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Team für Team: Die IndyCar-Halbzeitbilanz 2022

Acht Rennen absolviert, neun Rennen noch ausstehend: Zeit für einen Überblick über Gewinner und Verlierer der ersten Hälfte der IndyCar-Saison 2022

Start zum IndyCar-Rennen in Elkhart Lake 2022: Alexander Rossi, Andretti Autosport Honda, führt

Gavin Baker / Motorsport Images

Die IndyCar-Serie befindet sich aktuell in einer kurzen Sommerpause. Das am 12. Juni in Elkhart Lake über die Bühne gegangene Rennen war das achte von 17 Rennen im IndyCar-Kalender 2022. Das vergangene Wochenende und auch das aktuelle Wochenende sind rennfrei. Weiter geht die Saison mit den verbleibenden neun Rennen ab dem 3. Juli in Mid-Ohio.

Bei der Frage, war die Gewinner und Verlierer der ersten Saisonhälfte sind, verrät der Blick auf die aktuelle IndyCar-Gesamtwertung 2022 nur die halbe Wahrheit. Nachfolgend haben wir Team für Team aufgeschlüsselt, wer sich positiv ins Szene gesetzt hat, wessen Leistungen und Ergebnisse mit den Erwartungen einhergehen und wer zu den Enttäuschungen zu zählen ist.

Chip Ganassi Racing (Honda)

Alex Palou, Jimmie Johnson, Scott Dixon, Chip Ganassi, Tony Kanaan, Marcus Ericsson

Alex Palou, Jimmie Johnson, Scott Dixon, Marcus Ericsson (mit Chip Ganassi und Tony Kanaan)

Foto: Motorsport Images

Es ist schwer, ein Team zu kritisieren, das die Saison 2022 in etwa so begonnen hat, wie es die vergangene beendet hatte: Drei Ganassi-Piloten liegen in der aktuellen Gesamtwertung in den Top 6, einer von ihnen ist der Tabellenführer. Die Kehrseite der Medaille ist, dass das Team bisher nur einen einzigen Saisonsieg errungen hat. Die positive Seite ist, dass dieser beim Indianapolis 500 zustande gekommen ist.

Die Leistung des gesamten Ganassi-Teams beim Indy 500 war einfach klasse. Für Honda hat sich die Mannschaft von Chip Ganassi ganz klar als der entscheidende Faktor erwiesen. Vier der fünf Ganassi-Autos starteten aus den ersten zwei Startreihen, alle fünf Fahrer zusammen brachten es auf 163 von 200 möglichen Führungsrunden. Auch wenn es ein Schock war, dass Scott Dixon mit einem winzig kleinen Fehler die große Chance auf den Sieg weggeschmissen hat, während Alex Palou einfach nur Pech hatte, so lieferte Marcus Ericsson eine großartige Leistung ab.

Wenn es für Ganassi in der ersten Saisonhälfte Enttäuschungen gab, dann war es die anfängliche Pace in St. Petersburg und vielleicht auch auf dem Texas Motor Speedway in Fort Worth. Das Wochenende in St. Petersburg war aber ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn sich hochtalentierte Ingenieure in Krisenzeiten den Allerwertesten aufreißen.

Dann nämlich sind sie in der Lage, mitten am Wochenende einen großen Turnaround zu schaffen. Genau das ist seit Jahren eine der großen Qualitäten des Ganassi-Teams. Lagen die Autos im ersten Training noch im Nirgendwo der Zeitenliste, so verbesserten sie sich anschließend von Session zu Session. Am Sonntag lag Palou im Ziel nur eine halbe Sekunde hinter dem Sieger.

Ericsson hat sich die Spitzenposition in der aktuellen Gesamtwertung redlich verdient. Abgesehen von einem Fauxpas, als er in Long Beach auf Podestkurs lag und sich gedreht hat, sind ihm an den Renntagen keine entscheidenden Fehler unterlaufen.

