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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Kritik auf hohem Niveau: Warum Ungarn gleichzeitig gezeigt hat, wie gut Charles Leclerc ist und wo er im Vergleich zu Sebastian Vettel trotzdem noch Defizite hat

Charles Leclerc, Ferrari

Foto: Mark Sutton / Motorsport Images

Liebe Leserinnen und Leser,

es gibt Wochenenden, da drängen sich Kandidaten für unsere Montags-Kolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" regelrecht auf. Und es gibt Wochenenden, da muss ich am Montagmorgen erstmal ein wenig grübeln, um jemanden zu finden, den man als einen der Verlierer des gerade beendeten Grand Prix thematisieren könnte.

Heute ist Letzteres der Fall.

Beim Blick auf die Ergebnisliste sticht schon der eine oder andere Name ins Auge. Jener von Valtteri Bottas zum Beispiel, denn nach dem Abflug in Hockenheim leistete sich der Finne am Hungaroring den nächsten Schnitzer. Selbst einen Fehler zu machen, ist eine Sache. Aber mit dem Teamkollegen zu kollidieren, das ist ein No-Go im Mercedes-Universum.

Esteban Ocon wird sich - man kann ihm das nicht übel nehmen - zumindest innerlich die Hände gerieben haben, als Bottas Lewis Hamilton in Kurve 3 beinahe das linke Hinterrad aufgeschlitzt hätte. Toto Wolff wird die Fahrerentscheidung sicher nicht nur auf Basis von Hockenheim und Budapest treffen. Aber zumindest sind das zwei Rennen, die eher für Ocon als für Bottas sprechen.

Pierre Gasly ist auch so ein Kandidat. Während Max Verstappen inzwischen regelmäßig um Siege kämpft, hat der Franzose in der WM nur fünf Punkte Vorsprung auf McLaren-Pilot Carlos Sainz. Das ist nicht akzeptabel. Helmut Marko wird sich vielleicht ärgern, dass er Sainz für McLaren freigegeben hat, statt ihn zu Red Bull zurückzuholen.

Ob an den Gerüchten was dran ist, dass Red Bull für 2020 Daniel Ricciardo zurückholen möchte, kann ich Stand heute nicht beurteilen. Wie heißt es so schön im Paddock-Jargon? Stranger things have happened before! Ricciardo hat sicher eine erfolgsabhängige Ausstiegsklausel in seinem Renault-Vertrag. Und Red Bull schöpft, was die eigenen Junioren angeht, aktuell nicht gerade aus dem Vollen.

Zum Thema:

Doch lassen wir die wilden Spekulationen beiseite und konzentrieren wir uns auf den, der letzte Nacht möglicherweise am schlechtesten geschlafen hat. Für mich war das nach dem Grand Prix von Ungarn Charles Leclerc.

Das mag auf den ersten Blick eine merkwürdig anmutende Wahl sein. Leclerc war in allen drei Quali-Segmenten schneller als Sebastian Vettel, er hatte den Teamkollegen auch im Rennen über weite Strecken im Griff. 24 Punkte Rückstand nach zwölf Rennen sind für einen Newcomer in einem Team wie Ferrari, noch dazu gegen einen viermaligen Weltmeister, kein Beinbruch. Und das Qualifying-Duell ist ausgeglichen.

Eigentlich keine schlechte Bilanz.

Daher möchte ich vorwegschicken: Leclerc schlecht schlafen zu lassen, das geht nur, wenn man für ihn den allerhöchsten Maßstab anlegt und davon ausgeht, dass er trotz seiner Jugend bereits zum Kreis der großen Fahrtalente in der Formel 1 gehört. Zu den Verstappens, Hamiltons und Vettels dieser Welt.

Das tue ich.

 

Aber gerade die letzten Wochen haben gezeigt, dass Leclerc - und das steht ihm im zarten Alter von 21 Jahren auch zu - noch drei Dinge fehlen, die die etablierten Stars schon haben: Erfahrung, Ruhe und Gelassenheit.

Rein vom Speed her, das zeigt sich immer deutlicher, kann Leclerc wahrscheinlich sogar schneller Autofahren als Vettel. Aber wenn's hart auf hart kommt, unterlaufen ihm manchmal Fehler, die vermeidbar sind.

