"Not gegen Elend": Kritik an Carlos Sainz und Sergio Perez nach Baku-Crash
Red Bull sieht in Carlos Sainz den Schuldigen für den Unfall mit Sergio Perez: Zog der Spanier auf der Gerade zu weit nach links? - Horner: Checo hätte gewinnen können
Das Rennen von Sergio Perez und Carlos Sainz endete unsanft
Foto: LAT Images
Helmut Marko hat Carlos Sainz nach der späten Kollision mit Sergio Perez kritisiert und ihm die Schuld am Unfall in der vorletzten Runde in Baku gegeben. Beide Fahrer hatten in Aserbaidschan gute Chancen auf das Podium, als es in der vorletzten Runde zur verhängnisvollen Kollision kam.
Beide beschleunigten aus Kurve 2 heraus, als sich die Räder der beiden berührten und beide nach links in die Mauer abbogen. Die Rennkommissare werteten die Szene als Rennzwischenfall, doch Red Bulls Motorsportkonsulent Helmut Marko sieht eher Sainz in der Täterrolle.
"Ich sehe da bei Sainz eine eher abrupte Bewegung nach links, die dann diesen Crash ausgelöst hat", urteilt er gegenüber Sky und bestätigt seine Aussagen gegenüber ServusTV, wo er meint, Sainz sei Perez "völlig unmotiviert" ins Auto gefahren. "Es war eine Gerade, das war kein Grund, da so abrupt nach links zu ziehen", so der Österreicher.
Das sieht auch Teamchef Christian Horner so: "Ich habe mir gerade die Wiederholung angeschaut und man kann sehen, dass Carlos anfängt, über die Strecke zu driften. Das ist sehr enttäuschend", sagt der Brite, der findet, dass Perez heute "deutlich mehr verdient" habe.
Sainz verteidigt sich: "Normale Rennlinie"
Sainz selbst verteidigt die Fahrweise aus seiner Sicht: "Ich bin meine normale Rennlinie gefahren, ich habe kein seltsames Manöver oder so gemacht", stellt der Spanier klar und sagt, dass die Fahrer nach Kurve 2 immer ein wenig nach links lenken würden. "Charles [Leclerc] vor mir zieht auch nach links, ich folge natürlich nur seinem Windschatten", so Sainz.
"Ich weiß nicht, Checo entscheidet sich wohl, keine Bewegung zu machen oder keinen Platz zu lassen, aber es ist zu früh, um das zu sagen", meint der Ferrari-Pilot, der zum Zeitpunkt seiner Aussage zwar schon mit Perez gesprochen hatte, aber noch keine Zeit hatte, die Bilder noch einmal zu betrachten.
Perez selbst versucht es nach dem Unfall diplomatisch: "Ich verstehe natürlich, was Carlos da versucht hat. Er wollte Charles' Windschatten folgen, aber ich war da und dann passierte alles sehr schnell", sagt der Red-Bull-Pilot. "So wie er sich bewegt hat, hat er ziemlich schnell meinen rechten Vorderreifen berührt."
"Ich glaube, er hat gar nicht gemerkt, dass ich da war", hadert der Mexikaner mit der Nullnummer: "Wir sind beide superfrustriert, dass wir das Wochenende für unsere Teams so beendet haben. Es ist einfach schade, weil am Ausgang von Kurve 2 noch ein Meter zwischen unseren Autos lag, aber dann einen oder zwei Meter später hatten wir Kontakt."
Sainz: So ist das im Rennsport
Für beide Fahrer und Teams war der Vorfall natürlich ärgerlich, denn beide hatten gute Chancen auf einen Podestplatz. Kurz vor dem Unfall hatte Perez auf Start-Ziel den zweitplatzierten Leclerc angegriffen, der sich aber auf der Innenbahn noch einmal hart wehren konnte.
Der Zweikampf verschaffte Sainz die Möglichkeit, in Kurve 1 an Perez vorbeizuziehen und beinahe auch seinen Teamkollegen anzugreifen. Sainz hatte in Kurve 2 die Außenbahn, steckte aber zurück, was wiederum Perez die Möglichkeit gab, mit einem besseren Kurvenausgang neben Sainz zu ziehen, "und aus irgendeinem Grund, den ich immer noch nicht verstehe, kollidierten wir", sagt Sainz.