Ericsson fährt mit dem Selbstvertrauen, das ihm Renningenieur Brad Goldberg eingeimpft hat, seit der Schwede 2020 ins Team kam. Sein Tempo im Qualifying ist immer noch nicht ganz so wie sie sein sollte, aber nur ganz wenige Fahrer schaffen es heutzutage, wirklich jedes Mal im Qualifying zu brillieren. Das ist auch der Grund, weshalb die bisherigen acht Qualifyings der Saison acht unterschiedliche Polesetter hervorgebracht haben.

Auch wenn er bislang noch keinen Saisonsieg erzielt hat, liegt Palou in seinem Unternehmen Titelverteidigung auf Kurs. Doch der Spanier hat ein paar kleine, aber entscheidende Fehler gemacht. Zuletzt war es die Kollision mit Teamkollege Ericsson in Elkhart Lake, die er mit gebrochener Vorderradaufhängung bezahlte.

Auch Palous Dreher auf dem feuchten Gras zu Beginn des Grand Prix von Indianapolis und das anschließende Abwürgen des Autos haben wichtige Punkte gekostet. Wenn der Champion aber zu der Gelassenheit zurückfindet, die wir 2021 von ihm gesehen haben, sollte er auch bis zum letzten Rennen der aktuellen Saison ein ernsthafter Titelanwärter sein.

Dixons Qualifikationsschwierigkeiten (überall außer beim Indy 500) sind eine Fortsetzung dessen, was wir schon in der Saison 2021 regelmäßig von ihm gesehen haben. Bei der Zeitenjagd an den Samstagen fällt es dem sechsmaligen IndyCar-Champion auch in diesem Jahr schwer, seine besten Sektoren zu einer perfekten Runde zusammenzufügen.

Und heutzutage wird es immer schwieriger, von einem Startplatz im Mittelfeld noch nach vorne zu kommen. Das ist der Hauptgrund dafür, dass Dixon aus den acht bisherigen Saisonrennen nur einen Podestplatz vorzuweisen hat. Nichtsdestotrotz fehlen ihm in der Gesamtwertung neun Rennen vor Saisonschluss weniger als 70 Punkte auf Ericsson. Sein Problem ist, dass er damit nur Sechster ist. Es wird schwierig, fünf hochtalentierte Fahrer noch zu übertrumpfen.

Für Jimmie Johnson zahlt sich die Entscheidung aus, in diesem Jahr die gesamte Saison zu fahren. Denn während er auf Rundstrecken und insbesondere auf Stadtkursen immer noch zu kämpfen hat (sein Wochenende in Long Beach war schrecklich), sieht er auf Ovalen mehr als gut aus. Sein sechster Platz in Fort Worth verdient den ganzen Hype, der um ihn gemacht wurde.

Und Johnsons selbstbewusstes Aufbäumen nach den wirklich herzzerreißenden Momenten im Training und im Qualifying zum Indy 500 bewies, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Der siebenmalige NASCAR-Champion hat in der IndyCar-Serie noch viele Hürden zu überwinden, aber seine Beharrlichkeit ist bewundernswert. Ebenso bewundernswert ist seine absolute Ehrlichkeit sich selbst, dem Ganassi-Team und allen anderen gegenüber.

 

Team Penske (Chevrolet)

Scott McLaughlin, Josef Newgarden, Will Power

Scott McLaughlin, Josef Newgarden, Will Power

Foto: IndyCar Series

Wie oft haben wir es in den vergangenen zehn Jahren seit der Einführung des Dallara DW12 von Fahrern, Renningenieuren, Teamchefs, Serienbossen und Medienvertretern gehört, wie eng es in der IndyCar-Serie zugeht? Wie an jedem x-beliebigen Wochenende 20 der 26 Autos innerhalb einer Sekunde qualifiziert sind und/oder eine berechtigte Chance auf den Sieg haben?

Und doch hat das Penske-Team geschafft, fünf der ersten acht Saisonrennen 2022 zu gewinnen. Es ist interessant, zwölf Monate zurückzugehen und festzustellen, dass die Mannschaft von "The Captain" nach neun Rennen der Saison 2021 noch kein einziges gewonnen hatte. Es gab damals zwar entschuldigende Umstände, dennoch war es ein seltsames Ereignis.

