Mit Teamwechsel zum Titel: Schafft Rossi mit McLaren SP die Wende?
Nach sieben Jahren bei Andretti hat Alexander Rossi das Team gewechselt - Schafft er mit McLaren SP den Umbruch in der IndyCar-Serie?
Im Jahr 2016 hat Alexander Rossi als Rookie mit Andretti-Herta das legendäre Indy 500 gewonnen. Der damals 24-Jährige wurde sofort als großes Talent gehandelt und beendete seine Debütsaison in der IndyCar-Serie gleich auf einem soliden elften Platz. Im Jahr 2018 wechselte er in das Auto mit der Startnummer 27 von Andretti und holte einen zweiten und einen dritten Gesamtrang. Jetzt scheint die Luft etwas raus zu sein, weshalb er bei McLaren SP angeheuert ist, um die Wende zu schaffen.
Ein Sieg - auf dem Indianapolis-Rundkurs in der Saison 2022 - in drei Jahren, das ist die maue Bilanz des einstigen Toptalents in den vergangenen drei Saisons. In der Gesamtwertung kam er nicht über einen neunten Platz heraus. Rossi blieb unter seinen Erwartungen, weshalb er nun mit einem Tapetenwechsel versucht, das Feuer in der US-amerikanischen Formelserie neu zu entfachen. Mit McLaren SP soll es wieder in Richtung Titelkampf gehen.
Gegenüber der englischsprachigen Ausgabe von 'Motorsport.com' sagt der heute 31-Jährige: "Ich möchte den Titel gewinnen. Es geht mir nur noch um den Meisterschaftssieg. Das Indy 500 ist großartig und riesig, aber die größte Motivation am Sonntag sind für mich die doppelten Punkte, die auf dem Spiel stehen." Ein weiterer Indy-500-Sieg scheint für Rossi weniger wichtig zu sein, als sich eine gute Ausgangslage in der Meisterschafts zu verschaffen, um am Ende der Saison um den Titel kämpfen zu können.
McLaren setzt zum großen Schwung an
McLaren SP wird im Jahr 2023 drei Vollzeit- und ein Teilzeit-Auto für das Indy 500 einsetzen. Rossis Teamkollegen sind der schnelle Mexikaner Pato O'Ward und der ehemalige Formel-E-Fahrer Felix Rosenqvist. Für das Indy 500 stößt IndyCar-Urgestein Tony Kanaan zur McLaren SP-Truppe dazu. Damit hat Rossi eine schlagkräftige Truppe um sich, in der er sich erst einmal beweisen muss. Insbesondere O'Ward hat in den vergangenen Saisons gute Leistungen gezeigt und 2021 den zweiten Gesamtrang erreicht.
"Der Weg, den McLaren SP in den vergangenen 18 bis 24 Monaten eingeschlagen hat, und die Ressourcen und das Tempo des Fortschritts sind wirklich bemerkenswert. Da ist nur Ganassi noch größer", meint Rossi, der seinen Wechsel in das Team erklärt. "Der Aufwärtstrend und das Potenzial, gleich von Beginn an gute Resultate einfahren, aber auch in den nächsten Jahren und Monaten noch wachsen zu können, sind große Faktoren bei meiner Entscheidung gewesen."
Rossi kennt McLaren-Geschäftsführer Zak Brown bereits, da er mit seinem Kumpel James Hinchcliffe im Andretti-Supercar bei den Bathurst 1000 gesessen hat. Brown ist der Mitbegründer von United Autosports und hat signifikante Anteile am Team. Doch das hat Rossi nicht vom Wechsel überzeugt, sondern ausschließlich die bereits genannten Aussichten, die er bei McLaren SP in der IndyCar-Serie sieht.
Zak Brown: Macht er den Unterschied?
"Ich habe großen Respekt vor Zak und was er in der Formel 1 geschafft hat", so Rossi. "Und ich denke, das spricht für sich selbst, wenn man weiß, wie man die richtigen Leute einsetzt. Es war ein Team, das am Straucheln war, dann aber den richtigen Weg eingeschlagen hat und dann eine der besten Saisons in der aktuellen Zeit bestritten hat. Dieses Jahr ist es mit den Regeländerungen etwas anders, aber Zak hat einen großen Anteil am Aufschwung von McLaren in der Formel 1."
Bei McLaren SP möchte Rossi seine Karriere neu entzünden Foto: Motorsport Images
Abschied von Honda: Umstrukturierungen gaben die Initialzündung
Laut Rossi haben sich die Dinge bei Honda aber geändert und einen "Lieblingsfahrer" gibt es dort auch nicht mehr. Deshalb bereut er es nicht, den Japanern den Rücken gekehrt zu haben, um bei Chevrolet und McLaren SP anzuheuern. "Natürlich gab es eine emotionale Beziehung zu Honda, wir haben gemeinsam sowohl in der IndyCar-Serie, aber auch in anderen Rennen viel gemeinsam erreicht." Rossi habe viele Erfahrungen machen dürfen, was ihm sehr wichtig gewesen sei.
"Es gibt dort immer noch Menschen, die meine Freunde sind und deshalb war der Abschied schon eine echte Herausforderung", erklärt der neue McLaren SP-Pilot. "Natürlich war deshalb das Rennen in Laguna Seca [ImdyCar-Finale] ein sehr emotionales Event für mich." Jedoch habe Honda mit der neuen Führung einen neuen Weg eingeschlagen, weshalb auch die Unterstützung, die Rossi seitens des Herstellers bekommen hat, gekappt wurde. Deshalb hat er die Situation ausgenutzt, um seine Komfortzone zu verlassen und einen neuen Weg ohne die Japaner einzuschlagen.