Der Crash im Baku-Qualifying fällt einem spontan ein, der nicht hätte sein müssen. Die übermotivierte Vorstellung in Monte Carlo, nachdem Ferrari das Qualifying versemmelt hatte. Der Abflug in Hockenheim war insofern völlig unnötig, als er seine Grenzen an der Stelle schon davor zweimal ausgetestet hatte. Und jetzt der verlorene Zweikampf gegen Vettel in der drittletzten Runde auf dem Hungaroring.

Zum Thema:

Ja, Leclerc hatte im Vergleich zu Vettel nicht nur die härteren (Hard gegen Soft), sondern auch die stärker gebrauchten Reifen (um zwölf Runden). Aber es war für die Dynamik im teaminternen Generationenduell ein wichtiger Zweikampf, der da in der Schlussphase des Rennens stattgefunden hat. Und Leclerc hat ihn verloren.

Im Grunde genommen war Platz drei nicht zu verteidigen. Leclerc zog vor der ersten Kurve entschlossen nach innen und schlug die Tür so hart zu, wie man sie dem eigenen Teamkollegen gerade noch zuschlagen darf. Aber Vettel blieb konsequent wie in seinen besten Tagen, zog trotzdem nach innen - und gewann das Bremsduell auf der letzten Rille.

Das war einerseits tolles Racing. Und es hat andererseits gezeigt, wie hart Leclerc und Vettel gegeneinander kämpfen, und wie wichtig es für jeden der beiden ist, sich gegen den jeweils anderen zu profilieren. Für Vettel vielleicht ein bisschen mehr als für Leclerc.

Es sah zuletzt ein bisschen so aus, als würde der Youngster im Team dem alten Herren (eine gewagte Formulierung eines 37-jährigen Kolumnisten über einen 32-jährigen Rennfahrer!) den Rang ablaufen. Und man konnte beim Manöver in Budapest regelrecht spüren, wie wichtig es für Vettel war, seinem Team und der Welt zu beweisen, dass man ihn noch nicht abschreiben sollte.

Er hat alles in dieses Manöver reingelegt. Und er hatte damit Erfolg.

 

Nun ist das sicher mehr ein Sieg für Vettel als eine Niederlage für Leclerc. Aber in keinem anderen Sport als der Formel 1 ist es so wichtig, sich gerade gegen den eigenen Teamkollegen zu beweisen.

Leclerc, das muss man ihm hoch anrechnen, ist immer der Erste, der die Hand hebt, wenn es darum geht, eigene Fehler anzusprechen. Er sucht niemals nach Ausreden, bezeichnet sich in der ersten Emotion am Boxenfunk oft selbst als "dumm" oder als "Idiot". Das ist löblich. Zeigt aber auch, dass er noch nicht die Ruhe und Gelassenheit eines großen Champions hat.

Ein selbstkritischer Umgang mit eigenen Fehlern ist elementar für das Bestreben, sich zu verbessern. Aber Fehler zu machen und sich nachher dafür zu entschuldigen, das reicht nicht. Irgendwann muss Leclerc die Fehler auch einfach abstellen.

Ganz neu ist das nicht. Schon in seinem Sauber-Jahr 2018 haperte es nicht am Speed, sondern eher daran, dass ihm immer wieder vermeidbare Fehler unterliefen. Der inzwischen verstorbene Ferrari-Präsident Sergio Marchionne wusste das genau, ging das Risiko aber trotzdem ein. Selbst wenn Leclerc die eine oder andere Dummheit unterlaufen würde: Man hat ja noch Vettel als Bank.

Und genau so ist es gekommen. Leclerc ist, rein was den Speed betrifft, wahrscheinlich die heißere Ferrari-Aktie für die nächsten Jahre. Aber in der Fahrer-WM liegt er trotzdem hinter Vettel, und das liegt genau an den Dingen, die ich gerade beschrieben habe.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Leclercs Leistungen sind für sein Alter und seine Erfahrung herausragend. Aber sein Anspruch muss sein, dass man in solchen Sätzen den Zusatz "für sein Alter und seine Erfahrung" nicht mehr braucht.

2019 ist das noch okay. 2020 muss er das abstellen.

Dann wird Ferrari mit Charles Leclerc noch sehr, sehr viel Freude haben ...

Christian Nimmervoll

P.S.: "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" fand jahrelang jeden Montag auf unseren Portalen Formel1.de und Motorsport-Total.com statt. 2019 ist sie umgezogen zu de.motorsport.com. Auf unseren Schwesterportalen erfahren Sie stattdessen, "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat". Diesmal: Mick Schumacher.

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