Formel-1-Technik: Was wir bislang über die 2020er-Autos wissen
Während es noch Monate dauern könnte, bis die Formel 1 im Jahr 2020 ihr erstes Rennen fährt, werfen wir schon einmal einen Blick auf die wichtigsten technischen Neuerungen
Formel-1-Technik mit Giorgio Piola
Giorgio Piola analysiert und erklärt die Technik in der Formel 1!
Die neuen Formel-1-Autos für die Saison 2020 sind noch kein Rennen gefahren. Doch die Tests und einige Bilder aus Melbourne haben uns bereits einen ersten Eindruck darüber vermittelt, was sich die Teams für dieses Jahr ausgedacht haben. Eigentlich wurde erwartet, dass es angesichts der ursprünglich für 2021 angedachten Regelevolution keine großen Innovationen geben würde.
In Wirklichkeit gibt es aber auch in diesem Jahr wieder einige aufregende technische Entwicklungen. Während die Formel 1 sich wegen des Coronavirus in einer unfreiwilligen Zwangspause befindet, nutzen wir die Zeit, um uns einige der wichtigsten Neuerungen anzuschauen, die im Mittelpunkt stehen werden, wenn die Autos endlich wieder auf die Strecke gehen.
DAS und PAS
DAS war ohne Frage der größte Gesprächspunkt der Wintertests. Die Mercedes-Piloten können dank des neuen Systems die Spur der Vorderreifen durch drücken und ziehen des Lenkrads beeinflussen. Später hat sich überraschend herausgestellt, dass DAS nur Teil eines anderen Systems ist, das Mercedes und auch Ferrari bereits in der Saison 2019 verwendet hatten: PAS.
Das 'Power Assisted Steering' ist ein variables Ackermann-System, das es ermöglicht, den Winkel eines Rads unabhängig von dem des anderen zu verändern. Mercedes hat es in der gesamten Saison 2019 verwendet, Ferrari brachte in Frankreich eine eigene Version. Der neue Haas des Jahrgangs 2020 verfügt ebenfalls über PAS. Dort hofft man, so die Probleme mit der Temperaturen in den Vorderreifen aus 2019 in den Griff zu bekommen.
Interessante Neuerungen bei Haas
Wir bleiben bei Haas und schauen uns an, auf welche Bereiche sich das Team beim neuen Auto konzentriert hat, um die Probleme aus 2019 zu beheben. Einer betrifft den Unterboden, genauer gesagt den Bereich vor den und um die Hinterreifen herum. Das ist ein besonders sensibler Bereich des Autos, denn Änderungen hier können zu großen Gewinnen am Diffusor führen.
Grund dafür ist der Luftstrom. Durch den Reifen entstehen hier Turbulenzen. Und weil sich die Seitenwand des Reifens unter Last verformt, werden diese Turbulenzen in Richtung des Diffusors gedrückt. Das stört den Luftfluss und das Auto verliert Abtrieb. Deshalb verwenden die Teams verschiedene Lösungen vor den Hinterreifen, um den Luftfluss zu beeinflussen.
Der Diffusor am Haas VF-20
Foto: Giorgio Piola
Diese Lösungen beinhalten zum Beispiel Löcher im Unterboden, Schlitze, Flaps, Strakes und Winglets. So sollen der Luftstrom manipuliert und die Auswirkungen des angesprochenen Effekts minimiert werden. Bereits 2019 hat Haas an diesem Bereich des Autos gearbeitet. Das Team brachte damals nach Silverstone einen deutlich überarbeiteten Unterboden mit.
Für die Saison 2020 haben die Designer diesen Bereich noch genauer unter die Lupe genommen, um den störenden Luftfluss in Richtung des Diffusors weiter zu reduzieren und die Turbulenzen, die durch die Reifen entstehen, abzuschwächen.
