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Kolumne

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Daniel Ricciardo

Die Formel 1 verliert einen ihrer beliebtesten Fahrer: Daniel Ricciardo bestreitet seinen letzten Grand Prix, Frederik Hackbarth hat ihn dabei in Singapur begleitet

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Daniel Ricciardo

Nach dem Rennen in Singapur konnte Daniel Ricciardo schon wieder lachen

Foto: Frederik Hackbarth

Liebe Leserinnen und Leser,

von den Fans zum "Driver of the Day" gewählt, dazu noch die schnellste Rennrunde, und das im Racing Bull - ist doch sonnenklar, dass man da auch in unserer rennwöchentlichen Kolumne am besten schläft. Doch ganz so einfach ist die Geschichte um Daniel Ricciardo an diesem Wochenende in Singapur beileibe nicht erzählt.

Sie beginnt eigentlich schon ein paar Tage vor dem Grand Prix. Da plaudert Ralf Schumacher bei Sky endlich das aus, was die besser informierten unter den Formel-1-Journalisten schon länger wissen: Singapur wird Daniel Ricciardos letztes Rennen. Red Bull will ab Austin auf Junior Liam Lawson setzen.

Allein: Offiziell kommuniziert wird das nicht, auch nicht nach dem Schumacher-Leak. So beginnt in Singapur stattdessen ein unwürdiges Schauspiel: Ricciardo, längst über die Entscheidung informiert, wird der Presse in seinen Medienterminen am Donnerstag zum Fraß vorgeworfen, kann sich dabei drehen und wenden, wie er will - raus kommt er aus der Nummer nicht mehr, nur sagen darf er offiziell auch noch nichts.

Noch schlimmer wird das Rumgeeiere bei den Teamverantwortlichen: Solange keine Kommunikation erfolgt sei, sei alles offen, heißt es von Christian Horner und Co. - angesichts der bekannten Tatsachen kein mittleres, sondern ein komplettes PR-Desaster. Immerhin Helmut Marko lässt im Sky-Interview zwischen den Zeilen sehr klar durchblicken, wo die Reise für Ricciardo hingeht - nämlich nach Hause.

 

 
 

Der letzte Tanz mit den Funken: Ricciardo verabschiedet sich von der Formel 1

Der letzte Tanz mit den Funken: Ricciardo verabschiedet sich von der Formel 1

Foto: Motorsport Images

Genau 18 Jahre nachdem sein Trip durch den Red-Bull-Kosmos bei einem Nachwuchstest in Estoril begann, ausgerechnet im Shootout gegen den heutigen Red-Bull-Piloten Sergio Perez. Damals setzte sich Ricciardo durch, heutzutage aber traut man ihm nach einer durchwachsenen Saison mit schwankenden Leistungen bei den Racing Bulls nicht mehr zu, so signifikant besser als der Mexikaner im Red Bull zu sein, dass sich ein Wechsel lohnen würde.

Da der Comeback-Plan, mit dem Netflix-Wunschnarrativ einer Rückkehr ins Top-Team, damit de facto gescheitert ist, sieht man bei Red Bull nun nicht länger die Notwendigkeit, einen Platz im B-Team für den 35-Jährigen zu blockieren. Allein: Wie immer in der Formel 1, gibt es vor allem auch ein bestehendes Konstrukt aus Verträgen, Klauseln und Sponsorenübereinkünften, das einen klaren Cut, der Ricciardo den verdienten Abschied ermöglicht hätte, offenbar verhinderte.

Ärger, Akzeptanz und eine letzte Amtshandlung

Schlupflöcher, wie etwa eine erneute Rückkehr ins zweite Glied als Reservefahrer, wird es diesmal konsequenterweise auch keine geben, Ricciardo nach Informationen von Motorsport-Total.com freigestellt. Eine entsprechende Pressemitteilung wird noch im Laufe der Woche erwartet, allerdings nicht am Montag, damit das Versteckspiel vom Wochenende nicht ganz so lächerlich aussieht, wie es letztendlich war.

