht.
Ursprünglich wurde dieser Plan, der es vorsah, Alpine in 100 Rennen wieder an die Spitze der Formel 1 zu bringen, von Rossi vor Beginn der Saison 2021 ausgerufen. Das würde konkret bedeuten, das von diesen 100 Rennen inzwischen 55 absolviert sind - also bereits mehr als die Hälfte.
Szafnauer sieht das allerdings anders, denn seiner Meinung nach hat der 100-Rennen-Plan erst mit seiner eigenen Ernennung zum Teamchef zu Beginn der Saison 2022 begonnen. Nach seiner Rechnung wären demnach erst 33 Rennen absolviert, also erst rund ein Drittel.
"Wir haben also noch etwa 60 Rennen vor uns, und das sind weitere drei Jahre, um zu gewinnen. Das braucht Zeit. Jeder hat Zeit gebraucht. Ich weiß, dass Luca zu seinem Wort steht, und er hat mir sein Wort gegeben, dass wir 100 Rennen haben", stellt Szafnauer klar.
Er selbst sei daher unbesorgt, was seine eigene Postion im Team angehe. "Luca wird sein Wort halten und mir die 100 Rennen geben, die wir benötigen", ist er sich sicher und betont, dass der 100-Rennen-Plan, zumindest in seiner Auslegung, noch zu erreichen sei.
Warum der Vergleich mit Mercedes und Co. hinkt
"Manchmal muss man einen halben Schritt zurückgehen, um zwei Schritte nach vorne zu machen", betont er und nennt Beispiele aus der jüngeren Formel-1-Geschichte. "Mercedes hat ein Team gekauft, das die WM gewonnen hat", erinnert er an die Übernahme von Brawn.
Mercedes kaufte das Team nach dem WM-Titel im Jahr 2009 auf, "und es hat fünf Jahre gedauert, bevor sie wieder den Titel geholt haben", erinnert er. Ein weiteres Beispiel sei Red Bull. Die Österreicher übernahmen Jaguar nach der Saison 2004 und gewannen ihren ersten Grand Prix 2009.
100 Rennen seien daher laut Szafnauer ein guter Richtwert, und es sei "realistisch", dass man "vier bis fünf Jahre" brauche, um es wieder an die Spitze der Formel 1 zu schaffen, weshalb Alpine seiner Meinung nach noch "genug Zeit" habe, seine Ziele zu erreichen.
Strenggenommen befinden sich die Franzosen also bereits in ihrem achten Formel-1-Jahr. Ein Zeitpunkt, zu dem Mercedes und Red Bull längst schon mehrere WM-Titel gewonnen hatten. Alpine (beziehungsweise Renault) holte dagegen seit 2016 erst einen einzigen Sieg durch Esteban Ocon 2021 in Ungarn.
Die Saison 2023 ist auf dem Papier sogar wieder ein Rückschritt. Denn nachdem man die Saison 2021 auf Rang fünf und das vergangene Jahr sogar auf Rang vier in der Konstrukteurs-WM beendet hatte, liegt man zur Halbzeit der aktuellen Saison nur auf Rang sechs.
Zwar betont Szafnauer, dass es grundsätzlich das Ziel bleibe, Rang vier in der WM zu verteidigen. "Ich denke, das wird schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sein", weiß allerdings auch er. Doch was ist 2023 für die Franzosen in der zweiten Saisonhälfte noch möglich?
Deshalb sieht Szafnauer Alpine auf einem guten Weg
"Das ist eine gute Frage", grübelt der Teamchef und erklärt: "Es wird in diesem Jahr noch weitere Updates geben. Wir hatten hier [in Ungarn] ein Upgrade, das wir im Rennen nicht einsetzen konnten, und es war mehr für das Rennen als für das Qualifying."
Am Wochenende in Budapest schieden Ocon und Pierre Gasly jeweils bereits in Q2 aus. Ein Rennen gab es dann für beide faktisch nicht mehr, weil sie in der ersten Kurve von Guanyu Zhou abgeräumt wurden. Für Alpine war es nach Silverstone bereits die zweite Nullnummer in Serie.