Andretti und McLaren SP sind hinter Penske und Ganassi die zweite Garde in der IndyCar-Serie und ungefähr auf einem Niveau. Während Andretti aber seit vielen Jahren auf der Stelle tritt, hat das Team rund um Brown einen schnellen Aufstieg in der IndyCar-Serie geschafft, in der McLaren erst seit 2020 aktiv ist. Sam Schmidt ist seit 2001 in der Meisterschaft als Teamchef aktiv und arbeitet seit 2013 mit Ric Peterson zusammen. Davey Hamilton war für zwei Jahre im Rennstall involviert.
Neue Teamkollegen, neue Herausforderungen
Ein neues Team bedeutet auch neue Herausforderungen und Rossi wird es mit einem echten Talent in der IndyCar-Serie aufnehmen müssen. O'Ward gilt als Titelkandidat und gehört zu den schnellsten Fahrern in der Serie. Jedoch kennt Rossi diese Situation bereits von Andretti, wo er neben dem talentierten Colton Herta gestartet ist, der den Veteranen in den vergangenen Jahren regelmäßig geschlagen hat.
"Ich kümmere mich nicht [um meine Teamkollegen]", so Rossi. "Man muss sowieso jeden schlagen, oder?" Mit Craig Hampson bekommt der 31-Jährige einen Renningenieur, den er schon aus seiner Andretti-Zeit kennt, weshalb er keine lange Eingewöhnungszeit erwartet: "Ich glaubem die Methoden werden denen von Jeremy [Milless, Rossis Andretti-Ingenieur] ähneln. Mit ihm hatte ich eine sehr gute Beziehung." Das ist für Rossi viel wichtiger, als sich auf seine Teamkollegen zu konzentrieren.
Vorbild: Colton Herta!
"Man darf sich von niemanden einschüchtern lassen, auch wenn es etwas anderes wäre, wenn mein Teamkollege Scott Dixon wäre, der bereits sechs Titel gewonnen hat", erklärt Rossi. "Pato ist ein weiterer Rennsieger, aber auch jemand, der sehr gereift ist. Ich habe eine Menge von Colton gelernt, obwohl er sieben Jahre jünger als ich ist. Er kam in ein Team, das um mich und Ryan [Hunter-Reay] aufgebaut wurde und hatte sofort einen positiven Einfluss."
Das nimmt sich Rossi als Vorbild, denn er möchte genauso bei McLaren SP einschlagen wie damals Herta bei Andretti. "Ich habe eine Menge Erfahrung in der Serie und bin für ein Team gefahren, das eine Menge erreicht hat, aber auch andere Methoden und Ansätze hat, um dasselbe zu machen. Das in eine Organisation zu bringen, die schon so viel geschafft hat und Pato sowie Felix an Bord hat, wird uns drei Fahrer sicher stärker machen."
Dazu kommt sein Wissen über das aktuelle DW12-Chassis, das schon bald eingemottet und ersetzt werden soll - der Plan ist 2024. "Ich bringe das mit und wir können sofort vergleichen und die Unterschiede feststellen", meint Rossi. "Es gab in der Vergangenheit Bereiche, da war McLaren SP besser als Andretti und umgekehrt. Also die Philosophie bei den Set-ups ist kein Grund, in ein Team zu wechseln. Es geht mehr um die Menschen dort und die Möglichkeit, schnell am selben Strang zu ziehen, um ein Auto aufzubauen, das für einen funktioniert."
Ein weitere Faktor: Die Chevy-Power
Laut Rossi hat Chevrolet einen großen Teil zum Erfolg von McLaren SP beigetragen, da sich der Hersteller in den vergangenen Jahren - insbesondere in der Saison 2022 - deutlich verbessert hat. Das schiebt Rossi auf Ray Gosselin, der früher bei Andretti und Honda als Renningenieur für Hunter-Reay tätig war und jetzt bei Chevrolet die Finger im Spiel hat."Er hat eine Menge Wissen von Honda und Andretti mitgebracht", glaubt Rossi.
Außerdem ist sich der 31-Jährige sicher, dass McLaren SP dank des zusätzlichen Autos eine größere Rolle in der IndyCar-Serie spielen wird. Die beiden dominanten Topteam von Chip Ganassi und Roger Penske haben jeweils drei Vollzeit-Autos auf der Strecke. "Ich habe gesehen, wie Dinge Trial-and-Error-Vorgänge abgelaufen sind, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen", so Rossi. "Ich hoffe, dass ich [mit meiner Erfahrung] diese Versuche halbieren kann, da ich schon bei anderen Fahrer gesehen habe, dass bestimmte Dinge nicht funktionieren und wir eine andere Richtung einschlagen müssen."
Nach sieben Jahren bei Andretti ist Rossi bereit für eine neue Herausforderung Foto: Motorsport Images
"Das ist ja der Grund für den Teamwechsel gewesen", erklärt er. "Was uns entgegen kommt, ist, dass die Autos dieses Jahr unverändert bleiben. Es gibt nur wenige Tests und deshalb bin ich erleichtert, dass der Hybrid nicht vor der Saison 2024 kommen wird. Wir können gleich loslegen, ohne uns an einen neuen Antrieb gewöhnen zu müssen." Es bleibt abzuwarten, ob Rossis Tapetenwechsel die Wende in seiner Karriere einläuten wird, die bei Andretti zum Stillstand gekommen war. Der US-Amerikaner ist heiß darauf, zu beweisen, was er drauf hat.
Mit Bildmaterial von Motorsport Images.
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