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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Toto Wolff

Wahrscheinlich nicht aus den Gründen, die Sie vermuten: Warum Mercedes-Teamchef Toto Wolff nach dem Formel-1-Finale in Abu Dhabi eine unruhige Nacht gehabt haben dürfte

Toto Wolff, Team Principal and CEO, Mercedes AMG

Foto: Mark Sutton / Motorsport Images

Liebe Leser,

es wäre einfach und naheliegend, im Gegenstück zur Schwesterkolumne meines Kollegen Christian Nimmervoll bei Motorsport-Total.com (hier klicken und Artikel lesen!) einfach den anderen WM-Kandidaten zum Protagonisten zu nehmen, der den Titel eben nicht gekriegt hat: Lewis Hamilton. Doch das wird in meinen Augen dem Namen dieser Kolumne nicht gerecht.

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat, das kann nicht Hamilton sein. Denn er hat sich nichts vorzuwerfen. Sein Auftritt beim Formel-1-Finale in Abu Dhabi war makellos. Hamilton hat seinen Teil getan. Und auch wenn er den historischen achten Titel nicht erreicht hat, er hat Größe bewiesen in der Stunde der Niederlage, und das nötigt mir viel Respekt ab.

Ich glaube zwar, dass Hamilton nach all den Ereignissen keine besonders ruhige Nacht verbracht hat. Wie auch? Ich kann mir aber gut vorstellen, dass jemand noch weitaus schlechter geschlafen hat als Hamilton, sofern er überhaupt ein Auge zugemacht hat, und das ist Mercedes-Teamchef Toto Wolff.

Netzurteil: Toto Wolff als "schlechter Verlierer"

In den sozialen Netzwerken war Wolff nach Bekanntgabe der Mercedes-Proteste gegen Max Verstappen und das Vorgehen der Rennleitung sofort und häufig als "schlechter Verlierer" abgestempelt worden. Als jemand, der die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen könne und deshalb versuche, das Ergebnis "am grünen Tisch" noch zu drehen.

Das sehe ich anders. Und ich möchte in dieser Kolumne gerne erklären, warum ich Wolff nicht für einen "schlechten Verlierer" halte, sondern für jemanden, der durch äußere Umstände in einem ganz großen Dilemma gelandet ist, aus dem es eigentlich keinen Ausweg gibt.

Die Schlussphase in Abu Dhabi

Denn Mercedes-Fahrer Hamilton hat das Rennen in Abu Dhabi dominiert und den Titel nur dadurch verloren, dass es kurz vor Schluss eine Safety-Car-Phase mit Restart zur letzten Runde gegeben hat. Auf alten Hard-Reifen war Hamilton praktisch chancenlos gegen Verstappen mit neuen Softs und kam schließlich als Zweiter ins Ziel, im Rennen wie in der WM.

Eine Safety-Car-Phase kurz vor Schluss und deren Ende ändert alles

Eine Safety-Car-Phase kurz vor Schluss und deren Ende ändert alles

Foto: Sam Bloxham / Motorsport Images

Seinen Unmut über diese Entwicklung hatte Wolff noch vor dem Fallen der Zielflagge kundgetan, lautstark am Funk gegenüber FIA-Rennleiter Michael Masi. O-Ton: "Das ist nicht richtig!" Und das ist eine sehr nachvollziehbare Reaktion, wenn man bedenkt, wie viel auf dem Spiel stand, und wie ungewöhnlich Rennleiter Masi in dieser Situation vorgegangen war.

Toto Wolff hat keine Wahl

Als Teamchef konnte Wolff das nicht kommentarlos stehenlassen. Und er konnte auch das Ergebnis nicht einfach so hinnehmen.

Warum nicht? Weil es hier um den größten Titel im Motorsport geht, um jede Menge Prestige, um den maximalen Werbeeffekt. All das ist der Fahrertitel in der Formel 1.

Die Teams mögen noch so oft beteuern, der Konstrukteurstitel sei eigentlich der viel wichtigere Titel, er ist es in der öffentlichen Wahrnehmung einfach nicht. Gar nicht. Nicht mal ansatzweise.