Die Penske-Erfolgsserie im Jahr 2022 fühlt sich hingegen überhaupt nicht abnormal an. Das Drei-Wagen-Team hat sein Stadtkursprogramm verbessert, insbesondere die Traktion. Das liegt nicht zuletzt darn, dass Motorenpartner Chevrolet seit Saisonbeginn neue Motoren-Mappings anbietet. Diese verbessern die Leistungsentfaltung aus 90-Grad-Kurven oder engeren Kurven heraus. Drei Chevy-Fahrer haben gegenüber 'Motorsport.com' geäußert, dass sie sich bei unterschiedlichen Rennen nicht so weit vorne qualifiziert hätten, wenn sie ihre Motoren mit den Mappings von 2021 gefahren hätten.

Will Power führt das Penske-Trio nach Punkten an und liegt in der Gesamtwertung an zweiter Stelle, 27 Punkte hinter Ericsson. Der Australier sagt, dass seine Philosophie, nicht mehr das Unmögliche zu versuchen, sondern sich darauf zu konzentrieren, das Beste aus dem zu machen, was er hat, schon 2021 begann. Wir hätten es damals nur deshalb nicht gesehen, weil er zu wenig Glück hatte, um es in Ergebnisse umzusetzen.

In diesem Jahr hat Power mit seiner Entschlossenheit, bessere Rennentscheidungen zu treffen, sechs Top-4-Platzierungen in acht Rennen erzielt, darunter den brillanten Sieg in Detroit. Dort hat er tatsächlich das Unmögliche geschafft, indem er einen Satz der weichen Firestone-Reifen (Reds) 20 Runden lang mit konkurrenzfähigem Speed fuhr, während andere sich abmühten, mit dieser Reifenmischung auch nur acht Runden zu überstehen, ohne dass ihr Gummi die sprichwörtliche Klippe hinunterfiel.

Der Grund, weshalb Power bei einer Benotung der Fahrer zur Saisonhalbzeit auf eine "1-" abrutschen würde: Er hat hin und wieder immer noch diese Qualifyings, in denen er es sich selber schwermacht, weil er den Cut ins nächste Segment verpasst. Long Beach und Detroit waren noch verzeihlich, denn dort wurde er auf seinen potenziell schnellsten Runden aufgehalten. Aber im Barber Motorsports Park nur als 19. und in Elkhart Lake nur als 15. zu starten, war schon erstaunlich schwach. Power muss sicherstellen, dass das nicht mehr passiert, wenn er endlich seine zweiten IndyCar-Titel erringen will.

Josef Newgarden ist wie immer schnell und unbändig und liegt nur fünf Punkte hinter Power. Er hat jeden seiner drei Siege verdient: Erstens mit dem opportunistischen Angriff auf Teamkollege Scott McLaughlin in der letzten Runde auf dem Texas Motor Speedway. Zweitens mit der brillanten Leistung von ihm selbst und seiner Crew in Long Beach, die ihn an einem Wochenende triumphieren ließ, an dem das Penske-Chevy-Paket wahrscheinlich nur das drittbeste war.

Und drittens in Elkhart Lake, als Newgarden und sein Penske-Chevrolet mit der Startnummer 2 durchgehend perfekt zu harmonieren schienen und er in der Lage war, auf jede Herausforderung zu antworten, die sich ihm in den Weg stellte. Newgarden wird auch bei den letzten Rennen der Saison noch um den Titel mitfahren.

Derweil verblüffte McLaughlin alle - nicht zuletzt seine eigenen Teamkollegen - mit einer wunderbaren Fahrt zur Pole und dann zum Sieg beim Saisonauftakt in St. Petersburg. Es ist unübersehbar, dass er und sein Renningenieur (und Kumpel) Ben Bretzman gut zusammenarbeiten. Mit einer weiteren Saison mit Oval-Erfahrung auf der Habenseite hätte McLaughlin vielleicht auch Newgardens Schlussattacke in Fort Worth abwehren können.

