Toto Wolff gespannt auf Auswirkung der FIA-Direktive in Spa
Mercedes-Teamchef Toto Wolff analysiert die Formel-1-Saison 2022 für Mercedes und hofft auf Besserung nach der Sommerpause in Spa mithilfe der FIA
Mercedes kann sich die aufstrebende Form in Frankreich und Ungarn, als man zwei Doppelpodien in Serie einfahren konnte, noch immer nicht ganz erklären. Auch der Formumschwung in Budapest, als man zunächst "den schlechtesten Freitag der Saison" erlebte, aber nur einen Tag später auf Pole fahren konnte, bleibt rätselhaft.
"Ich habe dafür keine Erklärungen", sagt Teamchef Toto Wolff, der an sein Team nach der unverhofften Poleposition in Ungarn folgende Bitte hatte: "Ich habe Shov [Andrew Shovlin, leitender Renningenieur bei Mercedes] gesagt, dass er alles aufschreiben soll, was sie heute gemacht haben."
"Und einschließlich des Essens, um nachvollziehen zu können, warum es so gut lief", scherzt Wolff. "Aber ehrlich gesagt, diese Saison schwankt zwischen Depression und Überschwänglichkeit und ändert sich manchmal von Tag zu Tag."
Wolff: Aktueller Unterboden vorher nicht im Windkanal getestet
"Wir haben [am Freitag] Dinge ausprobiert, die überhaupt nicht funktioniert haben, aber sie gaben uns ein wenig mehr Orientierung für [den Samstag]. Es ist in diesem Jahr aber ehrlicherweise eine schmerzhafte Übung", so der Mercedes-Teamchef nach dem Qualifying in Budapest.
Obwohl Mercedes das anfänglich starke "Bouncing" ausgemerzt hat, scheinen die Weltmeister der vergangenen acht Jahre immer noch etwas im Trüben zu fischen, wenn es darum geht, das Potenzial des neuen "Ground-Effekt-Autos" komplett auszuschöpfen.
"In dieser Saison haben wir unkonventionelle Dinge getan", sagt Wolff. "Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer sehr klugen Dame aus dem Aerodynamik-Team. Und sie sagte: 'Wenn Sie mir vergangenes Jahr gesagt hätten, dass wir einen Unterboden an das Auto bringen, den wir nicht im Windkanal getestet haben, hätte ich gesagt, dass wir das niemals tun würden.'"
"Aber wir haben es getan, und jeder war stolz auf die Ergebnisse. Und es ist jedes Wochenende so, dass wir neue Dinge ausprobieren", erklärt Wolff, der zudem zugibt, dass man sich aktuell bei Mercedes nicht mehr nur auf die Daten stützen kann.
Wolff: Mercedes betreibt "Reverse-Engineering"
"Dies ist ein Datenbanksport. Wenn man sich aber nicht auf die Daten verlassen kann, weil sie aus der virtuellen Welt, aus dem Windkanal oder aus CFD-Simulationen nicht mit dem korrelieren, was in Echtzeit auf der Strecke passiert, dann muss man einfach Dinge ausprobieren."
Russell über Konzeptwechsel: Würde uns eher langsamer machen
Mercedes-Pilot George Russell betonte nach dem Grand Prix erneut, dass ein Konzeptwechsel - insbesondere bei den Seitenkästen - kein Patentrezept wäre: "Ich denke, wir müssen einfach weiterhin offen bleiben. Aber ich glaube nicht, dass wir durch eine Änderung des Fahrzeugkonzepts schneller werden, eher im Gegenteil, um ehrlich zu sein."
"Manchmal muss man sich einfach an den Prozess halten und weiter vorankommen. Und das ist schwierig, wenn man nicht auf der Höhe ist und die Dinge nicht so laufen, wie man es sich vorstellt. Aber ich persönlich glaube an jeden Einzelnen in unserem Team, und ich glaube, dass wir im Moment große Fortschritte machen."
"Wir haben [in Ungarn] einen guten Job gemacht und haben beide eine gute Pace gezeigt, während wir zu Beginn der Saison die Rennen mit einer Minute Rückstand auf den ersten Platz beendet haben. In den letzten beiden Rennen lagen wir innerhalb von zehn Sekunden, daher denke ich, dass es definitiv in die richtige Richtung geht", sagt Russell.
Mercedes mit Ungarn-Set-up aggressiver gewesen
Überraschend in Ungarn war zudem, dass die beiden Mercedes-Piloten unter den kalten Temperaturbedingungen am Samstag und Sonntag die Reifen auf Anhieb in das richtige Temperaturfenster bekamen, was zuvor in der Saison eine der größten Schwächen war.
Darauf angesprochen, erklärt Wolff: "Ich denke, wir waren vielleicht eine Zeit lang immer etwas zu konservativ, was die Felgen und die Aggressivität des Set-ups angeht. Mehr kann ich dazu aber nicht sagen."
Wolff: Wollen Rennen aus eigener Kraft gewinnen
Mit den starken Resultaten in den vergangenen Rennen hat sich Mercedes immerhin im Kampf um den zweiten Platz in der Konstrukteurswertung gegen Ferrari zurückgemeldet. Die Scuderia liegt trotz vier Saisonsiegen nur noch 30 Punkte vorn, doch Red Bull scheint mit einem Vorsprung von 127 Punkten Mercedes schon enteilt zu sein.
"Ich will Rennen fahren, um an der Spitze zu stehen und das Auto so zu entwickeln, dass wir Rennen nach aus eigener Kraft gewinnen, die Ferraris und Red Bulls schlagen und uns auf das nächste Jahr vorbereiten können, anstatt uns um die Meisterschaftsposition zu kümmern."
Ändert sich das Kräfteverhältnis in Spa?
"Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass wir plötzlich voll dabei sind und Rennen gewinnen können, denn ich glaube nicht, dass das der Fall ist. Ich denke, wir haben am Samstag in Budapest einen guten Start hingelegt und [im Rennen] die Früchte geerntet."
"Aber ich glaube nicht, dass wir schon nah genug an Ferrari und Red Bull dran sind, um sie wirklich herauszufordern. Wir lernen aber viel und es ist wichtig, auch mal etwas falsch zu machen", resümiert Wolff, der jedoch auf das Kräfteverhältnis nach der Sommerpause gespannt ist.
Ab dem Rennwochenende in Spa greift die technische Direktive der FIA, um die potenzielle Nutzung von flexiblen Unterböden zu verhindern und das "Bouncing" einzudämmen, was möglicherweise den Spitzenteams Red Bull und Ferrari Performance kosten könnte.
"Das wird hochinteressant, was wir in Spa sehen werden", glaubt Wolff. "Mal sehen, ob der Unterschied in der Fahrzeughöhe dann für die Teams, die so tief gefahren sind, einen Unterschied macht. Ich glaube aber nicht mehr an die 'Silverbullets', wie man so schön sagt, dass wir dann plötzlich drei Zehntel schneller als alle anderen sind, aber jedenfalls wird das interessant sein."
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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