Wie Zoom dabei geholfen hat, die Zukunft der Formel 1 zu verändern
Auch in Zeiten der Corona-Pandemie musste die Zukunft der Formel 1 gestaltet werden: Und das hat auch ohne physisches Treffen geklappt, wie sich gezeigt hat
Die COVID-19-Pandemie hat dafür gesorgt, dass ein Großteil der Welt ihre Büroräume verlassen musste, um die Arbeit zuhause im Homeoffice zu verrichten. Hoch im Trend standen dabei auch Videokonferenzen, und die Videoplattform Zoom wurde schnell zu einer der meistgenutzten Apps auf der Welt.
Nicht nur wichtige Regierungstreffen oder ein gemütliches Wiedersehen mit der Familie fanden darüber statt, auch die Formel 1 hat damit ihre Zukunft gestaltet. Von zuhause aus wurden viele Entscheidungen getroffen, die den Sport für immer verändern werden.
Auch selten gehörte Stimmen kamen durch das neue System zu Wort, anstatt neben den anderen unterzugehen. Vor allem Williams-Teamchefin Claire Williams hat sich begeistert darüber gezeigt: "Ich bin ständig die einzige Frau in den Meetings", sagt sie zu 'Sky'. "Ich zähle immer die Männer im Raum, und normalerweise bin ich mit etwas mehr als 30 Kerlen in einem Raum, von daher komme ich nie zu Wort."
"Aber in Zoom hat man die Möglichkeit, seine Hand zu heben. Und Nikolas Tombazis von der FIA, der diese Meetings führt, führt diese brillant. Niemand darf sprechen, außer er hat seine Hand gehoben", so Williams weiter.
Claire Williams kommt endlich auch einmal zu Wort Foto: Motorsport Images
"Ich komme nun auch endlich mal zu Wort, weil alle zuhören müssen, wenn du an der Reihe bist. In einem normalen Meeting kannst du nicht einfach weiterreden oder versuchen, auch mal zu Wort zu kommen", sagt sie.
Alle wichtigen Entscheidungen virtuell
Das letzte echte Formel-1-Meeting fand am frühen Freitagmorgen in Melbourne in einem Hotel statt und führte zur Absage des Australien-Grand-Prix. Seit damals haben die Formel-1-Bosse nicht nur über die Wiederaufnahme der Saison gesprochen, sondern auch den Grundstein für eine nachhaltigere Zukunft gelegt.
Normalerweise würde man eher kleinere Themen in einem kurzen Videochat besprechen. Doch eine Verlegung der neuen Regeln auf 2022, ein neues Aerodynamik-Handicap-System und vor allem ein Einschnitt in die Budgetgrenze wurden in den vergangenen Wochen über Zoom-Meetings festgelegt
"Sie waren wirklich produktiv", sagt Williams. "Das war wirklich unglaublich vernünftig für die Zukunft unseres Sports. Wir haben sichergestellt, dass alles gemacht wurde, was nötig war, damit wir als Teams eine starke Zukunft im Sport haben können."
Laut Haas-Teamchef Günther Steiner habe es aufgrund der Wichtigkeit der Angelegenheiten eine bessere Zusammenarbeit unter den Teams gegeben, zu kleinen politischen Spielchen sei es aber dennoch gekommen.
"Manchmal kann man sehen, dass jeder seinen eigenen Standpunkt bei etwas hat", sagt Steiner bei 'Sky'. "Ich würde nicht sagen, dass sie alle austricksen wollten, aber jeder versucht einfach, sein Bestes zu geben, wo er herkommt oder wo er am meisten weiß."
"Manchmal gibt es schon ein paar Spielchen, bei denen man sehen kann, wo er herkommt. Jeder kommt mit dieser Expertise in das Meeting und versucht bei einigen Dingen der smarteste Typ im Raum zu sein", so Steiner.
Im Grunde seien es aber "sehr gebildete und faire Diskussionen" gewesen. "Die FIA hat sich ebenfalls richtig reingehangen. Sie haben hart gearbeitet, um all die Kompromisse zu erreichen. Das ist harte Arbeit, weil es wirklich um das Wesentliche geht und sie mit Sicherheit nicht die Anzahl an Leuten hinter sich haben wie wir."
