Grosjeans Trinkflaschen-Trick: Wie er den Lenkrad-Knopf zweckentfremdet
Ex-Formel-1-Pilot Romain Grosjean hat einen einzigartigen Trick in die IndyCar-Serie gebracht und hätte nichts dagegen, wenn sich Nachahmer finden
Romain Grosjean im IndyCar-Cockpit von Juncos Hollinger Racing
Foto: Penske Entertainment
Jeder Rennfahrer hat eine Reihe von Methoden und Tricks in seinem Repertoire. Romain Grosjean hat einen, der auf subtile Weise einzigartig ist. Der 38-jährige Franzose nutzt den Knopf am Lenkrad, mit dem normalerweise Wasser aus der mitgeführten Trinkflasche bereitgestellt wird, auch dann, wenn sich die Flasche gar nicht im Auto befindet. Er hat den entsprechenden Button zweckentfremdet.
Den Teammitgliedern von Juncos Hollinger Racing, dem IndyCar-Team, welchem Grosjean für die Saison 2024 beigetreten ist, fiel die Vorgehensweise während der Wintertestfahrten auf. Der Neuzugang im Team betätigte den Knopf am Lenkrad immer wieder, obwohl er keinen Drink im Auto mitführte. Da erfuhren sie, dass er den Knopf benutzt, um jede Kurve jeder Runde zu analysieren und den Ingenieuren ein detaillierteres Feedback für eine bessere Abstimmung zu geben.
"Der Getränkeknopf, wenn es kein Getränk gibt, ist eine Markierung in den Daten", erklärt Grosjean gegenüber der englischsprachigen Ausgabe von Motorsport.com. "Für den Ingenieur macht es die Nachbesprechung der Runs einfacher. Denn normalerweise laufen die so ab: 'Vielleicht war es Kurve 3 in Runde 4 oder ...'. Ich aber drücke einfach den grünen Knopf. So muss ich mich nicht an die betreffende Kurve erinnern."
"So hat man eine Markierung in den Daten. Wenn man dann die Daten [mehrerer Runden] übereinanderlegt und sieht, wo die Markierung ist, weiß ich, was passiert ist. Ich kann dann präzise darüber reden, anstatt zu versuchen, mich zu erinnern, welche Kurve es war. Ich drücke einfach den Knopf und dann ist sie (die Markierung; Anm. d. Red.) da", erklärt der Ex-Formel-1-Pilot.
Mit dem #77 Juncos-Chevrolet sorgte Grosjean schon öfters für Aufsehen
Foto: Penske Entertainment
Unter anderem dank dieses Ansatzes ist Grosjean in seinen bisher zwölf Rennen für das Juncos-Team fünfmal in die Top 10 gefahren, darunter im Juni auf dem Laguna Seca Raceway auf P4, was das bisher beste IndyCar-Ergebnis des Teams ist.
Außerdem hat es Grosjean als Juncos-Pilot schon zweimal die Firestone Fast Six, das Q3-Segment des Qualifyings, geschafft. Gleich bei seinem Einstand im Team (St. Petersburg) und auch vor wenigen Wochen in Toronto qualifizierte er sich für den fünften Startplatz.
Was den Ursprung seines brillanten und doch so einfachen Konzepts angeht, so weiß Grosjean selber nicht mehr genau, wann es entstand. Er weiß aber, dass er es in den frühen Tagen seiner Formel-1-Karriere erstmals anwandte.
"In der Formel 1 hatten wir den Knopf, vielleicht war es auch der Bestätigungsknopf für Boxenstopps. Wenn sie zum Boxenstopp aufriefen, musste ich nicht unbedingt [über Funk] darauf antworten, weil wir den Bestätigungsknopf hatten. Ich glaube, ich habe das dann so übertragen: 'Okay, ich kann den Knopf benutzen, um etwas zu signalisieren", erklärt der Franzose, der seit 2021 in der IndyCar-Serie fährt.
Nach 179 Formel-1-Rennen setzte Grosjean seinen Trick beim Wechsel in die IndyCar-Serie mit. 2021 fuhr er eine Teilzeitsaison für Dale Coyne Racing, bevor er zwei volle Saisons für Andretti Autosport bestritt und im vergangenen Winter dann bei Juncos Hollinger Racing angedockt hat.
Auf die Frage, ob dieser bei Fahrern in Europa üblich sei, hält Grosjean inne. Nach einer kurzen Pause sagt er: "Das hängt vom jeweiligen Team ab. Aber nein, das glaube ich nicht. Ich versuche einfach, mir das Leben so einfach wie möglich zu machen."
Grosjean hätte nichts dagegen, wenn sein Trick in der IndyCar-Serie Schule macht
Foto: Penske Entertainment
Und Grosjean würde sich geschmeichelt fühlen, wenn aktuelle oder zukünftige Fahrer seine Methode übernehmen: "Das Tolle in der IndyCar-Serie ist, dass wir draußen auf der Strecke alle versuchen, der beste Fahrer zu sein. Es ist aber nicht so, dass wir Dinge vor den anderen verstecken. Also macht es mir nichts aus", sagt er und fügt hinzu: "Wenn sich jemand auf mich bezieht, dann nehme ich das gerne an."
Im Juncos-Team kennt man Grosjeans Trick inzwischen und der Ex-Formel-1-Pilot kann sich vorstellen, dass das Team diesen Trick in den kommenden Jahren als Ressource einsetzen wird. "Ich habe einfach meine Erfahrung eingebracht und sie haben es aufgegriffen. Sie fanden es eine ziemlich coole Idee. Ich schätze, sie werden sie in Zukunft nutzen."
"Ich mache das [Rennfahren] jetzt seit über 20 Jahren und natürlich lernt man jedes Jahr dazu. Das ist das Schöne am Sport, dass man alt sein kann, ohne alt zu sein. Ich glaube nicht, dass man seine Fähigkeiten verliert, aber man sammelt mehr und mehr Erfahrung", so Grosjean.
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