"Wir haben im Qualifying nicht alles aus den Reifen herausgeholt, und das hat man im ganzen Feld gesehen", sagt Szafnauer und nennt Mercedes als weiteres Beispiel. Dort stand Lewis Hamilton zwar auf Pole, Teamkollege George Russell schied aber bereits in Q1 aus.
Trotz der zuletzt schwachen Ergebnisse betont Szafnauer, dass es hinter den Alpine-Kulissen in die richtige Richtung gehe. Unter anderem habe man in Enstone .
Zudem verrät Szafnauer: "Ich rekrutiere Leute aus anderen Teams, die über das von uns benötigte Know-how verfügen. Aber sie haben in der Regel Dreijahresverträge, was die Norm ist. Wenn man sie also in der Mitte der Vertragslaufzeit holt, [...] dauert es anderthalb Jahre, bis sie kommen."
Heißt: Die personellen Verstärkungen bei Alpine werden sich teilweise erst in einigen Jahren bemerkbar machen. Auch deshalb ist Geduld laut Szafnauer wichtig. "Es kommen gute Leute. Ich habe sie rekrutiert, sie haben laufende Verträge, sie warten nur darauf, aus den Verträgen, die sie haben, herauszukommen", betont er.
Leicht dürfte es für Szafnauer zuletzt nicht unbedingt gewesen sein, gute Mitarbeiter davon zu überzeugen, zu Alpine zu wechseln. Denn der inzwischen entmachtete Rossi bezeichnete das Team nach dem schwachen Saisonstart öffentlich unter anderem als "amateurhaft".
Hat der Rossi-Verriss wirklich etwas gebracht?
Im Podcast 'Beyond The Grid', der bereits vor Rossis Aus aufgezeichnet wurde, erklärt Szafnauer, dass er sich diesen öffentlichen Verriss verkniffen hätte. "Ich verstehe das. Hatte ich es auch so gemacht, um ein Team zu motivieren? Vermutlich nicht", so der Teamchef.
Er wisse, dass ein "riesiger Druck" auf Rossi gelastet habe, weil er nicht nur die Verantwortung für das Formel-1-Team sondern für die komplette Automarke gehabt habe. Und das habe seiner Meinung nach dazu geführt, dass er verbal so auf den Tisch gehauen habe.
Auf die Frage, ob Rossi ihm gesagt habe, dass er unter einem enormen Druck stand, antwortet Szafnauer: "Nein, aber ich spüre und fühle das. Ich sehe es am Verhalten und der Körpersprache von Leuten und daran, wie sie sich verhalten."
Letztendlich reagiere jeder anders darauf. "Ich persönlich hätte es anders gemacht", betont Szafnauer und erklärt, es gehe um einen guten Zusammenhalt des Teams, weshalb man gewisse Dinge seiner Meinung nach lieber "hinter verschlossenen Türen" besprechen sollte.
"Ich denke, mit dieser Strategie kommt man deutlich weiter", so Szafnauer, der zudem auch nicht glaubt, dass Rossis Verriss wirklich etwas bewirkt hat. Vielmehr sei es reiner Zufall gewesen, dass Alpine beim folgenden Rennen in Monaco auf dem Podium gestanden habe.
"Es war ein tolles Ergebnis. Aber war ich persönlich überrascht? Nicht wirklich", betont der Teamchef. Denn Monaco sei eine Strecke, auf der es beispielsweise mehr auf die Fahrer und vor allem weniger auf den Motor ankomme - und die dem Alpine-Paket damit eher entgegenkomme.
Für Alpine war der dritte Platz von Ocon in Monaco übrigens das erste Podium seit 2021 und das bislang einzige in diesem Jahr. In diesem Tempo dürfte es schwer werden, den 100-Rennen-Plan einzuhalten. Ganz egal, wie man diesen letztendlich auslegt ...
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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