Sainz-Deal per Videokonferenz
Die Teamchefs waren aber nicht die einzigen, die wichtige Entscheidungen in Videocalls getroffen haben. Im Fall von Carlos Sainz wurde sein Wechsel zu Ferrari 2021 nicht mit einem Handschlag besiegelt, sondern im Cyberspace.
Der Spanier hat alles Mögliche getan, um die McLaren-Bosse Zak Brown und Andreas Seidl über die Gespräche mit Ferrari auf dem Laufenden zu halten. Zwar starteten diese bereits im Winter, finalisiert wurde der Deal jedoch erst, als der Abschied von Sebastian Vettel aus Maranello feststand.
Auch ohne persönliche Interaktion wollte Sainz das Vertrauen des Teams zurückzahlen, indem er sicherstellte, dass das Team zu jeder Zeit über seinen Stand Bescheid wusste. "Ich habe hier und da mit Mattia (Binotto) telefoniert, ständig mit Zak telefoniert, mit Andreas telefoniert", sagt Sainz gegenüber 'formula1.com'.
"Es gab natürlich einige Zoom-Meetings, wie bei allen, aber das Wichtigste waren für mich die Klarheit und die Offenheit von allen Parteien. Es gab keine peinlichen Situationen hinter dem Rücken. Das macht mich unheimlich stolz, und wie das alles abgelaufen ist, macht mich sehr glücklich. Ich bin Zak und seinem Team sehr dankbar."
Dadurch gab es auch keine Verbitterung oder Spannung, als Sainz Brown und Seidl über seine Entscheidung informierte - auch wenn es fast wie ein Schlussmachen am Telefon war. "Sie haben sich für mich gefreut", sagt Sainz. "Sie haben mir gratuliert und gesagt: 'Du verdienst es, und ich bin sicher, dass du dich großartig schlagen wirst.' Das ist immer schön, wenn man es von seinen Chefs hört."
Die Vorteile, wenn man nicht alles sieht ...
Doch die Zoom-Meetings haben den wichtigen Formel-1-Meetings auch ein paar neue Faktoren verliehen: Weil die Kamera nur die obere Hälfte des Körpers zeigt, konnte man anderen am virtuellen Tisch heimlich schreiben, ohne dass die anderen es merken - und es konnten heimlich Snacks verdrückt werden.
"Ich werde nicht verraten, wer in meinem Textchat ist, aber wir schreiben definitiv mit einigen dabei", sagt Williams. "Und du überlegst, wie du mal für eine Toilettenpause verschwinden kannst, ohne dass die anderen es merken. Ich weiß nicht, wie man die Kamera ausmacht oder so."
Und auch wenn die Formel 1 im kommenden Monat in Österreich wieder loslegt, wird es noch einige Zeit dauern, bis wieder die normale Anzahl an Leuten im Paddock ist und reguläre Meetings auf der Agenda stehen.
Modell für die Zukunft?
Pirelli-Manager Mario Isola glaubt, dass der Boom der Videokonferenzen den Weg für einen effizienteren Ansatz für die Formel-1-Politik ebnen kann: "Bis vor ein paar Monaten fand jedes Treffen wie die Sportliche oder Technische Arbeitsgruppe irgendwo statt und die Leute mussten anwesend sein", sagt er gegenüber 'Motorsport-Total.com'.
"Du kommst aus Italien, der Schweiz, Großbritannien oder sonst wo her und fliegst zu den Meetings, um in einem Raum zu sein. Aber jetzt hatten wir einige dieser Meetings als Videokonferenz, und es hat ganz gut funktioniert."
Mario isola würde sich in Zukunft lieber öfters nur virtuell treffen Foto: Motorsport Images
"Mit diesem neuen System sparen wir viel Zeit. Es funktioniert gut", so Isola. "Wenn du gutes Internet hast, funktioniert es sehr gut. Warum also nicht? Vielleicht ist das etwas Positives, das wir daraus lernen können."
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