Die Konstrukteurs-WM interessiert vielleicht die Vorstandsetage, die über das Marketing-Budget fürs nächste Jahr entscheidet, juckt aber sonst niemanden. Selbst Mercedes hat gestern Abend nach dem Rennen in den sozialen Medien kein Wort über den achten WM-Titelgewinn in Folge verloren. Weil sich alles um den anderen Titel dreht, den Mercedes eben nicht gewonnen hat.

Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt: Man hat später noch Party gemacht in Abu Dhabi, auch Teamchef Wolff war dabei. Das belegt ein kurzes Video in den sozialen Netzwerken:

 

Die Proteste als logische Konsequenz

Wenn sich das Mercedes-Team aber ungerecht behandelt und durch äußere Umstände um den Titel gebracht sieht, dann ist es Wolff als Teamchef seinem Fahrer Hamilton, seiner Mannschaft vor Ort im Werk und der Marke im Hintergrund schuldig, hier zu intervenieren. Die Proteste kurz nach Rennende, sie waren daher keine Überraschung, nur die logische Konsequenz dessen, was auf der Strecke passiert ist.

Ich mache Wolff und Mercedes dafür keinen Vorwurf. Wolff leitet eine Rennoperation von über 1.000 Personen unter einem dreistelligen Millionenbudget, die einzig und alleine darauf ausgerichtet ist, in der Formel-1-Weltmeisterschaft beide Titel zu gewinnen, wie immer seit 2014.

Es sah gut aus, sehr gut sogar, dass das auch 2021 wieder gelingen würde. Und wenn aus Wolffs Perspektive nur der Funken an Verdacht besteht, der WM-Titelgewinn in der Fahrerwertung könnte Mercedes durch unlautere Mittel entgangen sein, dann muss er nachhaken, Protest einlegen. Wolff hat gar keine andere Wahl.

… ebenso wie die angekündigte Berufung

Und das ist noch nicht mal das große Dilemma, von dem ich eingangs gesprochen habe. Denn das kommt erst noch, es entwickelt sich gerade, weil die beiden Mercedes-Proteste nach dem Rennen von den FIA-Sportkommissaren abgewiesen worden sind und das Team sofort seine Berufungsabsicht bekundet hat.

Auch das ist ein völlig normaler Vorgang. Denn wenn Mercedes nicht grundsätzlich bereit wäre, in zweiter Instanz gegen die Vorfälle vorzugehen, dann hätte man gar nicht erst Protest einzulegen brauchen. Ein Schritt ergibt hier ganz logisch den nächsten. Und nicht nur bei Mercedes, sondern auch bei jedem anderen Team, das sich in dieser Position befinden würde. Auch das sei an dieser Stelle betont.

Wichtig zu wissen ist aber: Mercedes hat lediglich seine Absicht angekündigt, eine Berufung anzustreben. Ob es tatsächlich zu einer Berufungsverhandlung kommt, das ist noch offen. Hier muss Mercedes bis Donnerstag eine Entscheidung treffen: mit der Berufung fortfahren oder nicht.

Es kann jetzt nur noch Verlierer geben

Und an dieser Stelle kommt Wolff wieder ins Spiel. Ihn dürfte die Situation schon in der Nacht von Sonntag auf Montag den Schlaf geraubt haben. Denn egal, was jetzt noch passiert, es kann eigentlich nur Verlierer geben.

Lewis Hamilton gratuliert Max Verstappen zum WM-Titelgewinn

Lewis Hamilton gratuliert Max Verstappen zum WM-Titelgewinn

Foto: Steve Etherington / Motorsport Images

In der öffentlichen Meinung stehen Wolff und Mercedes jetzt schon als "schlechte Verlierer" da, weil sie es sich erlaubt haben, die Vorgänge in der Schlussphase des Formel-1-Finalrennens anzuzweifeln.

Was wäre, wenn?