Gleichzeitig hat sich McLaughlin ein paar aufsehenerregende Fehler erlaubt: ein Mauerkontakt in Long Beach, ein Crash beim Indy 500 und ein Verbremser in Detroit, der ihn aus der Führungsrunde warf. Das alles soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich McLaughlin aktuell keine Sorgen machen muss, ins Langstrecken-Programm von Penske-Porsche (IMSA und WEC) versetzt zu werden. Denn der dreimalige Supercars-Champion und IndyCar-Pilot im zweiten Jahr ist ganz klar derjenige Fahrer im Feld, der sich im Vergleich zu 2021 am meisten gesteigert hat.

 

McLaren SP (Chevrolet)

Patricio O'Ward, Felix Rosenqvist

Patricio O'Ward, Felix Rosenqvist

Foto: IndyCar Series

Das von McLaren, Sam Schmidt und Ric Peterson geführte Team hat in den vergangenen Jahren aus den "Big Three" der IndyCar-Serie sozusagen "Big Four" gemacht. Aber ebenso offensichtlich ist, dass die Höhen und Tiefen aus der Saison 2021 auch in der Saison 2022 anhalten.

Das kann mittlerweile nicht mehr auf Fahrzeugeinstellungen geschoben werden, die die Reifen schneller auf Temperatur bringen, aber auch schnell überhitzen lassen. Denn von dieser Abstimmungsphilosophie, die man bei McLaren SP einst verfolgt hatte, um im Qualifying und bei Restarts besser auszusehen, ist man mittlerweile abgerückt. Trotzdem gibt es immer wieder Tage, an denen die orange/schwarz/blauen Boliden einfach nicht in der Spitzengruppe zu finden sind.

Auf den Straßen von St. Petersburg war McLaren SP komplett unauffällig, ja beinahe unsichtbar. Auf dem Texas-Oval in Fort Worth schlug man mit der Pole von Felix Rosenqvist zurück, verlor aber aufgrund von Fehlern der Fahrer in der Boxengasse und eines technischen Defekts am Auto des Schweden alle Chancen. Long Beach war okay, aber nichts Besonderes.

Im Barber Motorsports Park lieferte Patricio O'Ward einen sehenswert herausgefahrenen Sieg ab. Beim Grand Prix von Indianapolis hätten O'Ward und Rosenqvist Vierter und Fünfter werden sollen. Beim Indy 500 hätte jeder der beiden gewinnen können, wenn Ganassi nicht so gezaubert hätte. In Detroit war McLaren SP solide, aber nicht so stark wie die Chevy-Kollegen von Penske. Und in Elkhart Lake war man wahrscheinlich nur das viertbeste Team hinter Penske, Andretti und Ganassi.

Wenn man zu den vier besten Teams gehört, das Feld aber so eng beisammen liegt wie es in der aktuellen IndyCar-Ära der Fall ist, dann kann man nicht erwarten, jedes Wochenende um die Pole und um den Sieg zu kämpfen. Der Mangel an Konstanz in den Leistungen von McLaren SP könnte O'Ward schon vor dem letzten Rennen der Saison aus dem Titelkampf herauswerfen.

O'Ward gilt als Ausnahmetalent und es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Der Mexikaner kann ein Auto am absoluten Limit jonglieren ohne abzufliegen, und ist dabei in der Lage, Poles und Siege einzufahren. Seit 2020 hat er zudem eine bemerkenswerte Reife in den Rennen entwickelt.

Aber: Es bedurfte der Entscheidung von McLaren, O'Ward bis Ende 2025 unter Vertrag zu nehmen, um ihn nach dem mentalen Schlag, dass Weggefährte Colton Herta in diesem Jahr einen Formel-1-Boliden von McLaren testet, wieder zu seiner Bestform zurückzubringen.

O'Wards Entschluss, öffentlich zu verkünden, dass er einem Teamwechsel offen gegenüberstehen würde, schien ihn ein wenig aus dem Gleichgewicht zu bringen. Als er das alles verdrängt hatte und sich wieder auf die bevorstehenden Rennen konzentrierte, fand er zu seiner liebenswürdigen und amüsanten Persönlichkeit zurück, die wir so schätzen gelernt haben. Sein Fahrstil ist zur Normalität zurückgekehrt - soll heißen, auf eine höhere Ebene als es für die meisten anderen gilt. Daran hat auch der beruhigende Einfluss von McLaren-Teampräsident Taylor Kiel großen Anteil.

