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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Frederic Vasseur

Es gibt eine Vielzahl von Problemen bei Ferrari, aber das vielleicht größte davon hat der Grand Prix von Monaco zum Vorschein gebracht: Verlust von Vertrauen

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Frederic Vasseur

Liebe Leser/-innen,

nach diesem Grand Prix von Monaco gibt es einige Kandidaten, die letzte Nacht schlecht geschlafen haben könnten (und auch einen, der laut meinem Kollegen Stefan Ehlen gut geschlafen hat, nämlich Alpine-Pilot Esteban Ocon).

Mir fällt da zum Beispiel Sergio Perez ein, der nach dem aus seiner Sicht herausragenden Saisonauftakt langsam also doch von der Realität eingeholt wird und in der WM inzwischen 39 Punkte Rückstand auf Max Verstappen hat. Was genau so erwartbar war, wie ich bereits in meiner Miami-Kolumne geschrieben habe.

Oder George Russell, der ein mögliches Monaco-Podium durch einen für ihn untypischen Fahrfehler weggeschmissen hat und der am Boxenfunk später sogar von Teamchef Toto Wolff himself kalmiert werden musste.

Oder auch Lando Norris, denn wenn du mit dem McLaren, dessen allergrößte Stärke Strecken wie Monaco sind, am Ende Neunter wirst, dann hast du ein Problem.

Vielleicht auch Franz Tost. Allerdings weniger wegen der Leistung von AlphaTauri, denn die wird dank einer erstaunlich schnellen technischen Weiterentwicklung immer besser (übrigens auch bei Nyck de Vries). Aber mir würde es Angst machen, wie Yuki Tsunoda neuerdings gefühlt zum Psychopathen mutiert, wenn er so mechanische Begriffe wie "Understeer" oder "Brakes" in den Boxenfunk plärrt.

Für die besonders Humorfreien unter den Lesern sei angemerkt: Nach "zum Psychopathen mutiert" würde man in einem Social-Media-Posting wahrscheinlich einen Zwinkersmilie setzen. In einer Kolumne auf einem ernstzunehmenden Nachrichtenportal finde ich das nicht angemessen. (Schon klar, dass der eine oder andere den Zwinkersmilie vielleicht eher hinter "ernstzunehmendes Nachrichtenportal" setzen würde. Aber lassen wir das ...)

War es unter Binotto wirklich um so viel schlechter?

Tatsächlich ernst ist die Lage bei Ferrari. Die Sorgen von Teamchef Frederic Vasseur, und das meine ich jetzt ernst, die werden nicht kleiner, je länger er für die Scuderia aus Maranello arbeitet, sondern immer größer.

Da ist einmal die Performance des Autos. Im Vergleich zum 2022er-Ferrari, der noch unter der Führung von Vasseurs Vorgänger Mattia Binotto entstanden ist, ist der SF-23 ein Rückschritt. Im Renntempo fehlen durchschnittlich 0,66 Sekunden pro Runde auf den Branchenführer Red Bull RB19; damit ist Ferrari, knapp hinter Mercedes, derzeit nur die Nummer 4 der Formel-1-Hackordnung.

Aber viel mehr Sorgen bereiten würde mir an Vasseurs Stelle, dass einige der wichtigsten Menschen, die das Herz von Ferrari darstellen, offenbar das Vertrauen verlieren und das Weite suchen.

Binotto mag mit seiner Doppelrolle als Teamchef und Technischer Direktor eine Zeit lang überfordert gewesen sein, und John Elkann wird sicher gute Gründe dafür gehabt haben, ihn zu entfernen, die wir nicht in vollem Umfang kennen. Aber Tatsache ist, dass Ferraris Formkurve unter Binotto nach oben gezeigt hat und jetzt nach unten zeigt.

Das große Problem ist, dass Binotto in Maranello (nicht von allen, aber von einigen) als "einer von uns" gesehen wurde, schließlich war er früher mal selbst ein einfacher Motoreningenieur. Es soll eine ganze Gruppe Techniker geben, die am liebsten weiter unter ihm gedient hätte und die sich mit dem Gedanken schwertut, dass Vasseur jetzt ihr Chef ist, hört man.

Und dann gibt's da noch Laurent Mekies, ein fähiger Mann, der bei Minardi beziehungsweise Toro Rosso ausgebildet wurde, dann in der FIA Karriere machte und heute der neue Charlie Whiting sein könnte, wenn er nicht 2018 dem Ruf von Ferrari gefolgt wäre, um Sportdirektor zu werden.

Es ist kein Geheimnis, dass Mekies, ein ehrgeiziger Franzose im besten Manageralter (46), den Ehrgeiz hatte, selbst Teamchef zu werden, als Binotto entsorgt wurde, und folgerichtig jetzt zu AlphaTauri nach Faenza zurückkehrt, wo ursprünglich mal alles angefangen hat. Ein herber Verlust, befürchte ich aus Ferrari-Sicht.

Verlieren wichtige Mitarbeiter das Vertrauen in Ferrari?

Noch mehr Gedanken machen würde ich mir aber darüber, dass die zwei vielleicht wichtigsten Mitarbeiter, nämlich die, die die Arbeit von hunderten Kollegen letztendlich im wahrsten Sinne des Wortes auf die Straße bringen müssen, nicht den Anschein übertriebenen Vertrauens in ihr Management erwecken.