"Ich denke, er hatte viel Platz auf der linken Seite. Ich habe keine seltsame Bewegung gemacht, aber so ist das im Rennsport", meint er. "Manchmal fährt man 48 Runden ohne irgendetwas, und dann hat man noch zwei, drei Runden vor sich, und dann passieren solche Dinge."
Red Bull ärgert sich: "Wenn das einem Anfänger passiert ..."
Statt eines Podestplatzes - es wäre Perez' erster seit April gewesen - gab es für beide eine Nullnummer. "Das war völlig unnötig, zwei Runden vor Schluss sowas zu provozieren", ärgert sich Marko, dessen Red-Bull-Team die WM-Führung nach dem Rennen in Baku an McLaren verlor.
"Perez ist deutlich besser herausgekommen, und natürlich macht er nicht freiwillig Platz", verteidigt er seinen Piloten. Allerdings will er auch Perez nicht ganz aus der Schusslinie nehmen: "Ich weiß nicht, wie viele Grands Prix beide bereits auf dem Buckel haben", schüttelt er den Kopf. "Wenn sowas einem Anfänger passiert, vielleicht ... Das hat uns wahnsinnig viel Punkte gekostet."
Ähnlich sieht es auch Sky-Experte Ralf Schumacher, der beide Piloten in die Pflicht nimmt: "Ich sage Not gegen Elend", so der Deutsche, der findet, dass so ein Ende kurz vor Schluss für Piloten mit so viel Erfahrung nicht sein muss. "Da muss man die Punkte halt mitnehmen."
Hätte Perez gewinnen können?
"Er hätte heute mindestens auf dem Podium stehen sollen", ärgert sich auch Horner für Perez. "Das hat das Rennen von Checo heute zerstört, uns eine Menge Schaden eingebracht und natürlich viele Punkte in der Konstrukteursmeisterschaft gekostet."
Dabei ist Horner überzeugt, dass Perez mit etwas mehr Rennglück heute sogar hätte gewinnen können. "Leider hat er bei seinen Runden hinter Albon eine Menge Zeit verloren, und dann hat ihn auch Lando [Norris] Zeit gekostet, wodurch Oscar [Piastri] dann die Track-Position hatte. Ohne das hätte er das Rennen heute gewonnen", sagt Horner.
Ginge es nach ihm, dann hätte Sainz für seine Aktion eine Sanktion durch die Rennleitung verdient gehabt, doch die Aussage kontert sein Ferrari-Gegenpart Frederic Vasseur: "Wenn Horner das für Carlos erwartet, dann erwarte ich eine Gridstrafe für Checo", so der Franzose. "Er hatte auf der linken Seite noch ziemlich viel Platz."
Kommissare sehen Rennunfall
Die Rennkommissare urteilten am Ende aber friedlich und bestraften keinen der beiden Fahrer. Für sie war der Vorfall einfach ein Rennunfall, bei dem keiner den Großteil der Schuld trägt. Laut ihnen sei es einfach eine Situation gewesen, "in der eine kleine Berührung erhebliche Folgen hatte".
In der Schilderung heißt es, dass Sainz zwar wahrgenommen habe, dass Perez neben ihm war, allerdings habe Perez die Position beider Fahrzeuge besser wahrnehmen können.
"Als sich die beiden Autos am Ausgang von Kurve 2 der rechten Mauer näherten, waren sie etwa einen Meter voneinander entfernt. Von diesem Zeitpunkt an und während des gesamten Vorfalls lenkte keiner der beiden Fahrer unkontrolliert, sondern beide hielten ihre Lenkung sehr neutral", so die Kommissare, die auch die Linien in vorherigen Runden verglichen.
"Sainz befand sich auf oder nahe seiner normalen Ideallinie, die einen leichten Winkel von der rechten Mauer weg bildet. Von der Ausfahrt bis zum Kontaktpunkt bewegte er sich etwa eine Wagenbreite weiter von der Mauer weg. Perez bewegte sich etwa eine halbe Wagenbreite weiter von der gleichen Mauer weg, war aber paralleler zur rechten Mauer."
"Es war also offensichtlich, dass sich Sainz, obwohl er vorausfuhr und das Recht hatte, seine Linie zu fahren, leicht auf ein Auto zubewegte, das er nur begrenzt sehen konnte", heißt es im Urteil weiter. "Gleichzeitig war die Linie von Perez nicht ungewöhnlich, aber er hätte mehr tun können, um dem Auto auszuweichen, das er besser im Blickfeld hatte."
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