Derweil zeigt Rosenqvist inzwischen wieder die Zeichen des Fortschritts, die erstmals erkennbar waren, als McLaren-Chefingenieur Craig Hampson im Sommer 2021 das Auto mit der Startnummer 7 als Renningenieur übernahm. Diese Situation wird noch begünstigt durch die Entscheidung des Teams zu einer "neutraleren" Fahrzeugabstimmung. Es ist keine Überraschung, wenn Rosenqvist im Training und im Qualifying ein oder zwei Zehntelsekunden hinter O'Ward liegt. Es ist aber auch kein Schock, wenn es umgekehrt ist.

Es bräuchte wahrscheinlich nur den Motivationsschub in Form eines Sieges, um zu erleben, wie Rosenqvist regelmäßig mit O'Ward um die Vorherrschaft im Team kämpft. Der Schwede sollte eigentlich genug getan haben, um sich ein drittes Jahr bei McLaren SP zu verdienen. Einem so schnellen Fahrer wie O'Ward so nahe zu kommen und ihn gelegentlich zu schlagen, das verdient Lob - und eine Vertragsverlängerung.

 

Andretti Autosport (Honda)

Romain Grosjean, Colton Herta, Alexander Rossi

Romain Grosjean, Colton Herta, Alexander Rossi (nicht im Bild: Devlin DeFrancesco)

Foto: IndyCar Series

Eines Tages sollte es eine Geschichte über dieses Team geben, die nichts auslässt: Die Höhen und Tiefen, die von Teambesitzer Michael Andretti, Teampräsident J.F. Thormann, Betriebsleiter Rob Edwards, Miteigentümer (eines Autos) Bryan Herta und den vielen Fahrern und Renningenieuren beschrieben werden. Diese Geschichte hätte sofort das Zeug zum Klassiker im Print- und TV-Format. Es gibt in diesem Team einfach so viel Brillanz, die sich abwechselt mit gerade zu peinlichem Versagen.

Colton Herta ist ein wirklich hervorragender Fahrer, keine Frage. Er schuftet zwischen den Rennen, auch wenn er es nicht zugibt. Er ist definitiv niemand, der erwartet, dass Talent allein ihn in puncto Ergebnissen in den Orbit befördert. Aber trotz der Pole in Long Beach und des Sieges beim Indianapolis-Grand-Prix nur auf dem elften Tabellenplatz zu liegen, das ist weit weniger, als er sich für 2022 ausgerechnet hatte.

Schließlich hatte Herta die Saison 2020 als Gesamtdritter beendet und hatte 2021 drei Siege eingefahren. Aber klar, ein Crash im Training und ein Ausfall im Rennen beim doppelt bepunkteten Indy 500 sind ein schwerer Schlag. Die Folge ist, dass der Titel - ja sogar eine Platzierung in den Top 5 der Gesamtwertung - in diesem Jahr sehr unwahrscheinlich geworden sind.

Ganz anders Alexander Rossi. Er hat zwar fast 100 Punkte Rückstand auf Tabellenführer Ericsson, aber seine Konstanz bei den zurückliegenden Rennen ist nicht zu übersehen. Fünfter in Indy, Zweiter in Detroit, Dritter in Elkhart Lake: Das deutet darauf hin, dass Rossi kurz vor einem Sieg steht, nachdem sein bislang letzter schon mehr als drei Jahre zurückliegt.

Rossis Zukunft ab 2023 liegt bei McLaren SP. Aber würde er nichts lieber tun, als die McLaren-Piloten zu besiegen und frühzeitig ein Zeichen für die kommende Saison zu setzen? Gleichzeitig würde er damit sein derzeitiges Team daran erinnern, was sie verlieren.

Romain Grosjean ist ein Riesentalent. Momentan aber sieht er teuer aus - egal, wer für seinen Wechsel zu Andretti im vergangenen Winter am meisten hingeblättert hat. Eine siebenstellige Summe für einen Fahrer, der in der Gesamtwertung derzeit nur Zwölfter ist, nur einmal auf dem Podium stand und dreimal heftig gecrasht ist: Das ist nicht das, was man sich von diesem Deal versprochen hatte.

