Teammanager schwärmt von Verstappen: "Hatte schon damals diese Aura"
Graham Watson arbeitete bereits 2014 mit Max Verstappen zusammen und erinnert sich an dessen Formel-1-Anfänge - Was ihn schon damals am meisten beeindruckte
2015 wurde Max Verstappen mit 17 Jahren und 166 Tagen zum jüngsten Formel-1-Fahrer der Geschichte. Viele Außenstehende hielten den Aufstieg des niederländischen Ausnahmetalents für verfrüht. Doch jene, die schon damals mit ihm zusammenarbeiteten, wussten, welches Talent in ihm schlummert.
Einer ist Graham Watson, damals Teammanager von Toro Rosso, wo Verstappen seine Debütsaison fuhr. Im Gespräch mit der niederländischen Ausgabe von 'Motorsport.com' erinnert er sich: "Viele sagten: 'Diese Kinder sollten erst dann in den Sport einsteigen dürfen, wenn sie eine gewisse Ausbildung absolviert haben', was aber Unsinn ist."
"Die Wahrheit ist: Wenn man gut genug ist, ist man alt genug. Ich glaube, wir waren alle ein bisschen schockiert, dass Max so jung war, aber Franz (Tost; Anm. d. R.) und Helmut (Marko) sind schon viel länger dabei und sie haben erkannt, dass er, sagen wir mal, eine Ausnahmeerscheinung in seiner Generation ist, wie Schumacher, Alonso oder Hamilton. Er war der Richtige, um ihn ins Auto zu setzen."
Max Verstappen beeindruckt schon in jungen Jahren
Watson traf Verstappen zum ersten Mal im September 2014. In diesem Jahr absolvierte der damals 17-Jährige ein paar Freie Trainings für Toro Rosso. "Ich kann sagen, dass er eindeutig eine Art Aura um sich hatte", sagt der Teammanager. "Das war sehr offensichtlich, von dem Moment an, als er in die Garage kam und ins Auto stieg."
Als Beispiel dafür nennt er Brasilien 2014: "Er hatte auf seiner ersten fliegenden Runde im ersten Training fast einen schweren Unfall. Aber er hat das Auto wiedergefunden, ist weitergefahren, hat eine weitere Runde gedreht und war im Grunde der Schnellste. Das zeigte, dass er an das glaubt, was er tut, dass er weiß, was er tut."
Dieser Eindruck habe sich nur noch mehr bestätigt, als Verstappen 2015 als Stammfahrer zu Toro Rosso kam. Dabei fielen Watson auch Parallelen zu Vater Jos Verstappen auf. "Ich habe zuvor mit Jos Verstappen bei Benetton zusammengearbeitet, also hatte ich einen Bezug zur Mentalität der Verstappens", erklärt er.
Welche Nerven? Mentale Stärke zeichnet Vestappen aus
"Ich bin mir sicher, dass sein Vater gesagt hat, dass man gewisse Dinge tun muss, wenn man gleichberechtigt behandelt werden oder der Teamleader sein will. Da ich beide kenne, sehe ich das ein bisschen mehr als andere. Ich glaube wirklich, dass Jos ihm beigebracht hat: "Max, schau, du hast alle Fähigkeiten, aber jetzt musst du dir das Umfeld schaffen, so wie Michael bei Benetton und Ferrari."
Neben dieser Entschlossenheit hebt Watson aber noch eine weitere Eigenschaft von Verstappen hervor: sein starkes Nervenkostüm. "Nichts hat ihn aus der Ruhe gebracht", erinnert er sich. "Ich habe einmal mit ihm über Nerven gesprochen und fragte: 'Max, wie gehst du mit den Nerven um?' und er sagte: 'Wie meinst du das?'"
"Ich versuchte es noch einmal und sagte: 'Wenn du in der Startaufstellung stehst, die Ampel leuchtet und du bist von Formel-1-Fahrern umgeben, die viel erfahrener sind, bist du da nicht nervös?' Und er sagte: 'Oh, darüber habe ich nie nachgedacht. Ehrlich gesagt, Graham, ich freue mich einfach darauf, das Auto zu fahren.'"
Wer F1-Weltmeister werden will, muss genau das tun
"Er sagte, er fahre schon seit seinem vierten Lebensjahr Auto, hatte also mit 17 Jahren schon eine ziemlich lange Karriere und wusste, wie man mit dem Druck in Kart-Meisterschaften umgeht", erzählt Watson. Denkt er an die anderthalb Jahre mit Verstappen bei Toro Rosso, stach für ihn ein Moment besonders heraus.
"Das war Singapur 2015: 'Ich werde meinen Teamkollegen nicht vorbeilassen!' Das war für mich die Bestätigung, dass dieser Mann wie eine Mauer war", rekapituliert er Verstappens Weigerung, seinen damaligen Teamkollegen Carlos Sainz passieren zu lassen, der die frischeren Reifen hatte und Sergio Perez jagen sollte.
"Er würde vor niemandem zurückweichen", sagt Watson über Verstappen. "Dabei spiele es keine Rolle, wer das andere Auto fuhr. Und leider, oder zum Glück, ist das genau der Weg, wie man Weltmeister wird. Man muss auf der Strecke egoistisch und direkt sein. Sonst wird man bei lebendigem Leibe aufgefressen."
"Ich sehe zu viele talentierte Fahrer, die es nicht schaffen, weil sie einfach nur nette Kerle sind. Man kann ein netter Kerl sein, aber man muss auf der Strecke rücksichtslos sein", betont der 54-Jährige, der heute als Teammanager von AlphaTauri tätig ist und Verstappens Werdegang nach dem Aufstieg zu Red Bull genau verfolgte. Wie sehr hat er sich im Vergleich zu dem Verstappen von 2015 verändert?
Watson: "Man kann seine natürliche Entwicklung sehen"
"Er ist viel erwachsener, das steht fest. Bei uns war er buchstäblich ein Teenager. Ich fand es immer sehr einfach, mit ihm zu reden. Er ist ein bescheidener Typ, es gibt keine Arroganz bei ihm. Selbst jetzt im Fahrerlager grüßt er mich immer. (...) Er hat sich nicht dramatisch verändert, man sieht nur, dass er viel erwachsener geworden ist."
Das mache sich auch auf der Strecke bemerkbar, meint Watson: "Er kann immer noch aggressiv sein, aber er ist einfach reifer geworden. Er weiß, wann es Zeit ist, zu pushen und wann es Zeit ist, sich zurückzuhalten." Dabei habe Verstappen auch aus einigen Zwischenfällen 2017 und 2018 gelernt, die er mit Watson besprach.
"Mein Rat war: 'Du hast drei Zehntel mehr in der Tasche als die meisten in der Formel 1, also zieh einfach ein Zehntel zurück. Du musst nicht jede Runde das letzte Zehntel finden.' Ich denke, er ist als Fahrer definitiv gereift. Man sieht seine natürliche Entwicklung. Er fährt auch mit dem Kopf und nicht nur mit dem rechten Fuß."
Mit Bildmaterial von LAT.
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