Red Bull geht seinen eigenen Weg
Red Bull mag das PAS-System aus der vergangenen Saison durchaus verstanden haben. Trotzdem hat man sich dazu entschieden, für 2020 einen ganz eigenen Weg zu gehen. Die Front des neuen RB16 ist eine echte Schatztruhe an technischen Neuerungen.
Fangen wir gleich mit der Aufhängung an, die komplett auf den Kopf gestellt wurde. Hier hat man sich 2020 beim untersten Element für eine Multi-Link-Querlenker-Lösung entschieden. 2019 war das noch beim oberen Element der Fall. Der hintere Teil des Querlenkers (2) ist nicht direkt mit dem vorderen (1) verbunden. Zudem verläuft dieser neuerdings quer durch das Chassis.
Dazu kommt eine drastische Neupositionierung von Zahnstange und Lenkgestänge. Sie befinden sich jetzt weiter hinten, weshalb alle Teile von Lenkung, Aufhängung und S-Schacht neu angeordnet werden mussten. So einen Aufwand betreibt man nur, wenn man sich davon in mehreren Bereichen des RB16 Vorteile verspricht - sowohl bei den Reifen als auch bei der Aerodynamik.
Außerdem hat Red Bull am Cockpit neue Finnen hinzugefügt, unter der Airbox gibt es nun zudem einen großen Flap. Beide Neuerungen sollen 2020 den Luftfluss um Cockpit, Halo und Airbox herum verbessern. Am letzten Tag der Wintertests wurden zudem neue Einlässe an der Seite des Cockpits hinzugefügt, um die Kühlung des RB16 zu verbessern.
Auch Ferrari sucht in diesem Bereich nach Verbesserung und hat "Hörner" eingeführt, die wir erstmals 2005 bei McLaren gesehen haben. Möglich wurde das durch die Airbox im Trapez-Design. Dadurch hat die Scuderia in diesem regulierten Bereich noch genug Platz für die Hörner. Mercedes, das eine breitere Airbox verwendet, könnte die Hörner zum Beispiel nicht einsetzen.
Der Hauptfokus bei McLaren
McLaren hat sich in diesem Jahr auf den Frontflügel konzentriert. Es gibt mehrere Veränderungen bei den einzelnen Elementen. Die größte betrifft dabei die Bodenplatte. Der rote Pfeil in der unteren Abbildung zeigt den neuen Gurney-Trim in L-Form, der entlang der äußeren Kante verläuft.
Der Frontflügel des McLaren MCL35
Foto: Giorgio Piola
Der Luftstrom wird aufgenommen, und es entsteht ein Druckgefälle. Diese Lösung hilft dabei, den äußeren Luftfluss um die Vorderreifen zu lenken. Die Turbulenzen, die durch Rad und Reifen entstehen, verändern sich dabei. Diese Turbulenzen sind schädlich für alle aerodynamischen Strukturen, die hinter den Reifen liegen.
Neuer Heckflügel bei Alfa Romeo
Alfa Romeo brachte zur zweiten Testwoche einen neuen Heckflügel mit, bei dem die Befestigungspfeiler deutlich höher waren. Das Team profitiert von einer Lücke im Reglement, in dem so eine Lösung nie vorgesehen war. Legal ist es, solange die Befestigungen nicht mehr als 100 Millimeter von der Mittelachse des Autos abweichen. Eigentlich war jedoch gedacht, dass sie sich an der Unterseite des Heckflügels befinden.
Vergleich der Heckflügelversionen am Alfa Romeo C39
Foto: Giorgio Piola
Aus aerodynamischen Gründen sind die Teams allerdings mittlerweile zum Schwanenhals-Design übergegangen, bei dem die Befestigungen sich oben befinden. Auch bei Alfo Romeo erhofft man sich aerodynamische Vorteile beim Heckflügel und auch bei der Verwendung von DRS. Solche Spielereien gibt es nicht zum ersten Mal. BAR experimentierte damit bereits im Jahr 2004.
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