Hinter verschlossenen Türen, so heißt es im Fahrerlager, habe Ricciardo die Entscheidung zunächst nicht so gut aufgenommen, sei verständlicherweise verärgert gewesen. Mittlerweile habe sich aber eine gewisse Form von Akzeptanz eingestellt. Der Australier selbst bestätigt dies am Sonntag nach dem Rennen mit den Worten, er sei "im Frieden damit", wenn es das jetzt gewesen sein sollte für ihn mit der Formel 1, in der er eine erfolgreiche Karriere erleben durfte.

 

Ein letztes Mal

Ein letztes Mal "sweat baby, kikiki, raa, sweat, sweat, uh, uh!" in Singapur

Foto: Frederik Hackbarth

Und genau dieser Frieden ist auch das Stichwort. Der Grund, warum Daniel Ricciardo in der Nacht nach dem Singapur-Grand-Prix endlich wieder gut schlafen kann, ist der, dass "die ganze Scheiße, die hier abgeht", wie er selbst den medialen Spießrutenlauf und hausgemachten Zirkus um seine Person am Samstag noch nannte, nun endlich vorbei ist.

Kein Wunder also, dass bei Ricciardo persönlich nach dem Rennen, noch vor dem Wehmut, die Erleichterung überwiegt. Der Druck ist weg, der "Honigdachs" hat plötzlich sogar sein Lächeln wiedergefunden, das man das ganze Wochenende über vergeblich gesucht hatte.

So lief Ricciardos emotionaler Abschied aus der F1

Und: Er hatte nochmal Spaß, da draußen auf der Piste, brennt auf frischen Reifen ganz am Ende die schnellste Runde hin. Quasi ein kleines Abschiedsgeschenk des Rennstalls an seinen scheidenden Piloten. Klar, Hauptteam Red Bull und Weltmeister Max Verstappen nehmen den einen Punkt weniger, den sie dadurch im WM-Kampf gegen McLaren verlieren, gerne mit.

Wer Ricciardo kennt, weiß aber auch: Die eine letzte fliegende Quali-Runde - auf einem Stadtkurs, den er sehr mag, und auf dem er zwischen 2014 und 2017 viermal in Folge auf dem Podium stand - die wollte er sich nicht entgehen lassen, sondern das Gefühl in seinem Dienstwagen noch einmal so richtig genießen. Zumal ihm dadurch die Chance gegeben wurde, irgendwie doch noch Abschied zu nehmen, und das mit einem kleinen Ausrufezeichen.

 

Publikumsliebling Ricciardo: Die Fans beim Nachtrennen verabschiedeten sich

Publikumsliebling Ricciardo: Die Fans beim Nachtrennen verabschiedeten sich

Foto: Frederik Hackbarth

Überhaupt fällt am Sonntag auf, dass der Australier gewisse Dinge in seinen Routinen anders macht. Beim Aussteigen aus dem Auto lässt sich Ricciardo extrem viel Zeit, genauso wie nach dem Rennen im Media-Pen. Jede TV-Station wird abgeklappert, danach auch die schreibende Zunft, überall spricht er extrem ausführlich - fast, als wolle er alle verbleibenden Sekunden im Leben eines aktiven Formel-1-Fahrers komplett auskosten.

Nahezu eine geschlagene Stunde verbringt Ricciardo nach Rennende nur mit Interviews. "Er war sicherlich emotional", verrät uns Racing-Bulls-CEO Peter Bayer kurz darauf. Denn danach geht es für seinen Schützling zurück in die Boxengasse, zu seinem Team, wo der Australier zum Abschluss seines letzten Arbeitstages nochmal lange bei seinen Mechanikern ist, sich von jedem einzeln verabschiedet.

Und nicht anders verhält es sich anschließend auch mit einer kleinen Gruppe an Fotografen und Journalisten, der auch ich angehöre, die hinter der Box auf ihn wartet. "Ich weiß es zu schätzen", sagt er zu mir, als wir ein letztes Mal abklatschen. Ein kurzes Schulterklopfen, und natürlich ein letztes Grinsen, dann ist er weg ...

Bye-bye, Au revoir und Enchanté, Daniel Ricciardo!

Euer Frederik Hackbarth

 

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