Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Dietrich Mateschitz
Warum Dietrich Mateschitz stolz sein kann auf sein Lebenswerk im Motorsport und wie das Formel-1-Rennwochenende in Austin das eindrucksvoll unterstreicht
Liebe Leser,
das wird heute keine klassische Montagskolumne, aber das habt ihr euch bei der Überschrift sicher schon gedacht. Denn Dietrich Mateschitz als der Protagonist dieses Beitrags lebt nicht mehr. Er ist vor dem Rennen in Austin verstorben.
Ich erlaube mir trotzdem, ihm diese Letzte-Nacht-Kolumne zu widmen, schließlich kann Mateschitz auf ein erfolgreiches Lebenswerk im Motorsport zurückblicken. Das hat der USA-Grand-Prix 2022 in Austin am Wochenende eindrucksvoll unterstrichen.
Ein Getränkehersteller beendet die Mercedes-Dominanz
Mit dem Rennergebnis steht nämlich fest: Red Bull ist es gelungen, die seit dem Beginn der Turbo-Hybrid-Ära in der Formel 1 anhaltende Mercedes-Dominanz zu brechen. Seit 2014 hat Mercedes sieben Mal in Folge den Fahrertitel gewonnen, sogar acht Mal in Folge den Konstrukteurstitel.
Nun muss die Sternmarke erstmals in diesem Zeitraum eine Niederlage in beiden Gesamtwertungen hinnehmen. Und das ausgerechnet gegen einen Rennstall, der vor allem in den Anfangsjahren von vielen belächelt worden ist. Ganz nach dem Motto: "Die sind ja nur ein Getränkehersteller." So oder so ähnlich hat es selbst Lewis Hamilton einmal formuliert (und seine Meinung inzwischen revidiert).
Natürlich: Red Bull ist ein Getränkehersteller. Aber Red Bull ist auch so viel mehr als das. Weil es Mateschitz als der Unternehmenschef dazu gemacht hat, über Jahrzehnte hinweg.
Heute ist die Marke, die er groß gemacht hat, weltbekannt. Man findet die Dosen einfach überall. Mateschitz hat es wie kein Zweiter verstanden, seine Produkte, das Konzernimage und sogar einen ganz eigenen Lifestyle zu vermarkten, im ganz großen Stil.
Was Red Bull für die Formel 1 bedeutet
Und rein auf die Formel 1 bezogen muss man festhalten: Der Getränkehersteller hat geschafft, was viele Autohersteller nicht geschafft haben, nämlich Weltspitze zu sein in der "Königsklasse" des Motorsports und Platzhirsche wie Ferrari oder jetzt auch Mercedes zu entzaubern. Das nötigt Respekt ab.
Max Verstappen blickt auf den Red Bull RB18 mit dem markanten Markenlogo
Foto: Andy Hone / Motorsport Images
Umso mehr, wenn man bedenkt, was Red Bull für die Formel 1 bedeutet: Seit 2006 unterhält Mateschitz' Marke gleich zwei Teams, stellt mit ihren vier Fahrzeugen ein Fünftel des gesamten Feldes. Niemand sonst, kein anderes Unternehmen, unterhält eine solche Präsenz in der Boxengasse.
Sieben der beim USA-Grand-Prix 2022 gestarteten Fahrern hat Mateschitz den Aufstieg in die Formel 1 ermöglicht, er war Steigbügelhalter für ein Drittel des aktuellen Fahrerfeldes. Kein anderes Nachwuchsprogramm kann mit dieser Erfolgsquote auch nur annähernd mithalten.
Und es waren "seine" Fahrer, die in Austin die Schlagzeilen geschrieben haben: Carlos Sainz auf der Poleposition, Max Verstappen mit dem Sieg im Rennen, Sebastian Vettel als der "Fahrer des Tages". Alle drei sind im Red-Bull-Kader groß geworden.
Verstappen und Vettel sind es auch, die Mateschitz' Formel-1-Projekt mit Titeln in der Fahrerwertung gekrönt und so den ultimativen Erfolg erreicht haben: Weltmeister für Red Bull in einem Red Bull. Und künftig will das Team sogar auch noch selbst Antriebe produzieren.
Mateschitz' Verdienste um die moderne Formel 1
Nein, es ist ganz sicher nicht vermessen, wenn die Formel 1 vor dem Rennstart in Austin eine Gedenkminute für Mateschitz abhält und statt Schweigen Applaus spendet. Applaus für ein Lebenswerk im Motorsport, das weit über die Formel 1 hinausgeht: Es gibt kaum eine Rennserie, in der nicht ein Auto (oder Motorrad) mit Red-Bull-Branding unterwegs wäre. Da ist ein "Danke Didi", wie es über der Zielgeraden auf einem Banner zu lesen war, sehr angebracht.
Und Mateschitz hat es ja nicht bei Fahrern und Teams belassen. Er hat auch noch eine Traditionsstrecke gekauft, komplett renoviert und zu einem der modernsten Austragungsorte überhaupt gemacht: den Red-Bull-Ring bei Spielberg in Österreich, ein Leuchtturm-Projekt für die gesamte Branche.
Blick aus der ersten Kurve auf die Zielgerade am Red-Bull-Ring
Foto: Mark Sutton / Motorsport Images
Mateschitz ist es auch, dem die Formel 1 in der Saison 2020 ihren "Restart" während der Corona-Pandemie zu verdanken hat. Red Bull nahm sich der gewaltigen Aufgabe an. Auf die Grands Prix in Spielberg schaute die ganze Welt, sie wurden mit ihrem Hygienekonzept zur Blaupause für folgende Großveranstaltungen.
Der Mann im Hintergrund
All das hat Mateschitz mit seiner Marke möglich gemacht, und der Motorsport ist nur ein kleiner Ausschnitt seines Wirkens: Der Sport allgemein profitiert immens vom Red-Bull-Konzern. Viele Randsportarten haben erst durch Red Bull ein öffentliches Profil erhalten.
Zu verdanken ist das einem Unternehmer, der sich stets im Hintergrund gehalten hat: Mateschitz war kein "Frontman", hat nie das Blitzlichtgewitter gesucht. Selbst in der Formel 1 hat man ihn selten angetroffen, die Bühne hat er anderen überlassen.
Jetzt ist Dietrich Mateschitz im Alter von 78 Jahren verstorben, aber sein Vermächtnis lebt weiter, gerade in der "Königsklasse". Denn die moderne Formel 1 wäre ohne Red Bull gar nicht vorstellbar. Man denke nur an das "Wunder von Monza" 2008 mit Vettel oder dessen ersten WM-Triumph zwei Jahre später in Abu Dhabi: Freudentränen powered by Mateschitz – und jetzt weint die Welt um ihn.
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Und wer nach dem Rennen in Austin nicht gut geschlafen hat? Das erfahrt ihr wie immer in der Schwesterkolumne von Chefredakteur Christian Nimmervoll auf Motorsport-Total.com.
Euer
Stefan Ehlen
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