Grosjean könnte in Mid-Ohio, in Toronto oder beim zweiten Rennen auf dem Indianapolis-Rundkurs zweifellos gewinnen. Das Potenzial dazu hat er ohne Frage. Aber er könnte es auch wieder wegwerfen wie beim Indy 500, oder wieder unauffällig im Feld mitschwimmen wie in Detroit.

Devlin DeFrancesco hat noch einige Ecken und Kanten zu glätten, was Temperament und Instinkt angeht. Der junge Kanadier ist niemandes Definition eines Supertalents, aber er ist in Ordnung. Er ist ein netter Kerl, der seinem Team dankt. Und überfordert ist er auch nicht. Die IndyCars liegen ihm besser als die Indy-Lights-Autos. Eine Top-5-Platzierung in einem Rennen liegt noch in dieser Saison in Reichweite. Im nächsten Jahr könnte es mit einem Podestplatz klappen.

 

Meyer Shank Racing (Honda)

Simon Pagenaud, Helio Castroneves

Simon Pagenaud, Helio Castroneves

Foto: IndyCar Series

Simon Pagenaud wurde beim verregneten Grand Prix von Indianapolis Zweiter - von Startplatz 20 aus. Das ist der bisher einzige Podestplatz für das Zwei-Wagen-Team von Michael Shank und Jim Meyer in diesem Jahr. Ein weiteres Highlight war das Qualifying in Detroit, als sich Pagenaud und Teamkollege Helio Castroneves für die zweite Startreihe qualifizierten. Dennoch: Zu oft sehen die Shank-Autos zwar ganz gut aus, aber eben nicht gut genug.

Die beiden ehemaligen Penske-Teamkollegen Pagenaud und Castroneves arbeiten harmonisch zusammen, und sie arbeiten auch hart. 46 IndyCar-Siege zusammen haben ihren Ehrgeiz nicht gemindert. Aber die technische Partnerschaft mit den vier Fahrern von Andretti Autosport ist ein zweischneidiges Schwert. Im direkten Vergleich kommt es selten vor, dass das schnellste Shank-Auto vor dem schnellsten Andretti-Auto liegt.

 

Ed Carpenter Racing (Chevrolet)

Conor Daly, Rinus VeeKay

Conor Daly, Rinus VeeKay

Foto: Ed Carpenter Racing

Wie Meyer Shank Racing so hat auch Ed Carpenter Racing im bisherigen Saisonverlauf eine Berg- und Talfahrt hinter sich. Rinus VeeKay begann das Jahr in beeindruckendem Stil mit einer sehr abgebrühten Fahrt auf den sechsten Platz in St. Petersburg. Drei Rennen später fuhr er im Barber Motorsports Park auf die Pole und errang einen Podestplatz. Seitdem aber hat der Niederländer kaum noch Erfolge gefeiert.

Negativer Höhepunkt für VeeKay war der Crash beim Indy 500, der ihn beim Saisonhöhepunkt zum ersten Ausfall des Tages machte - und das, nachdem er aus der ersten Startreihe ins Rennen gegangen war. Einerseits kämpft hier ein potenziell großartiger Fahrer um Siege, andererseits trägt er in seinem dritten IndyCar-Jahr auch die Verantwortung dafür, das Team von Ed Carpenter aus dem Mittelfeld herauszuführen, in das man hin und wieder zurückfällt.

Nachdem Conor Daly im ersten Viertel der Saison zu kämpfen hatte, zeigte er sich in den vergangenen Wochen wesentlich besser aufgelegt. Sein fünfter Platz im Regen auf dem Indianapolis-Rundkurs war die beste Fahrt in seiner knapp 90 Rennen umfassenden IndyCar-Karriere. Und auch seine Aufholjagd auf dem Indianapolis-Oval vom 18. Startplatz bis auf den sechsten Platz war sehenswert.

Trotzdem befindet sich Daly in einer ungünstigen Position, da er VeeKay meistens dann am nächsten kommt, wenn die Fahrzeugabstimmung nicht passt und keiner von beiden eine realistische Chance hat, die Top 5 zu erreichen.