Und jetzt stelle man sich vor, Mercedes legt offiziell Berufung ein und die Verhandlungsphase zieht sich über Tage, vielleicht über Wochen hin. Wer Formel-1-Weltmeister 2021 ist, das wäre auf einmal wieder völlig offen (ist es praktisch ohnehin, solange die FIA den WM-Pokal nicht offiziell an Verstappen übergeben hat).

In diesem Fall spielt es wahrscheinlich nicht mal eine große Rolle, wie das Berufungsverfahren letztlich ausgehen würde. Der Schaden wäre angerichtet: Die Formel 1 als wichtigste, als größte Rennserie der Welt, sie würde weit nach Saisonende "am grünen Tisch" darüber verhandeln, wer denn nun Meister sein darf und wer nicht. Einen größeren Imageschaden kann man sich eigentlich nicht vorstellen.

Stellt man sich dann noch vor, im Zuge der Aufarbeitung würde Verstappen der WM-Titel weggenommen und Hamilton zugesprochen, der GAU für die Formel 1, er wäre da.

Hamiltons achter Titel, aber zu welchem Preis?

Eine der verrücktesten Saisons bisher würde im Gerichtssaal ihr Ende finden und nicht auf der Rennstrecke. Damit könnte es sich die Formel 1 bei ihren Fans weltweit noch deutlich mehr verscherzen als (zum Beispiel) beim Skandalrennen 2005 in Indianapolis beim US-Publikum.

Hamilton wäre dann zwar achtmaliger Weltmeister, hätte einen historischen Formel-1-Rekord aufgestellt und Michael Schumacher endgültig entthront, aber zu welchem Preis? Hätte dieser achte Titel nicht auf ewig das "Manko", er wäre nur "am grünen Tisch" erstritten worden?

Mercedes-Teamchef Toto Wolff

Mercedes-Teamchef Toto Wolff

Foto: Steve Etherington / Motorsport Images

Und wie käme Mercedes wohl aus dieser Nummer raus? Als eine Marke, die zwar eigentlich beteuert hat, die WM "auf der Strecke" gewinnen zu wollen, am Ende aber doch die Anwälte bemüht? Was für einen Nachhall hätte das für einen der größten Autobauer der Welt, der auch darauf angewiesen ist, dass Menschen sich mit seinen Werten identifizieren und – vor allem – Autos kaufen?

Die Hypothek dieser Gedanken

Ich kenne die Antworten auf all diese Fragen nicht. Ich kann nur mutmaßen. Und froh darüber sein, dass nicht ich derjenige bin, der all das abzuwägen hat in den nächsten Tagen. Denn es ist Toto Wolff, der sich dazu Gedanken machen muss. Gedanken darüber, ob Mercedes die Berufung aufrechterhält oder nicht. Ob die Formel-1-Saison 2021 mit dem Sonntag in Abu Dhabi endet oder nicht. Ob man bereit dazu ist, all das aufs Spiel zu setzen, was man bisher erreicht hat, oder nicht.

Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man mit der Hypothek dieser Gedanken auch nur ein Auge zugemacht haben kann in der Nacht von Sonntag auf Montag. Und deshalb glaube ich: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat, das kann nur Toto Wolff sein.

Einverstanden? Widerspruch? Lassen Sie uns reden!

Sie denken ähnlich? Oder ganz anders? Dann lassen Sie uns darüber reden: Folgen Sie mir gerne auf Facebook und/oder Twitter, wo ich diese Kolumne – und weitere aktuelle und historische Themen aus der Formel 1 und dem Motorsport allgemein – gerne mit Ihnen diskutiere. Schreiben Sie mir!

Werfen Sie gerne auch einen Blick auf unseren Formel-1-Adventskalender auf dem YouTube-Kanal unseres Schwesterportals Formel1.de – dort öffnen wir bis 24. Dezember 2021 täglich ein "Türchen" mit kuriosen Anekdoten und Fakten aus der Formel-1-Historie. Gerne mal reinschauen!

Und wer nach dem Rennen in Abu Dhabi am besten geschlafen hat? Das erfahren Sie dieses Mal in der Schwesterkolumne von Chefredakteur Christian Nimmervoll auf Motorsport-Total.com. Hier klicken!

Ihr
Stefan Ehlen

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