Wenn man sich mal die Mühe macht, via F1 TV den Boxenfunk von Carlos Sainz etwas länger anzuhören, als bei Ferrari der Reifenwechsel anstand, dann hört man einen frustrierten Rennfahrer, der das Vertrauen in jene Ingenieure, denen er normalerweise blind vertrauen sollte, verloren zu haben scheint.

 

Sainz' Ausraster darüber, dass ihn Ferrari seiner Meinung nach zu früh an die Box geholt hat, mag ziemlich hart und ziemlich unnötig gewesen sein, wie er nach dem Rennen in den TV-Interviews selbst einräumte. Aber er zeigt halt, dass die Nerven blank liegen.

Ich kann Sainz ein bisschen verstehen. Ferrari ist in den vergangenen Monaten zur Slapsticknummer geworden. Als uns allen dämmerte, dass es in Monaco bald regnen würde, war es nur eine Frage der Zeit, bis Ferrari die beiden Fahrer reinholt, um auf Trockenreifen zu wechseln. Genau so kam es, und kaum waren die Ferraris auf den Trockenreifen, begann es zu regnen.

Ferrari wird zur Lachnummer im Formel-1-Paddock

Das hat in Monaco nicht nur Ferrari, sondern auch andere erwischt (Grüße an Fernando Alonso und Aston Martin); aber bei Ferrari ist es so, dass bissige Kommentatoren unter den Medienvertretern im Paddock schon empfehlen, gar keine eigenen Strategen mehr einzustellen, sondern einfach nur Ferrari zu beobachten und genau das Gegenteil zu tun.

Auch Charles Leclercs Vertrauen in sein Umfeld bei Ferrari war sicher schon mal größer. Es ist nicht so, dass nicht auch er selbst Mist gebaut hätte; aber dass sein Renningenieur am Samstag völlig verpennt, ihn im Qualifying vor dem von hinten kommenden Norris zu warnen (ausgerechnet, schon wieder, bei seinem Heimrennen in Monaco), das darf in einem professionellen Team einfach nicht passieren.

Leichter gesagt als getan, ich weiß. Aber die anderen kriegen es ja auch hin.

Wenn die Fahrer ihrem eigenen Team nicht mehr Vertrauen - und diesen Eindruck kann man gerade gewinnen -, dann hat der Teamchef ein großes Problem. Zumal es nicht nur um taktische Missgeschicke und verunglückte Kommunikation am Boxenfunk geht.

Gerüchte tragen nicht zum inneren Seelenfrieden bei

Wenn Leclerc und Sainz die Zeitung aufschlagen, dann lesen sie dieser Tage auch, dass ihr oberster Chef John Elkann Lewis Hamilton ein 46 Millionen Euro schweres Angebot gemacht haben soll. Jetzt kann man darüber streiten, wie treffsicher die 'Daily Mail' mit ihren Scoops in den vergangenen Jahren war. Dass der Journalist Jonathan McEvoy so eine Story einfach erfindet, weil ihm gerade langweilig ist, will ich nicht glauben.

Dass einer wie Leclerc neidisch auf Lewis Hamilton blickt, der bei Mercedes ein Umfeld vorfindet, das von gegenseitigem Vertrauen geprägt ist und in dem auch jemand wie Mike Elliott, unter dessen Verantwortung die Dinge in der Fahrzeugtechnik angefangen haben schiefzulaufen, nicht kaltblütig entsorgt wird, und in dem auch in schwierigen Zeiten der Zusammenhalt nicht leidet und man geschlossen zueinander steht, halte ich für plausibel.

Es muss wieder Ruhe einkehren bei Ferrari, und es braucht wieder einen wie Jean Todt, der intern knallhart aufräumt und damit bei der Belegschaft keine Sympathiepreise gewinnt; nach außen hin aber die schützende Hand über die Scuderia hält und dafür sorgt, dass Konflikte intern gelöst werden. Was beim tief verwurzelten Verhältnis zwischen Ferrari und der italienischen Presse gar nicht so einfach ist.

Ferrari: Ist die Situation mit 1996 vergleichbar?

Michael Schumacher hat fünf Jahre gebraucht, um mit Ferrari Weltmeister zu werden. Auch damals, 1996, war Ferrari die Lachnummer der Formel 1. Technische Ausfälle schon in der Aufwärmrunde, interne Streitereien mit dem nach England ausgelagerten Designbüro von John Barnard, Schumacher, der Zweifel hatte, ob sein Wechsel weg von Benetton wirklich richtig war - es war, wie wir manchmal ob der Erfolge ab 2000 verdrängt haben, wirklich die volle Bandbreite.

Michael Schumacher, Jean Todt

1996 war auch nicht alles golden bei Ferrari, aber das Vertrauen war da

Foto: Motorsport Images

Den Ferrari-Mitarbeitern zu erklären, dass es in der Mittagspause keinen Lambrusco mehr gibt, war nicht vom ersten Tag an populär. Aber Todts konsequente Linie führte nach chaotischen Jahren zum Erfolg. 21 Jahre nach Jody Scheckter gewann Schumacher 2000 wieder eine Fahrer-WM.

Der bisher letzte Ferrari-Champion war Kimi Räikkönen. Das war 2007. So gesehen hat Vasseur, wenn man die Analogie zu Scheckter-Schumacher aufstellen möchte, noch fünf Jahre Zeit.

Euer

Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar . Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

Mit Bildmaterial von circuitpics.de.

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