 

Rahal Letterman Lanigan Racing (Honda)

Christian Lundgaard, Graham Rahal, Jack Harvey

Christian Lundgaard, Graham Rahal, Jack Harvey

Foto: Motorsport Images

Das Wochenende im Barber Motorsports Park 2019 liegt schon lange zurück. Es war das bisher letzte Mal, dass das Team von Bobby Rahal, David Letterman und Mike Lanigan die Konkurrenz abseits eines Ovals sowohl im Qualifying als auch im Rennen übertrumpfte. Aktuell ist es schwer vorstellbar, wie das Team aus dem seither bestehenden Formtief auf Rundstrecken und Stadtkursen herauskommen soll.

Graham Rahal war schon immer ein besserer Renn(en)fahrer als Qualifikant. Aber selbst dann bedeutet sein durchschnittlicher 17. Startplatz in diesem Jahr, dass er an den Renntagen einfach zu viel Arbeit leisten muss. Unter diesem Gesichtspunkt sind seine zwei siebten und zwei achten Plätze lobenswert. Aber: Der Sohn des dreimaligen CART-Champions Bobby Rahal ist jemand, der die IndyCar-Gesamtwertung in den vergangenen sieben Jahren immer in den Top 10 abgeschlossen hat. Aktuell liegt er nur auf dem 15. Tabellenplatz.

Die Aufstockung von zwei auf drei Vollzeitautos hat sich für das Rahal-Team bislang nicht als Goldgriff erwiesen, wenngleich sowohl IndyCar-Rookie Christian Lundgaard als auch Neuzugang Jack Harvey ein gewisses Tempo an den Tag legen und Lundgaard aktuell die Rookie-Wertung anführt. Es kommt aber einfach zu selten vor, dass es mal ein Rennwochenende gibt, an dem alle drei Autos des Teams über alle drei Tage hinweg konstant schnell sind. Hier gibt es noch viel zu tun.

 

Dale Coyne Racing (Honda)

Takuma Sato, David Malukas

Takuma Sato, David Malukas

Foto: Motorsport Images

Der ehemalige Rahal-Pilot Takuma Sato muss sich beim Blick zurück in die Vergangenheit nicht grämen. Und er hat sich genau so verhalten, wie es von einem aufgeschlossenen Routinier bei Dale Coyne Racing zu erwarten war, sobald ihm das Potenzial seines Autos auf Ovalen und Stadtkursen klargeworden ist.

Sato qualifizierte sich auf dem Texas Motor Speedway in Fort Worth als Dritter, auf der Belle Isle in Detroit als Zweiter und er war während des Trainings zum Indy 500 einer der Stars, bis das Ganassi-Team die gesamte Konkurrenz in die Schranken wies. In der Gesamtwertung rangiert Sato nur an 18. Stelle, weil er es in der ersten Saisonhälfte auf nur zwei Top-10-Ergebnisse gebracht hat.

Satos Beziehung zu seinem Teamkollegen, IndyCar-Rookie David Malukas, ist eine wachsende und hilfreiche für das Team. Trotz eines Altersunterschieds von 25 Jahren ergänzen sich die beiden gegenseitig und liegen in Bezug auf ihre Pace nie weit auseinander.

Malukas sieht genauso vielversprechend aus wie in der Indy-Lights-Serie. Und auch wenn er ein paar Fehler gemacht hat - man denke nur an St. Petersburg und Long Beach - so hat er mehr als einmal auch überdurchschnittliche Leistungen gezeigt. Wer hätte angesichts seiner geringen Erfahrung auf Ovalen erwartet, dass der Youngster aus Chicago im Qualifying zum Indy 500 zwei Penske-Piloten hinter sich lassen würde?

Im Eifer des Gefechts sind Malukas ein paar Fehler in der Boxengasse unterlaufen. Aber er ist einer, der aus seinen Fehlern lernt. Nach seinen Ausrutschern bei den ersten beiden Stadtrennen der Saison hatte man sich gefragt, wie er wohl in Detroit zurechtkommen würde. Und dort ist ihm im Qualifying den Einzug in die Top 6 (Firestone-Fast-Six) gelungen.

 

A.J. Foyt Enterprises (Chevrolet)

Dalton Kellett, Tatiana Calderon, Kyle Kirkwood

Dalton Kellett, Tatiana Calderon, Kyle Kirkwood (nicht im Bild: J.R. Hildebrand)

Foto: A.J. Foyt Racing

Malukas' ehemaliger Indy-Lights-Titelrivale Kyle Kirkwood hat es auf den Rundstrecken und Stadtkursen sehr schwer. Teamkollegin Tatiana Calderon versucht noch, sich in einem IndyCar zurechtzufinden. Aus diesem Grund sind ihre Daten und ihr Feedback für ihren Rookie-Kollegen nur von begrenztem Nutzen. Das gilt insbesondere deshalb, weil Calderon im Gegensatz zu Kirkwood auch die meisten Strecken erst noch kennenlernen muss.

In diesem Punkt kann sich Kirkwood auf Dalton Kellett im Auto mit der Startnummer 4 verlassen. Der Kanadier wird immer souveräner (weniger Dreher) und war in St. Petersburg und auch den Ovalen sehr gut aussortiert. Aber seine Fortschritte sind eher gleichmäßig als explosiv.

Kirkwoods positive Aussage vor Beginn der Saison, wonach sich die Fahrzeugabstimmungen von A.J. Foyt Enterprises genauso gut anfühlten wie die von Andretti Autosport (für die er im Winter dreimal getestet hat), war gerechtfertigt.

Seit Kirkwood das von seinem Vorgänger im Auto mit der Startnummer 14 (Sebastien Bourdais) bevorzugte, neutrale bis untersteuernde Fahrverhalten zu den Akten gelegt hat, ist er in der Lage, Foyts verbessertes Stoßdämpferprogramm für Stadtkurse zu seinem Vorteil zu nutzen. Ohne seinen kleinen Fehler auf kalten Reifen im Rennen in Detroit hätte er dort in die Top 8 fahren können.

Calderons Potenzial sollte wahrscheinlich erst am Ende der Saison beurteilt werden. Aber sie ist definitiv keine Belastung für das Feld und weiß jetzt, was auf sie zukommt, sollte sie in der IndyCar-Serie bleiben wollen. Wichtig ist auch, dass es bei ihr Anzeichen für Fortschritte gibt.

J.R. Hildebrand, der die Ovalrennen anstelle von Calderon fährt, ist eine sichere Bank. Es ist davon auszugehen, dass er sich auf dem Iowa Speedway und dem World Wide Technology Raceway in St. Louis als Segen für das Foyt-Team erweisen wird, da er nicht nur mutig, sondern auch analytisch vorgeht.

 

Juncos Hollinger Racing (Chevrolet)

Callum Ilott

Callum Ilott

Foto: IndyCar Series

Callum Ilott hat sich weit mehr hervorgetan, als seine einzige Top-10-Platzierung vermuten lässt. Er beeindruckte mit seinem Speed im Training und im Qualifying im Barber Motorsports Park (P11), beim Grand Prix von Indianapolis (P7) und in Elkhart Lake (P12). In Anbetracht seiner fehlenden Erfahrung auf Ovalen war sein 19. Startplatz im 33-köpfigen Starterfeld zum Indy 500 ebenfalls sehr beeindruckend.

Ilotts Nachteil ist, dass er für ein Ein-Wagen-Team fährt, das sich auf dem Wettbewerbsniveau der IndyCar-Serie noch in der Findungsphase befindet. Es gibt aber eindeutige Anzeichen dafür, dass es in die richtige Richtung geht und das ist erfreulich.

Ricardo Juncos und Brad Hollinger verfügen zwar nicht über die Ressourcen der ganz erfahrenen Teambesitzer im Feld, haben sich aber trotzdem für einen Fahrer entschieden, der mit Talent und nicht mit Geld dahergekommen ist. Man sollte nicht parteiisch sein, aber es wäre eine wahre Freude, das Juncos-Team noch vor Ende der Saison auf dem Podium zu sehen.

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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